Eine wichtige Grundlage für die Unterrichtsqualität

Didaktik-Professor Henning Rossa hat maßgeblich an den gerade verabschiedeten nationalen Bildungsstandards für die erste Fremdsprache mitgewirkt.

Es brauchte einen „Schock“, damit sich die Bundesländer erstmals auf einheitliche Standards für die Schulbildung verständigen konnten. Das schlechte Abschneiden in der „PISA-Studie“ im Jahr 2000 löste diese Entwicklung aus, und sie war auch für Henning Rossa eine Zäsur. Der Professor für Fachdidaktik Englisch an der Universität Trier stand zu dieser Zeit am Anfang seiner wissenschaftlichen Laufbahn, in der ihn die PISA-Schockwelle bis heute begleitete. Dass er rund 20 Jahre später maßgeblich an der ersten Überarbeitung der bundesweiten Bildungsstandards beteiligt sein würde, war damals aber nicht absehbar.

Professor Rossa
Professor Henning Rossa hat maßgeblich an der Erarbeitung der neuen nationalen Bildungsstandards mitgewirkt. In Händen hält er die gedruckte Version zu einheitlichen Anforderungen im Fach Englisch aus dem Jahr 2002 und die nun neu verabschiedeten Bildungsstandards im digitalen Format.

Von 2018 bis 2020 hatte Henning Rossa die fachliche Leitung einer Bedarfsanalyse zur Weiterentwicklung der Bildungsstandards inne. In den folgenden Jahren erarbeitete er mit drei Kolleginnen und Kollegen von den Universitäten Gießen, Wuppertal und Duisburg-Essen die neuen „Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Ersten Schulabschluss und den Mittleren Schulabschluss“, die Ende Juni von der Kultusministerkonferenz (KMK) verabschiedet wurden. „Die Bildungsstandards sind eine wichtige Grundlage für die permanente Weiterentwicklung der Schulen und der Qualität des Unterrichts. Sie schaffen einen Orientierungsrahmen für alle Bemühungen, die Ergebnisse schulischen Lernens zu sichern und zu verbessern“, fasst Henning Rossa die Intention der neuen Richtlinien zusammen.

„Die Bildungsstandards wurden moderat überarbeitet“, nimmt der Trierer Wissenschaftler Lehrkräften und Schülern die Sorge, auf die Schulen kämen nun einschneidende Veränderungen zu. Die neuen Vorgaben berücksichtigen Entwicklungen der vergangenen Jahre, insbesondere die Digitalisierung, zwischenzeitliche Erfahrungen aus der Schulpraxis und nicht zuletzt neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft.

Kompetenzen entwickeln

Die Bildungsstandards zielen schon seit ihrer ersten Veröffentlichung vor 20 Jahren auf einen Perspektivwechsel im Schulsystem ab: „Es wird nicht mehr primär darauf geschaut, welches Wissen  die Lernenden erwerben, sondern was sie mit dem Wissen leisten können. Im Unterricht sollen Kompetenzen entwickelt und Strategien zum selbstgesteuerten Lernen vermittelt werden. Schülerinnen und Schüler erhalten damit insgesamt größere Freiheiten, ihren eigenen Weg zur Lösung einer konkreten Aufgabe und langfristig zur Entwicklung ihres Könnens in der Fremdsprache zu finden“, beschreibt Professor Rossa die neue Leitlinie.

Lehrerinnen und Lehrern machen die neuen Bildungsstandards keine engen Vorgaben zur Gestaltung des Unterrichts. Sie definieren jedoch klare kompetenzorientierte Ziele und Leistungsniveaus, die durch den Unterricht erreicht werden sollen. „Und zwar nicht nur von den besten, sondern von allen Schülerinnen und Schülern“, betont Henning Rossa. Ein wichtiger Punkt ist hierbei, eine Vergleichbarkeit der Bewertung schulischer Leistungen herzustellen. Daher ist der Trierer Professor ein Befürworter einer bundesweit stärker standardisierten Abiturprüfung.

Vergleichbarkeit sicherstellen

Ein nationales Zentralabitur ist aufgrund von Widerständen aus den für die Bildung zuständigen Bundesländern aber noch nicht in Sicht. Bislang gibt es lediglich seit 2020 eine Vereinbarung der Kultusministerkonferenz, die länderspezifischen Abiturprüfungen durch einen gemeinsamen Aufgabenpool und entsprechende Rahmenbedingungen stärker zu vereinheitlichen. Henning Rossa geht das nicht weit genug: „Bundesweit einheitliche Aufgaben und Anforderungen an Prüfungsleistungen reichen nicht aus. Auch die Vergleichbarkeit der Bewertung und Benotung der zentralen Abituraufgaben muss sichergestellt werden.“

Kritisch, allerdings auch mit Verständnis, sieht er die lange Zeitspanne von 20 Jahren zwischen der Einführung und der nun erstmals vorgenommenen Überarbeitung der Standards. „Angesichts der sich stetig beschleunigenden Veränderungen in der Bildung und in der Gesellschaft insgesamt müssten wir die Standards eigentlich in kürzeren Zeiträumen anpassen“, sagt Rossa. Dem steht jedoch die föderal motivierte Realität mit langwierigen politischen Prozessen entgegen. Darin sieht Rossa auch einen Vorteil. Es bleibt mehr Zeit für eine gründliche wissenschaftlich fundierte Vorbereitung neuer Standards.

Als Wissenschaftler hätte sich Henning Rossa in den nun verabschiedeten Bildungsstandards für die erste Fremdsprache zwar etwas tiefergreifendere Veränderungen gewünscht. Mit dem Gesamtergebnis ist er dennoch sehr zufrieden und vergibt für die neuen Bildungsstandards die Schulnote „2 minus“.

Zur Person: Prof. Dr. Henning Rossa

Henning Rossa studierte an der Universität Dortmund und am Hendrix College (USA) die Fächer Englisch und Sport für das Lehramt. Nach Tätigkeiten als Lehrer und seiner englischdidaktischen Promotion vertrat er von 2012 bis 2017 an der Technischen Universität Dortmund die Professur „Englisch als Fremdsprache: Angewandte Sprachwissenschaft und Fachdidaktik“. Seit 2017 ist er Professor für Fachdidaktik Englisch an der Universität Trier. In den vergangenen fünf Jahren war Henning Rossa im Auftrag der Kultusministerkonferenz mit der Weiterentwicklung der nationalen Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) befasst.

Kontakt

Prof. Dr. Henning Rossa
Anglistik/Fachdidaktik Englisch
Mail: rossa@uni-trier.de
Tel.: +49 651 201-3344