Notfallsituationen erfordern adäquate zeitkritische Entscheidungen:
insbesondere bei Feuerwehreinsätzen. Vor Ort sind Einsatzkräfte
häufig mit Umständen konfrontiert, die adäquate zeitkritische
Entscheidungen erfordern. Fehlentscheidungen können gravierende
Folgen haben und dazu führen, dass Sach- oder Umweltschäden nicht in
erforderlichem Umfang verhindert werden. Im schlimmsten Fall kann
sogar die Sicherheit der Bevölkerung und der Einsatzkräfte gefährdet
sein. Jetzt haben Wirtschaftsinformatiker der Universität Trier AMIRA
entwickelt, - ein Softwaresystem für Notfalleinsätze bei schweren
Bränden.
Unerfahrene Einsatzleiter sind bei unvorhergesehenen Ereignissen
schnell überfordert und treffen in brisanten Situationen nicht immer
die optimalen Entscheidungen, weil sie die Situation aufgrund ihres
unzureichenden Wissens falsch einschätzen oder eventuelle Gefahren
nicht erkennen.
Zum Beispiel ist es bei einem Brand in einem Industriebtrieb, in dem
Plastikkisten aus Polypropylen Feuer gefangen haben wichtig, die
charakteristischen Eigenschaften des brennenden Materials zu kennen
und die geeignete Brandbekämpfungsmethode auszuwählen. Wird in einer
solchen Situation ein unerfahrener Einsatzleiter mit seiner
Mannschaft zu einem Einsatz gerufen, so besteht die Gefahr, dass er
versucht den Brand mit Hilfe eines herkömmlichen Wasserstrahls zu
bekämpfen. Dies wäre jedoch eine Fehlentscheidung. Sie würde aber
dazu führen, dass sich das Feuer sehr schnell ausbreitet, was
katastrophale Auswirkungen hat. Die Information, dass ein solcher
Brand allenfalls mit Hochdruckstrahlen oder mit Löschschaum zu
bekämpfen ist, ist für diesen Einsatzleiter enorm wichtig.
Mobile Beratung in kritischen Situationen
Genau solche nicht alltäglichen, aber sehr kritischen Situationen
sind typisch für Feuerwehreinsätze. Und mit Problemen in solchen Akut-
Situationen hat das von der Europäischen Union mit insgesamt 1.65
Millionen Euro geförderte Projekt AMIRA (Advanced Multimodal
Intelligence for Remote Assistance) befasst, an dem das
Forschungsteam von Prof. Dr. Ralph Bergmann im Fach
Wirtschaftsinformatik II der Universität Trier beteiligt war. Das
europäische Konsortium, an dem neben der Universität Trier die Firmen
DaimlerChrysler (Ulm), FAST (Oslo), Kaidara (Paris) sowie das Fire
Service College von Großbritannien beteiligt sind, hat innerhalb der
Projektlaufzeit von zwei Jahren den Prototypen eines Softwaresystems
zur mobilen Informationsunterstützung von Einsatzkräften entwickelt.
Dieses System wurde dem Gutachtergremium der Europäischen Union Ende
Juli unter realen Einsatzbedingungen erfolgreich präsentiert.
Headset in der Schutzausrüstung
Das AMIRA System bietet den einheitlichen mobilen Vorort-Zugriff auf
eine Vielzahl von fachspezifischen Informationsquellen,
Erfahrungsdatenbanken und verfügbaren menschlichen Experten. Der
Zugang zu diesen Informationen erfolgt einheitlich über
verschiedenste Endgeräte wie Tablet PCs, PDAs, Smartphones oder
alternativ über eine Sprachdialogkomponente. Über diese kann der
Einsatzleiter in einem natürlichsprachigen Dialog über ein
integriertes Headset in der Schutzausrüstung entscheidungsrelevante
Information abfragen, die ihm via Sprachsynthese akustisch dargeboten
werden.
Das Forschungsteam in der Wirtschaftsinformatik II hat im Rahmen des
Projektes die zentrale Softwarekomponente des AMIRA Systems
entwickelt, die die Anfragen von den verschiedenen Endgeräten
entgegen nimmt, analysiert und den Zugriff auf die angeschlossenen
Informationsquellen steuert. Diese Komponente, die auf den Namen
"CAKE" (Collaborative Agent-based Knowledge Engine) getauft wurde,
ist für verschiedene Einsatzgebiete frei konfigurierbar und besitzt
programmierbare Schnittstellen zu Suchmaschinen, wie zu denen der
Projektpartner FAST und Kaidara.
Integrierte Datenbank mit Suchstrategien
Eine wichtige Neuerung von CAKE ist die integrierte Datenbank von
spezifischen Suchstrategien. Diese Suchstrategien beschreiben den
Zugriff auf die verfügbaren Informationsquellen und bilden somit das
Expertenwissen eines versierten Informationssuchenden ab. Spezifisch
für eine Anfrage wird die am besten passende Suchstrategie ausgewählt
und automatisch ausgeführt. Hierbei kann die Anfrage in Teilanfragen
zerlegt werden, die durch die hierfür jeweils besten
Informationsquellen beantwortet werden. Dies kann unter Umständen
auch die Weiterleitung einer Anfrage an einen verfügbaren
menschlichen Experten, z.B. einen erfahrenen Mitarbeiter im
Feuerwehrhauptquartier, beinhalten. Suchstrategien berücksichtigen
zudem geeignete Abbruchkriterien, wenn die Informationssuche
erfolgreich ist. Durch den so automatisierten Suchprozess wird der
unter Zeitdruck stehende Einsatzleiter von der ggf. schwierigen
Aufgabe der Informationssuche in verschiedenen heterogenen
Informationsquellen entlastet.
Hervorragende Forschungsergebnisse
Im Zusammenhang mit dem AMIRA Projekt sind an der Universität Trier
zwei Dissertationen, fünf Diplomarbeiten und bislang zehn
wissenschaftliche Publikationen auf Fachtagungen entstanden. Zurzeit
werden die Arbeiten an CAKE in einem weiteren Projekt, welches vom
BMBF gefördert wird, fortgesetzt. In diesem Projekt, mit einer
Laufzeit bis Mai 2008, wird die Prozessintegration von CAKE
verbessert und für die Entwurfsunterstützung von Nanoelektronischen
Chips erweitert. Darüber hinaus wurden eine Reihe weiterer
Anwendungsvisionen entwickelt, die in der Zukunft verfolgt werden.
Hintergrundinformation unter: http://www.wi2.uni-
trier.de/de/cms/projects/Amira/
Brandsituation beim Einsatz des AMIRA Systems.
Das AMIRA Projektteam. Die Mitglieder der Universität Trier:
Andrea Freßmann (3. v.l.); Prof. Ralph Bergmann (4. v.l.), Dr. Rainer Maximini (4. v.r.)