Schulen müssen Kinder mehr loben!

Den Abschluss in der Tasche – und nun? Viele Kinder beenden die Schule, ohne zu wissen, was sie danach machen sollen. Im Unterricht lernen sie, Gedichte zu analysieren oder Matheaufgaben zu lösen. Welchen Beruf sie später einmal ergreifen, darauf bereitet die Schule Kinder zu wenig vor. An der Universität Trier lernen angehende Lehrerinnen und Lehrer daher, wie sie die Kompetenzen ihrer Schützlinge einschätzen und mit ihnen besprechen. Ein zentraler Baustein der Lehramtsausbildung lautet: Wie man Kinder erleben lassen kann, was sie können.

Da ist dieser eine Schüler, er meldet sich nicht oft, aber wenn er etwas sagt, ist es ein gewinnbringender Beitrag für den Unterricht - ein Klassiker in Schulklassen. Genau in dieser Situation meint Student Lutz Grieße, sollte die Lehrerin oder der Lehrer dem Schüler eben nicht sagen: „Du bist total ruhig. Wir hätten uns mehr Einsatz von dir erhofft.“ Besser wäre: „An der Stelle hast du dich super eingebracht. Du brauchst gar nicht so schüchtern sein. Du hattest sehr gute Ideen. Sei mutiger.“

Das positive Feedback nennt man ressourcenorientiertes Vorgehen. Lutz Griese studiert Englisch und Deutsch auf Lehramt. Er lernt gerade, wie man solche Ressourcen an Schulkindern beobachtet und wie man sie mit angemessener Kommunikation fördert. Zum Training hat Lutz Griese dafür gemeinsam mit zwanzig weiteren Masterstudierenden aus dem Lehramtsstudium in einem Seminar ein Assessment Center entwickelt.

Zum YouTube-Video <link https: www.youtube.com>"Kompetenzcheck für Schulen"
Unsere angehenden Lehrerinnen und Lehrer lernen, wie sie Kompetenzen
ihrer Schulkinder erkennen und fördern können.

Um das Training an „echten“ Schülerinnen und Schülern zu erfahren, arbeiten die Bildungswissenschaften der Universität Trier mit der Ruwertalschule in Waldrach zusammen. In vier verschiedenen Räumen konfrontieren die Studierenden Gruppen von Kindern der Klassenstufe 10 mit vier verschiedenen Situationen, die nichts mit der Schule zu tun haben, eher mit dem Alltag. In einem Seminarraum streiten sich ein Student und eine Studentin. Die beiden machen einen Schüleraustausch und streiten auf Englisch über ein gestohlenes Handy. Sie spielen, dass die eine dem anderen vermutlich das Handy geklaut hat, weil sie verhindern will, dass ein unvorteilhaftes Partyfoto von ihr in die Öffentlichkeit gelangt. Wie die Jungen und Mädchen auf den Streit reagieren und sich versuchen auf Englisch einzubringen, wird von den Studierenden beobachtet – aber ohne, dass die Probanden das merken, schließlich sollen sie vor allem Spaß haben.

Die positive Atmosphäre ist für die Studierenden und ihren Seminarleiter, Raimund Winkels, von großer Bedeutung. Der gelernte Psychologe bringt ihnen das versierte Beobachten bei: „Ziel ist es, dass die Schülerinnen und Schüler eine Rückmeldung bekommen, wie ihr Auftritt in der Situation gewesen ist. Sie sollen sich überlegen, wenn sie tatsächlich in einer realistischen Situation sind, was sie davon übernehmen und was sie vielleicht noch verbessern können.“

So haben nicht nur die Studierenden etwas von dem Assessment Center. Die Jungen und Mädchen bekommen nach dem Uni-Tag eine Mappe, in der ihre Kompetenzen zusammengestellt sind. Für Schulleiter Markus Lehnert ist es entscheidend, dass seine Schülerinnen und Schüler nicht nur einen Abschluss haben: „Die Schulfächer sind die Eintrittskarte, aber die Persönlichkeit und die überfachlichen Kompetenzen tragen es nachher.“ So ist das Assessment Center der Studierenden ein Gewinn für alle Beteiligten.

Mehr als ein Assessment Center

Die Kinder der Realschule Plus erleben an der Universität Trier noch mehr als das Assessment Center. Sie erleben einen Uni-Tag, an dem sie an dem Assessment Center der Studierenden teilnehmen, in der Mensa Mittag essen sowie ihnen Mitarbeiter die Universität als Arbeitsplatz vorstellen und Studienberaterinnen mögliche Wege in ein Studium erklären.

Im Anschluss an diesen Erlebnis-Tag erhalten die Schüler und Schülerinnen einen mehrseitigen Feedbackbogen. Zu jeder Aufgabe und dem gesamten Tag bekommen sie eine Rückmeldung. Darin sind Kreuzchen in den verschiedenen Beobachtungskategorien gesetzt, aber auch auf jeder Seite den Kindern ihr Verhalten und Verbesserungsvorschläge in einem Fließtext erklärt. Der Rückmeldebogen soll ihnen Mut machen, ihre Fähigkeiten in Zukunft selbstbewusster einzusetzen.

Beim Erstellen der Mappe üben die Studierenden die Disziplin, die für ihre zukünftige Tätigkeit von zentraler Bedeutung ist: die wohlwollende, fördernde Rückmeldung. Immer im Wintersemester können Masterstudierende des Lehramts das Seminar „Lehrerprofessionalität“ von Raimund Winkels belegen.

Kontakt

<link https: www.uni-trier.de>Dipl. Psych. Raimund Winkels
Bildungswissenschaften
Universität Trier
0651 201 3259
<link>winkels@uni-trier.de