Berufseinstieg mit Beeinträchtigung
Sie haben mit einer Behinderung, einer chronischen oder psychischen Beeinträchtigung erfolgreich Ihr Studium abgeschlossen und fragen sich nun, was für den Berufseinstieg zu beachten ist? Wir haben hier einige Hinweise zusammengestellt, bieten aber auch regelmäßig eine Infoveranstaltung zu diesem Thema an, in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit.
1. Einige Überlegungen vorab
Beim Übergang vom Studienabschluss zur Berufsentscheidung sollten Sie für sich selbst folgende Grundfragen und Rahmenbedingungen abfragen, da diese mit bestimmend für Berufseinstieg sein können:
- Einstieg nach dem Bachelor oder erst nach dem Master?
- Angestellt oder selbständig arbeiten?
- Sind Sie auf absehbare Zeit stabil und leistungsfähig? Oder steht eine OP oder ein stationärer Aufenthalt an?
- Weggehen oder bleiben? Netzwerk vor Ort erhalten vs. ein neues anderswo aufbauen
2. Beratungsangebote
Career Service und Arbeitsagentur
Auch mit einer Beeinträchtigung ist es sinnvoll, Kontakt zum Career Services der eigenen Hochschule und zum Hochschulteam der örtlichen Arbeitsagentur aufzunehmen. Denn diese beraten, vermitteln und bieten Workshops zu unterschiedlichen Themen an. Und sie beraten rund um die Förderung einer Selbständigkeit.
Vermittlungsservice Schwerbehinderte Akademiker (ZAV)
Der Arbeitgeberservice Schwerbehinderte Akademiker der Zentralen Auslands- und Fachververmittlung (ZAV) in Bonn, Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit, berät und unterstützt Arbeitgeber*innen bei der Besetzung von Stellen mit schwerbehinderten Hochschulabsolvent*innen. Die ZAV hat auch einen Leitfaden für Arbeitssuchende mit Beeinträchtigung herausgegeben: "Erfolgreich bewerben".
Hilfreiche Online-Portale:
Beratung und recruiting: http://karriere.myability.jobs/myabilitytalent/GERMANY
Infoportal zum Thema Arbeitsleben und Behinderung: https://www.talentplus.de
Inklusives Expert*innen-Netzwerk: https://ixnet-projekt.de/
3. Soll ich's sagen?
Im Bewerbungsgespräch besteht rechtlich keine Verpflichtung, eine Diagnose, bzw. Beeinträchtigung mitzuteilen. Zumindest so lange nicht, wie sich die Beeinträchtigung nicht auf die Ausübung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit auswirkt. Anders sieht es aus beim Thema Verbeamtung. Dazu unten weitere Infos.
4. Schwerbehinderung feststellen lassen?
Der Antrag wird beim jeweiligen Landesamt für Sozialesgestellt. Die Bearbeitung des Antrags kann einige Monate dauern. Die Schwerbehinderung bemisst sich im „Grad der Behinderung“ (GdB). Ob man den Bescheid über die festgestellte Behinderung den Arbeitgebern vorlegt, muss man selbst entscheiden. Tut man es nicht, erfährt niemand davon. Tut man es doch, können daraus eine Menge Vorteile entstehen, u.a. ein besonderer Kündigungsschutz. Insbesondere im öffentlichen Dienst profitieren Arbeitnehmer*innen mit einer Schwerbehinderung ("...bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt").
5. Hilfen im Job
Ähnlich wie beim Nachteilausgleich an der Uni gibt es auch für Angestellte Hilfe und Unterstützungsmöglichkeiten, die ein Unternehmen für beeinträchtige Arbeitnehmer*innen beantragen kann: z.B. die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 49 SGB IX) oder Begleitende Hilfe im Arbeitsleben (ebenfalls SGB IX). Insbesondere im öffentlichen Dienst gibt es meist eine Schwerbehindertenvertretung, die eine erste gute Anlaufstelle für Fragen sein kann. Infos und Beratung zu Leistungen bietet der Integrationsfachdienst vor Ort. Hier wird oft eine festgestellte Schwerbehinderung vorausgesetzt.
6. Promotion
Überlegen Sie, statt eines Berufseinstiegs, eine Promotion zu beginnen? Hier sollten Sie einige Fragen unbedingt vorher klären:
•Welche Ziele verbinden Sie damit?
•Ist der Grund für die Promotion Orientierungslosigkeit nach dem Studienabschluss?
•In welchen Branchen ist eine Promotion sinnvoll oder nicht hilfreich?
•Liegen bereits Kontakte zum Fach oder konkretes Stellenangebot vor?
•Finanzierung: Sozialversicherungspflichtige Promotionsstelle oder Stipendium?
Nutzen Sie bei Fragen auch das Beratungsangebot des Graduiertenzentrums.
Gesundheitscheck für zukünftige Beamte oder: kann ich auch mit einer Erkrankung oder Störung verbeamtet werden?
Ob Referendare oder angehende Verwaltungsbeamte, zukünftige Beamte sind die einzigen Arbeitnehmer:innen, die sich auf gesundheitliche Eignung hin untersuchen lassen müssen. Der Grund dafür: die Pensionen sind, im Vergleich zur gesetzlichen Rente, hoch und der zukünftige Dienstherr will sicherstellen, dass Beamt:innen möglichst lange arbeitsfähig sind.
Voraussetzung für eine Verbeamtung sind, neben der fachlichen und persönlichen Tauglichkeit, einer absolvierten Probezeit und einem Vorbereitungsdienst (meist Teil der Ausbildung) auch die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung. Welche Voraussetzungen genau gegeben sein müssen, regeln die jeweiligen Dienstverordnungen. Diese unterscheiden sich in den verschiedenen Bundesländern und auch der Bund als Arbeitgeber hat eigene Dienstverordnungen, die beamtenrechtliche Grundlagen beinhalten, z.B. zu Altersgrenzen bei Dienstantritt oder zur Besoldung. Hier kann auch geregelt sein, dass für bestimmte Arbeitsbereiche bestimmte körperliche oder psychische Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden: Z.B. kann damit jemand mit ADHS vom Polizeidienst oder jemand mit nur einem Arm von einer Anstellung bei der Feuerwehr ausgeschlossen werden. Diese Dienstvereinbarungen lassen keinen Ermessensspielraum für Ärzt:innen zu, d.h. auch das beste Attest oder Gutachten, das einen erfolgreichen Therapieverlauf bestätigt, hilft nichts, wenn psychische Erkrankungen laut Dienstvereinbarung Ausschlusskriterien sind.
Falls die Dienstvereinbarung körperliche oder psychische Erkrankung aber nicht ausschließt, dann gilt, dass jemand wegen einer Erkrankung eine Verbeamtung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden darf. Hierzu gibt es ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2013, das besagt, dass nur der aktuelle Krankheitszustand (und keine Prognose der Erkrankung) dafür ermittelt werden darf. Ausgeschlossenwerden darf demnach nur, wer „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebensdienstzeit aufweisen wird.“[1] Von Seiten des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, der wiederum den Fachausschuss Amtsärztlicher Dienst/Gutachtenwesen organisiert und alle Aspekte amtlicher (amtsärztlicher) Begutachtung bearbeitet, wird betont, dass jemand, der sich Hilfe zur Behandlung der Erkrankung sucht, und dazu gehört eben auch psychologisch-psychotherapeutische Hilfe, richtig handelt.[2]
Bewerber:innen mit einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung werden im öffentlichen Dienst und damit auch im Rahmen einer Verbeamtung „bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt.“ Hier wäre also zu überlegen, ob man nicht eine Schwerbehinderung feststellen lässt und die Chancen auf die Verbeamtung so verbessert (siehe oben: Schwerbehinderung feststellen lassen?).
Alle anderen werden zu einem amtsärztlichen Gespräch eingeladen, um die gesundheitliche Eignung festzustellen. Zwar handelt es sich meist um unbekannte Fachärzt:innen, fürchten muss man sich aber dennoch nicht vor dem Termin. Zur Untersuchung können bestimmte Bedarfe berücksichtigt werden, z.B. danach, dass eine Ärztin die Untersuchung vornimmt. Zuerst muss ein Anamnesebogen ausgefüllt werden, mit dem auch eine Schweigepflichtentbindung unterzeichnet wird. Damit ist es möglich, bei Bedarf im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung weitere Befunde anzufordern, z.B. ein Befund des Psychiaters oder von einem Klinikaufenthalt. Dr. Klaus Schröer vom Bundesverband weist daraufhin, dass es nur Vorteile hat, zum Gespräch die medizinischen Befunde der letzten 5 Jahre mitzubringen und mit offenen Karten zu spielen. Eine Diagnose zu verschweigen, kann die Verbeamtung ebenso gefährden, wie eine Verweigerung der Behandlung einer Erkrankung.[3] Das amtsärztliche Gutachten wird nach der Erstellung ausgehändigt, damit es dem Dienstherrn vorgelegt werden kann.
[1] BVerwG, Urteil vom 30.10.2013 - 2 C 16.12
[2] Dietrich, Pauline: Verhindert eine Psychotherapie die Verbeamtung? In: LTO Karriere, https://www.lto.de/karriere/jura-studium/stories/detail/verhindert-psychotherapie-verbeamtung-jurastudium-referendariat-staatsdienst [08.11.2013].
[3] S.o.