Vortragsreihe "Neue Zugänge und Methoden der Antisemitismusforschung"

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Falls nicht anders angegeben, finden alle Vorträge um 18 Uhr c.t. statt. Aufgrund der unsicheren pandemischen Lage werden die Orte bzw. Online-Zugangsdaten der Veranstaltungen ggf. erst kurzfristig bekanntgegeben.

Plakat der Veranstaltungsreihe zum Download.


Aufzeichnungen


Bericht zur Vortragsreihe erschienen

Bericht Vortragsreihe 2021
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Unser Bericht zur Vortragsreihe steht nun zum Download zur Verfügung! Der Bericht bietet neben Fotos der Veranstaltungen auch kurze inhaltliche Skizzen der gehaltenen Vorträge. Insofern Aufzeichnungen der Vorträge noch auf YouTube verfügbar sind, sind diese im PDF-Dokument verlinkt.

Die Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung bedankt sich bei allen Referent:innen, Gästen und Online-Zuschauer:innen für die interessanten Vorträge, spannenden Diskussionen, die angenehme Atmosphäre und für eine sehr lehrreiche Vortragsreihe! Ein besonderer Dank geht an Christoph Fischer, der die Übertragung der Vorträge mit seinem Equipment und seiner technischen Expertise erst möglich gemacht hat! Weiterhin bedanken wir uns beim Fanprojekt Trier und der Katholischen Studierendenjugend Trier, die uns ihre Räumlichkeiten für zwei der Vorträge zur Verfügung gestellt haben!

Download der Broschüre


Veranstaltungen der Vortragsreihe

Juni

24. Juni 2021 | Antisemitismus und Impfkritik. Historische Verflechtungen

Vortrag von Mathias Berek (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin) | Online | Facebook-Veranstaltung | Livestreamaufzeichnung

Mit dem Fortschreiten der Impfkampagne gegen die Covid19-Pandemie wächst auch die öffentliche Präsenz der Impfkritik. Vergleicht man den heutigen Zustand der deutschen impfgegnerischen Bewegung mir ihrem Beginn im 19. Jahrhundert, zeigt sich, dass sich seit 1874 nicht nur an ihren Argumenten wenig geändert hat, sondern auch am Vorhandensein antisemitischer Inhalte. Die Bewegungen gegen das Impfen waren und sind sehr heterogen, und es gibt gravierende Unterschiede zwischen der Situation heute und der vor 100 Jahren. Dennoch lassen sich übereinstimmende Muster im antisemitischen und impfgegnerischen Denken identifizieren, die sich in all der Zeit kaum geändert haben. Diese Gemeinsamkeiten, aber auch strukturelle Parallelen der impfgegnerischen Bewegungen wird der Vortrag diskutieren.

Dr. habil. Mathias Berek ist Kulturwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin.

Juli

29. Juli 2021 | Was ist eigentlich „Antisemitismus“? Annäherungen an ein vielgestaltiges Phänomen

Vortrag von Thomas Haury (Freiburg) | Facebook-Veranstaltung | HS 4 der Universität Trier (C-Gebäude)

Die Frage: „Was ist Antisemitismus?“ erhebt sich schon angesichts der jüngsten, recht meinungsstark geführten Antisemitismus-Debatten in der politischen Öffentlichkeit – sei es um Achille Mbembe, die BDS-Bewegung oder einen „neuen”, israelbezogenen Antisemitismus. Involviert in diese Debatten auf umkämpftem politischem Feld mit einer Vielzahl von Akteuren, Interessen und Positionen ist notwendig auch die Antisemitismusforschung. Und auch hier herrscht offener Dissens schon über die Bestimmung des Gegenstandes selbst, es zeigt sich eine disparate Vielfalt von Definitionsvorschlägen und Typologien, deren theoretischer Gehalt jedoch allzu häufig der Komplexität des Phänomens Antisemitismus nicht gerecht wird. Wie könnte eine Annäherung an ein tiefer gehendes Verständnis des Antisemitismus aussehen, das dessen historischer wie gegenwärtiger Vielgestaltigkeit und tiefer kultureller Verankerung Rechnung trägt – aber auch in den gegenwärtigen politisch-wissenschaftlichen Debatten zu mehr Klarheit beizutragen vermag?

Dr. Thomas Haury studierte Soziologie und Geschichte und wurde im Februar 2001 an der Universität Freiburg promoviert. Derzeit ist er in verschiedenen Bildungseinrichtungen tätig. Er arbeitet zu den Themen Antisemitismus, Nationalismus, Antiamerikanismus und Fundamentalismus.

August

05. August 2021 | Antisemitismus in Fußball-Fankulturen: Der Fall RB Leipzig

Vortrag von Pavel Brunssen (University of Michigan) | Fanprojekt Trier (St. Mergener-Straße 1, 54292 Trier) | Facebook-Veranstaltung

"Dieses Buch analysiert das gesellschaftlich weitverbreitete Ressentiment gegen RB Leipzig aus antisemitismuskritischer Perspektive. In einer empirisch fundierten theoretischen Auseinandersetzung stellt dieses Buch eine gleichermaßen innovative wie richtungsweisende Studie über die Fankultur der Ultras sowie die Artikulationsformen des Antisemitismus im 21. Jahrhundert vor. Brunssen legt eindrucksvoll dar, wie sich die Ablehnung RB Leipzigs aus einem jahrhundertealten Fundus antisemitischer Bilder speist." (Beschreibung zum gleichnamigen Buch)

Pavel Brunssen promoviert in German Studies an der University of Michigan. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Antisemitismus-, Antiziganismus- und Fanforschung.

 

16. August 2021 | Die Dialektik der Aufklärung als Antiziganismuskritik

Vortrag von Markus End (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin) | KSJ Trier (Weberbach 72, 54290 Trier) | Facebook-Veranstaltung

Die deutschsprachige Antisemitismusforschung wie auch die Antisemitismuskritik eines Teils der deutschen Linken sind maßgeblich geprägt durch die „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno, insbesondere durch die Thesen zum Antisemitismus. Kaum lässt sich ein Text zum Thema finden, der sich nicht implizit oder explizit auf diese Thesen bezieht. Die sehr viel jüngere deutschsprachige Antiziganismusforschung wie auch die sich entwickelnde Antiziganismuskritik in der Linken haben sich häufig an diesen Vorannahmen und Thesen orientiert, sich auf sie bezogen oder sie modifiziert. Im Vortrag soll diese Perspektive der Antiziganismuskritik erweitert werden, indem aufgezeigt wird, inwiefern im Text der „Dialektik der Aufklärung“ selbst, insbesondere im Kapitel zum „Begriff der Aufklärung“, bereits der Kern einer materialistischen Theorie des Antiziganismus formuliert ist. Daraus ergeben sich im Anschluss an diese Rekonstruktion weiterführende Thesen zum Verhältnis von Antisemitismus, Antiziganismus und (post-)kolonialem Rassismus.

Dr. Markus End ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der theoretischen Auseinandersetzung mit Antiziganismus, der Möglichkeiten antiziganismuskritischer pädagogischer Arbeit sowie der theoretisch vergleichenden Vorurteilsforschung.

September

02. September 2021 | Ambivalenzen von Rassismuskritik. Antisemitismus in antirassistischer Theorie und Praxis

Vortrag von Randi Becker (Justus-Liebig-Universität Gießen) | Audimax der Uni Trier | Facebook-Veranstaltung

Rassismus und Antisemitismus bedrohen tagtäglich Menschenleben.
Steigender Antisemitismus während der Corona-Pandemie, rassistische Polizeigewalt, und Anschläge, wie in Hanau und Halle 2020 und 2019, führen dies nur allzu deutlich vor Augen. Die Kritik sowohl des Rassismus als auch des Antisemitismus ist so notwendigerweise eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sowohl TheoretikerInnen als auch AktivistInnen beschäftigt und beschäftigen muss. Beide Phänomene verschränken und überlappen sich in der Praxis, bedürfen aber auch der spezifischen Betrachtung der jeweiligen Besonderheiten und Unterschiede. Gerade die Kenntnis der Unterschiede kann KritikerInnen beider Phänomene erst dazu befähigen, Rassismus und Antisemitismus wahrzunehmen, zu kritisieren und zu bekämpfen. Besonders notwendig erscheint diese Kenntnis in Zeiten, in denen auch antirassistische Kreise antisemitische Narrative reproduzieren: die Mbembe Debatte sowie antisemitische Ausschreitungen bei Black Lives Matter machen deutlich, dass ein Eintreten gegen Rassismus nicht notwendigerweise auch mit einer Reflexion des Antisemitismus und seiner Kritik einhergeht, im Gegenteil werden, trotz der Verbundenheit beider Phänomene, gerade auch in antirassistischen Kreisen antisemitische Narrative geteilt und reproduziert. Der Vortrag widmet sich der Kritik des Antisemitismus in antirassistischer Theorie und Praxis anhand ausgewählter Beispiele.

Randi Becker studierte Sozialwissenschaften, Soziologie und politische Theorie in Gießen, Frankfurt und Darmstadt. Sie ist hauptamtliche Dozentin in einem Bildungszentrum, Lehrbeauftragte an verschiedenen hessischen Universitäten, sowie freiberufliche Referentin der politischen Bildung. Sie forscht, schreibt und spricht zu Rassismus, Antisemitismus, Nationalsozialismus und Geschlecht, sowie deren Verknüpfungen. Sie ist externe Doktorandin der Universität Passau und promoviert zu Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit im Rahmen von Rassismuskritik.

 

16. September 2021 | Zwischen Modernisierung und Beharrlichkeit. Globalisierter Antisemitismus im digitalen Zeitalter. Ein Forschungsprogramm

Vortrag von Lars Rensmann (University of Groningen) | Online | Facebook-Veranstaltung | Livestreamaufzeichnung

Die Bedingungen, unter den Antisemitismus heute in sozialen Räumen reproduziert, artikuliert und mobilisiert wird, haben sich in den letzten Jahren einschneidend gewandelt. Dabei ist weitgehend Konsens in der Forschung, dass die Digitalisierung privater, halböffentlicher und öffentlicher Interaktionssphären und die millionenfache Verbreitung von Desinformation im digitalen Zeitalter die Verbreitung antisemitischer Ressentiments eher befördert haben--sind doch antisemitische Verschwörungsfantasien die "fake news" sui generis seit der Antike. Die Formen, in denen Antisemitismus dabei zutage tritt und auch wieder verstärkt Gegenstand politischer Kommunikation wird, sind teils modernisiert und codiert, teils nahezu amorph in ihrer Funktion als Projektionsfläche; sie deuten indes aber ebenso auf die Beharrlichkeit bestimmer kulturell tradierter Deutungsmuster. Der Vortrag schlägt Schneisen für ein interdisziplinäres Forschungsprogramm, das sich neuen, im Besonderen globalisierten sowie sozial-medialen Bedingungen, Verbreitungs- und Artikulationsformen antisemitischer Ressentiments und Ideologeme zu stellen sucht und zugleich theoretische und historische Erkenntnisse reflektiert.

Dr. Lars Rensmann ist Professor für Europäische Politik und Gesellschaft an der Universität Groningen. Seit 2011 ist er Mitglied des Editorial Boards des Journal for the Study of Antisemitism und seit 2013 des Journal of International Political Theory. Seine Forschungsschwerpunkte sind Politische Theorie, Europapolitik und Internationale Politik. Außerdem beschäftigt er sich intensiv mit Antisemitismus sowie Rechtsextremismus.

 

23. September 2021 | „Die gerechte Sache der arabischen Völker“: Kuba, Israel und der Nahostkonflikt (1959-1973)

Vortrag von Margarita Lerman (Universität Leipzig) | HS 4 der Universität Trier (C-Gebäude) | Facebook-Veranstaltung

Auf der vierten Gipfelkonferenz der Bewegung der Bündnisfreien Staaten im September 1973 in Algier verkündete Fidel Castro, die diplomatischen und konsularischen Beziehungen seines Landes zu Israel aus Solidarität mit „der gerechten Sache der arabischen Völker“ zu beenden. Obschon das bilaterale Verhältnis nur von kurzer Dauer war und ihm eher wenig Bedeutung beigemessen wird, entwickelte es sich gerade vor dem Hintergrund geopolitischer Entwicklungen während des Kalten Krieges zu einem wichtigen Referenzpunkt für Kubas revolutionäres Selbstverständnis. Die Berichterstattung in der Granma, der Zeitung der kubanischen kommunistischen Partei, ergänzt durch Positionsbestimmungen Fidel Castros und Che Guevaras, dienen diesem Vortrag als Grundlage, um der Veränderung des kubanischen Blicks auf Israel von Beginn der Revolution bis zum Jom-Kippur-Krieg nachzugehen.

Margarita Lerman studierte Übersetzungswissenschaft, Konferenzdolmetschen und European Studies an den Universitäten Leipzig, Concepción, Havanna und Jerusalem. Sie arbeitet freiberuflich als Übersetzerin und Lektorin und ist seit 2016 in der wissenschaftlichen Redaktion des Leibniz-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow tätig. Ab Herbst 2021 promoviert sie im Bereich der jüdischen Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Oktober

12. Oktober 2021 | Gewerkschaften und Antisemitismus. Eine Untersuchung des kollektiven Gedächtnisses des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Vortrag von Lea Herzig (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin) | Audimax der Universität Trier | Facebook-Veranstaltung

Mit dem 21. Parlament der Arbeit im Jahr 2018 bestätigte der Deutsche Gewerkschaftsbund sein seit Jahren gelebtes Bekenntnis zum Antifaschismus. Seit 1949 ist der DGB der Dachverband vonheute acht Mitgliedsgewerkschaften. Doch wie hat sich nach den Erfahrungen im Nationalsozialismus dieses antifaschistische Selbstverständnis im DGB entwickelt? Und welche Leitlinien gibt dieses für den heutigen Umgang der deutschen Gewerkschaften mit aktuellen Formen des Antisemitismus, innerhalb der Gesellschaft, aber gerade auch innerhalb der Organisationen selbst? Und lässt sich ein Ideal für die zukünftige Gewerkschaftsarbeit gegen Rechts finden?Es gilt einen Teil des kollektiven Gedächtnisses der deutschen Gewerkschaften zu ergründen. Mit einem zeithistorischen Ansatz beginntdabei die untersuchte Zeitspanneerst mit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1949.Die Theorie vom kollektiven Gedächtnis gehtauf Maurice Halbwachs zurück und wurde zudem durch Jan und Aleida Assmann, sowie Alexander und Margarete Mitscherlich weitergeführt.In einer inhaltskritischen Analyse sollen Quellen der gewerkschaftlichen Verbandsarbeit genauer untersucht werden. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf Beschlusstexten, Sitzungsprotokollen und Pressemitteilungen. Die antifaschistischen und anti-antisemitischen Beschlusslagen des DGB und die bisherige Erinnerungsarbeit erwecken den Eindruck, dass Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit nicht in den deutschen Gewerkschaften vorkommen. Die Einstellungsforschung zeichnet allerdings ein anderes Bild, daher ist davon auszugehen, dass es eine Diskrepanz zwischen der beschlussfassenden Funktionärsebene und der Ebene der „einfachen“ Mitglieder gibt.

Lea Herzig ist Doktorandin am Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin. Dort promoviert sie zum „Umgang des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit Antisemitismus, seit 1949“. Zu ihren Forschungsintersssen gehören Erinnerungsgeschichte, Forschung zu Antisemitismus, Arbeiterbewegung und Gewerkschaften.

 

19. Oktober 2021 | Zur Kritik „multidirektionaler Erinnerung“

Vortrag von Ingo Elbe (Universität Oldenburg) | Facebook-Veranstaltung | Livestream-Aufzeichnung

Das Gedenken an den Holocaust wird seit einigen Jahren von antirassistischen und postkolonialen Ansätzen radikal in Frage gestellt. Insbesondere Michael Rothbergs auch in Deutschland gefeierte Theorie einer „multidirektionalen Erinnerung“ stellt die ‚Verflechtung‘ von Gewaltgeschichten in den Vordergrund, um einer, wie er meint, gefährlichen ‚Opferkonkurrenz‘ vorzubeugen und von Rassismus betroffene Menschen in den westlichen Erinnerungsdiskurs zu integrieren. Zu diesem Zweck wird es als produktiv erachtet, die Geschichte der Vernichtung der europäischen Juden in kolonialen Termini zu erzählen und die Geschichte von Kolonialverbrechen auf den Holocaust zu beziehen, um damit eine Solidarität der Opfer von Massenverbrechen herzustellen. Der Vortrag kritisiert diese erinnerungspolitische Strategie, indem gezeigt wird, dass dabei der Holocaust und der Antisemitismus ihrer Spezifik beraubt werden und an ihre Stelle ein „universell drapierter moralisierender Diskurs über unterschiedslose Opferschaft“ tritt (Dan Diner). Die volkspädagogischen Dogmen und die in der politischen Praxis vertretene Agenda dieses Diskurses weisen zudem eine israelfeindliche und den Antisemitismus der ‚Subalternen‘ oder ‚Anderen‘ verharmlosende Dimension auf.

Dr. Ingo Elbe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Privatdozent am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg. Zuletzt erschienen: Gestalten der Gegenaufklärung. Untersuchungen zu Konservatismus, politischem Existentialismus und Postmoderne. 2. überarb. Auflage, Würzburg 2021.

 

27. Oktober 2021 | Antisemitismus als Gegenstand und Begriff des Rechts

Vortrag von Carla Dondera (FU Berlin) | Facebook-Veranstaltung | YouTube-Livestream

Dass das Recht ein sinnvolles und notwendiges Instrument zur Bekämpfung von Antisemitismus ist, wird heute selten in Abrede gestellt. So geht etwa die öffentliche Berichterstattung über antisemitische Angriffe oder Ereignisse fast immer auch mit dem Apell einher, Antisemitismus „mit allen Mitteln des Rechtsstaats“ zu begegnen. Der Relevanz antisemitisch motivierter Straftaten wurde vom Gesetzgeber jüngst durch eine Ergänzung des Begriffs „antisemitisch“ in den Normen zur Strafzumessung Rechnung getragen, womit der Begriff erstmals Eingang in ein deutsches Gesetz fand. Weniger klar scheint indes, wie dieser Begriff inhaltlich zu füllen ist - so liefert weder das Strafgesetzbuch, noch die Rechtswissenschaft eine eindeutige oder gar verbindliche Bestimmung dessen, was Antisemitismus ist. Die Frage nach der ‚richtigen‘ Antisemitismusdefinition ist dabei für das Recht sowohl aufgrund des normativen Charakters von Rechtsbegriffen, als auch aufgrund der Spezifika von Antisemitismus als „beweglichem Vorurteil“ alles andere als trivial. Der Vortrags beleuchtet die rechtlichen Implikationen des Begriffsproblems zunächst empirisch anhand von Beispielen aus der Rechtsprechung. Als mögliche Lösung soll im Anschluss exemplarisch die IHRA Arbeitsdefinition Antisemitismus diskutiert werden. Der Vortrag schließt mit einigen theoretischen Überlegungen zu den Möglichkeiten und Grenzen einer rechtlichen Perspektive auf Antisemitismus.

Carla Dondera studiert Politikwissenschaft und Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeitet am Arbeitsbereich Politische Theorie und Philosophie des Otto-Suhr-Instituts. Studien-und Forschungsschwerpunkte: Theorien des Antisemitismus, israelbezogener Antisemitismus, Rechtsphilosophie und Kritische Theorie. Außeruniversitäres Engagement in antisemitismuskritischer Bildungsarbeit (aktuell u.a. als Sprecherin des stipendiatischen Arbeitskreises „Kritik des Faschismus, Antisemitismus und Rassismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung).

November

05. November 2021 | Antisemitismus und Verschwörungsideologien im Netz: Neue methodische Herausforderungen

Vortrag von Claudia Globisch (IAB Nürnberg) | HS 3 der Universität Trier | Facebook-Veranstaltung

Die Veranstaltung musste krankheitsbedingt leider ausfallen.

 

17. November 2021 | Varieties of Antisemitism

Vortrag von Jeffrey Herf (University of Maryland) | Online | Facebook-Veranstaltung | Livestream-Aufzeichnung

During the twentieth century, antisemitism found expression in three predominant forms:  Nazism and the far right; the Islamist movements from the Muslim Brotherhood to Al Qaeda, Hamas, and the Islamic Republic of Iran; and in the anti-Zionist left in the Soviet bloc after 1949 and in the global radical left, especially after the Six Day War of 1967. These three forms of antisemitism persist into our own times. This talk explores the historical origins, and the similarities and differences between these three forms of anti-Jewish antagonisms. It examines the conspiracy theory that was at the core of Nazi policy, Nazi Germany's propaganda toward the Arab world, and the distinctive features of Soviet bloc and leftist anti-Zionism. It also draws attention to the crucial role that the Soviet bloc played in assisting the Zionists to establish the Jewish state in 1947-1948, a fact that is too often forgotten in recent decades.  The talk offers some ideas for research now and in years to come, stresses the importance of such work, and barriers as well as opportunities for conducting such much needed research, writing and teaching.

Jeffrey Herf ist Professor für Geschichte an der University of Maryland. Forschungsschwerpunkte: Moderne europäische Geschichte, Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, Geschichte des Holocaust. Veröffentlichungen u. a.: The Jewish Enemy. Nazi Propaganda During World War II and the Holocaust (2006); Zweierlei Erinnerung. Die NS-Vergangenheit im geteilten Deutschland (1998).

 

25. November 2021 | Der Hassprediger. Judenbilder und deutsche Phantasien bei Ernst Moritz Arndt

Vortrag von Anne-Maika Krüger (Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin) | HS 5 der Universität Trier | Facebook-Veranstaltung | Livestream-Aufzeichnung

Anne-Maika Krüger promoviert am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin zum Thema "Ernst Moritz Arndt und das deutsche Volk. Eine Männerphantasie und ihre Rezeption".

Dezember

14. Dezember 2021 | Der Genuss am Judenhass. Über den Zusammenhang von Antisemitismus und Narzissmus

Vortrag von Thorsten Fuchshuber (Université libre de Bruxelles) | Online | Facebook-Veranstaltung

Was ist es, das Antisemiten gegen jede Evidenz und jedes rationale Argument an ihrem Weltbild festhalten lässt? Der Antisemitismus sei „etwas ganz anderes als eine Denkweise: Er ist vor allem eine Leidenschaft“, ein umfassendes „Engagement der Seele“, meinte etwa Jean-Paul Sartre und betonte den zutiefst irrationalen Charakter der antisemitischen Regung. Auch Max Horkheimer urteilte zwischenzeitig, er halte den Antisemitismus, „trotz der ungeheuren Bedeutung wirtschaftlicher und sozialer Tendenzen […] für ein im Wesentlichen psychologisches Phänomen“. Doch was motiviert dieses leidenschaftliche Engagement der Seele, liefert den Antrieb für den Antisemitismus, der aller Bedeutung gesellschaftlicher Faktoren zum Trotz auch als psychisches Geschehen betrachtet werden muss? Die in dem Vortrag vertretene These geht davon aus, dass der Antisemitismus vielen, die ihn verinnerlicht haben, einen psychischen Gewinn verschafft, der sich unter Bezug auf den pathologischen Narzissmus verdeutlichen lässt, und dessen Wahrung und Mehrung mit einer Vernichtungswut apokalyptischer Dimension einhergeht. Mit der antisemitischen Tat fantasieren und komplettieren diese Charaktere ihr grandioses Größenselbst.

Thorsten Fuchshuber ist Journalist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre interdisciplinaire d’Etude des Religions et de la Laïcité (CIERL) der Université libre de Bruxelles.


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