Niedrigzinsphase erhöht das Risiko einer Krisen-Spirale

Volkswirtschaftler der Universität Trier und der Deutschen Bundesbank haben herausgefunden, dass die Niedrigzinsphase die Risikobereitschaft von Geschäftsbanken erhöht. Als Folge könnte die Zinspolitik der EZB, die eigentlich die Effekte der Krise abmildern soll, eine neue Finanzkrise hervorrufen.

Foto: Sheila Dolman

Juniorprofessor Matthias Neuenkirch (Universität Trier) und Matthias Nöckel (Deutsche Bundesbank) haben in ihrer Studie untersucht, ob geldpolitische Maßnahmen der Europäischen Zentralbank das Risikoverhalten von Banken in der Eurozone bei der Vergabe von Krediten beeinflussen. Mit Hilfe sogenannter vektorautoregressiver Modelle zeigen die Forscher, dass Geschäftsbanken nach einer Senkung der Leitzinsen (aggressiv) ihre Standards für die Kreditvergabe senken und somit riskantere Kredite vergeben. Damit wollen die Banken verhindern, dass ihre Zinsmargen aus dem Kreditgeschäft sinken. Trotz der aggressiven Senkung der Standards ist dieses Bestreben erfolglos. So fanden die beiden Forscher heraus, dass insbesondere Banken in den fünf Krisenländern Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien trotz dieser Gegenmaßnahmen die größten Verluste in ihren Zinsmargen hinnehmen mussten.

Neuenkirch und Nöckel weisen somit einen „Risikokanal“ bei der Übertragung geldpolitischer Maßnahmen auf die volkswirtschaftliche Entwicklung nach. Getrieben wird er durch die Aufweichung der Kreditvergabestandards der Geschäftsbanken. Dies hat wichtige Auswirkungen für die Politikgestaltung seitens der Zentralbanken. So zeigt die Erfahrung Japans, dass lang andauernde Niedrigzinsphasen zu verstärkten Risiken im Bankensystem und somit zur nächsten Finanzkrise führen können. Weiterhin illustriert die Studie ein wesentliches Dilemma für Zentralbanken. Diese sollen zum einen dafür sorgen, dass die Realwirtschaft in Krisenzeiten durch niedrige Zinsen stimuliert wird. Auf der anderen Seite gilt das durch diese Maßnahmen erhöhte Risikoverhalten seitens der Banken als einer der wesentlichen Gründe für den Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahre 2008.

Mit ihrer Untersuchung schließen Neuenkirch und Nöckel eine Lücke, da in vielen Studien die Konsequenzen von Leitzinsänderungen seitens der Zentralbanken auf das Verhalten von Geschäftsbanken nicht beachtet werden. Die Studie mit dem Titel „The Risk-Taking Channel of Monetary Policy Transmission in the Euro Area“ ist im Journal of Banking and Finance erschienen.

Eine frei zugängliche Arbeitspapier-Version des Aufsatzes steht hier bereit: https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb4/prof/VWL/EWF/Research_Papers/2017-02.pdf

Die publizierte Version des Aufsatzes kann auf der Seite des Journal of Banking and Finance abgerufen werden: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378426618301213

Kontakt
Junior-Prof. Dr. Matthias Neuenkirch
Universität Trier/Volkswirtschaftslehre
Tel. 0651/201-2629
E-Mail: neuenkirchuni-trierde