Das Spiel mit der Sprache – oder: wie Wörter zu Kunst werden

Ob Poetry-Slam oder Drehbuch: Sprachspiele finden sich überall. In einem neuen Sammelband gehen Künstler und Wissenschaftler der Frage nach, wie sie funktionieren.

Sprachspiele zum Trinken: Für eine Tagung wurden die Tassen mit Wortkunst auf Deutsch, Spanisch, Französisch und Englisch bedruckt.

Wenn man sich auf einen Kaffee mit Prof. Dr. Esme Winter-Froemel trifft, beschleicht einen zwischendurch das Gefühl, einfach nur auf dem Schlauch zu stehen. „Was ist weiß und guckt durchs Schlüsselloch? Ein Spannbettlaken“. Dieser Spruch steht auf einer der Kaffeetassen, die in ihrem Büro an der Universität Trier stehen. Zum Glück hilft die Sprachwissenschaftlerin einem bereitwillig auf die Sprünge: Spann-Bettlaken.

„Oft sind es gerade die Sprachspiele, die man nicht sofort versteht, die in Erinnerung bleiben“, sagt Winter-Froemel. Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich mit Wortkunst, unter anderem in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt. Besonders spannend findet sie, damit an einem Thema zu forschen, das im Alltag allgegenwärtig ist und gelebt wird. In einem neuen Sammelband, den Winter-Froemel herausgegeben hat, erzählen eben jene Sprachkünstler, die tagtäglich auf der Bühne, im Fernsehen oder in Büchern mit Worten spielen, von ihrer Arbeit. Mit dabei sind viele bekannte Namen wie etwa Bodo Wartke, Philipp Scharrenberg, Yoko Tawada oder Franz Hohler. Daneben finden sich in dem Sammelwerk wissenschaftliche Aufsätze, die schlaglichtartig einzelne Aspekte der Wortspiele untersuchen.

Beispiele, Beispiele, Beispiele

Winter-Froemel ist damit etwas gelungen, was nur wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen schaffen: Die Abhandlung ist unterhaltend und informativ zugleich – und macht neugierig, mehr über Sprachspiele zu erfahren. Den Reiz der Lektüre vergrößern sicher auch die vielen Beispiele, die von Künstlern und Wissenschaftlern zitiert und kommentiert werden.

Was denn ihr Lieblings-Sprachspiel sei in dem Buch, fragt man Esme Winter-Froemel. Die spontane Antwort lautet: „Alle“. Eines der Lieblings-Sprachspiele steht ebenfalls auf einer Tasse in ihrem Büro: „B-rätsel“ (Yoko Tawada). Tick, tack, tick, glaubt man, die Uhr im Hintergrund ticken zu hören, bis man endlich auf die Lösung kommt. Ah! „Eine Brezel!“ Ein anderes Lieblings-Sprachspiel ist ebenso verwirrend: „einen Ausflug machen“. Heute würde dieser Ausdruck gar nicht mehr als Sprachspiel wahrgenommen, erklärt die Sprachwissenschaftlerin. Zu Zeiten Martin Luthers sei das noch anders gewesen. Damals wurde einen Aus-Flug machen noch mit dem Wegfliegen von Vögeln verbunden.

Sprachspiele zum Lachen

Doch was sind Sprachspiele überhaupt? „Mit dieser Frage beschäftigt sich eigentlich unser ganzes Buch. Es gibt unzählige Antworten darauf. Eine übliche Definition beschreibt Sprachspiele als die Verwendung von lautgleichen oder lautähnlichen Wörtern mit einer kontrastierten Bedeutung zum Zweck der Unterhaltung. Daneben gibt es aber viele weitere Formen sprachlicher Komik.“

„ich zeige heute Dékolleté, also einen Ausschnitt meiner Werke“ (Michael Schönen)

Und was macht Sprach- und Wortspiele für das Publikum oder den Leser besonders lustig oder spannend? „Den einen Erfolgsgaranten gibt es natürlich nicht. Aber wir konnten feststellen, dass es Muster gibt, die oft funktionieren.“ Als Beispiele nennt Winter-Froemel das Spiel mit lautlichem Gleichklang („Lisa sah Li. Li sah Lisa.“ – Christian Hirdes), Lautähnlichkeit („Sing, sang, Zwitscherklang“ – Iris Schürmann-Mock), mit Übersetzungen und fremden Sprachen („ich zeige heute Dékolleté, also einen Ausschnitt meiner Werke“ – Michael Schönen). Aber auch der Bezug zu sexuellen Themen oder Begriffen der Tierwelt wird oft verwendet („Made in Hongkong“ – Franz Hohler). In vielen Fällen findet dabei eine bewusste Verrätselung statt, etwa wenn Heinz Erhardts Ausruf „Himmel, Gesäß und Nähgarn!“ durch Ersetzung der Ausdrücke „Gesäß“ und „Nähgarn“ durch Quasi-Synonyme erst entschlüsselt werden muss.

Für Textproduzenten mit Schreibblockade

Tun manche Sprachspiele einer Sprachwissenschaftlerin nicht auch weh – schließlich reizen einige doch die Grenze des sprachlich noch Erträglichen aus? Diese Frage beantwortet Winter-Froemel mit einem klaren „Nein“. Wichtig ist ihr, Sprachspiele nicht zu bewerten, sondern die ihnen zugrunde liegenden Techniken und ihre Wirkungsweisen zu analysieren. „Auf Unterhaltung abzielende Sprachspiele sind nicht weniger interessant als solche, die eine ernste Dimension haben. Hinter den Wortspielen steckt viel Kreativität. Oft ist es aber auch stundenlange Arbeit, bis ein Text fertig ist.“ In gewisser Weise ist der Band zu Sprachspielen auch ein gutes Praxishandbuch für Textproduzenten, die gerade in einer Schreibblockade auf der Suche nach einem Sprachspiel sind.

Winter-Froemel, Esme (Hrsg., 2019). Sprach-Spiel-Kunst. Ein Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis. Reihe: The Dynamics of Wordplay 8. Berlin & Boston: De Gruyter.
► https://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/499732 (open access)

Esme Winter-Froemel

Kontakt

Prof. Dr. Esme Winter-Froemel
Romanistik/Sprachwissenschaft
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