Podiumsdiskussion nur ohne Podium

Nicht die Expertinnen und Experten, sondern die Meinungen des Publikums standen bei einem neuen Veranstaltungsformat der Wissenschaftsallianz Trier und der Tufa im Mittelpunkt.

Wohin entwickelt sich die Demokratie? Dass diese Frage 75 Jahre nach Verkündung des Grundgesetzes mehr als aktuell ist, zeigte sich beim Auftakt des „Clubs der drängenden Fragen“. Zu der Veranstaltung kamen weit mehr Personen in die Tufa, als die Organisatoren erwartet hatten, sodass eilends noch aufgestuhlt wurde. Auch die Anordnung der Sitzreihen war etwas Besonderes, denn man saß sich gegenüber. Die Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft hatten jeweils in den ersten Reihen Platz genommen. Ein Podium gab es bei dieser Podiumsdiskussion nicht.

Teilnehmer am Club der drängenden Fragen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Trier diskutierten aus ihren jeweiligen fachlichen Perspektiven verschiedene Aspekte des Grundgesetzes.

„Wir müssen mehr miteinander reden und in den Dialog kommen. Genau das wollen wir mit dem Club der drängenden Fragen bewirken“, fasste Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer, Präsidentin der Universität Trier das Ziel der neuen Veranstaltungsreihe zusammen. Mitten in der Stadt zu sein und mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen, war den Initiatoren besonders wichtig. Umso glücklicher war man, die Tufa als Kooperationspartner gewonnen zu haben.

Rote, gelbe und grüne Karten

Etwas erstaunt war der eine oder andere im Publikum über die roten, gelben und grünen Karten, die auf den Sitzplätzen lagen. Wie die Universitätspräsidentin erklärte, seien sie dafür da, spontane Zustimmung oder Ablehnung von vorgebrachten Meinungen zu signalisieren. Die wichtigste Spielregel jedoch lautete: Jeder darf frei und ohne Unterbrechung reden. Hoben die Anwesenden die Karten anfangs noch recht zögerlich, nutzten sie sie später intensiv, um Meinungen beizupflichten beziehungsweise sich von Punkten zu distanzieren.

Es ging in jedem Fall kontrovers zu. Besonders an den Fragen, wie offen eine solche Veranstaltung tatsächlich auch für Ansichten außerhalb des Mainstreams sei und ob man auch kritische Meinungen in unserer Demokratie und Gesellschaft äußern darf, entzündete sich eine durchaus hitzige Diskussion. Die Moderatoren Eva Martha Eckkrammer und Thomas Roth (Trierischer Volksfreund) hatten teils zahlreiche Redebeiträge zu organisieren.

Grundgesetz und Demokratie

Auch Fragen wurden etliche an die anwesenden Expertinnen und Experten von der Universität Trier gestellt. Geschichtsprofessor Stephan Laux zeichnete den Weg nach, den das Grundgesetz genommen hatte „Dass die Deutschen das Grundgesetz eigenständig hervorgebracht haben, ist eine Illusion und muss in den Bereich der schönen Geschichten verlegt werden.“ Vielmehr sei das Grundgesetz maßgeblich von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt worden.

Politikwissenschaftsprofessor Uwe Jun knüpfte daran an, indem er unterstrich, dass die Zustimmung zum Grundgesetz über die Jahre gewachsen ist. „Meiner Meinung nach war es aber falsch, dass Deutschland eine Volksabstimmung über das Grundgesetz verpasst hat“, so der Professor der Universität Trier. Wissenschaftliche Erhebungen würden aktuell jedoch feststellen, dass die Skepsis, vor allem bei den Jüngeren, gegenüber dem Grundgesetz zunimmt. Über die Gründe dafür könne man nur mutmaßen. Eventuell liege es daran, dass die Erfahrung einer Diktatur in Deutschland schon lange zurückliegt.

„Demokratie kann nicht wider den Willen der Menschen gesichert werden“, sagte Juraprofessorin Antje von Ungern-Sternberg. Auch wenn die Verfassung rechtlich gut geschützt sei, müsse man sich trotzdem für sie einsetzen. „Wenn du dich nicht um mich kümmerst, verlasse ich dich - Deine Demokratie.“ Unter diesem Leitspruch hatten Psychologie-Studierende der Universität Trier Anfang des Jahres zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Beim Club der drängenden Fragen skizzierten die Masterstudierenden Carolin Singer und Benjamin Barg, wie man psychologisch erklären kann, warum Menschen Rechtsaußen-Parteien wählen. „Unter anderem präsentieren sie vermeintlich einfache Lösungen und sprechen damit auch Personen an, die sich von der modernen Gesellschaft abgewertet fühlen.“

Ideen für Freiheit

Wie sie Freiheit erleben und welche Ideen sie für Freiheit haben, konnten die Anwesenden beim Club der drängenden Fragen auf Zettel schreiben und an zwei Meter hohe Baummodelle kleben. Im Rahmen des Projekts „Trierer Freiheitsbaum“ gestalten Gruppen aus der Region in den nächsten Monaten ebenfalls Baummodelle mit ihren Ideen für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft. Im August werden die Bäume in einer Ausstellung in der Stadtbibliothek präsentiert.

Der Schauspieler und Regisseur Alexander Ourth hatte mit dem Gedicht „An die Nachgeborenen“ von Bertolt Brecht und Zitaten aus dem Grundgesetz in die Veranstaltung eingeführt. Auch bei den nächsten Terminen wird es wieder künstlerische Beiträge und Denkanstöße für lebendige Diskussionen unter den Teilnehmenden sowie Forschenden geben. Die nächsten Themen und Termine: „Gesellschaftliche Transformation – Arbeitskräfte: Quo vadis?“ (14. Juni), „Chancengleichheit – Gerechtigkeit: Quo vadis?“ (11. Oktober) und „Gutes Leben – Mensch: Quo vadis?“ (15. November).

Kontakt

Wissenschaftsallianz Trier
Daniel Bauerfeld
Mail: infowissenschaftsallianz-trierde
Tel. +49 651 201-4251