Ukraine-Krieg – eine rechtswissenschaftliche Analyse

Prof. Dr. Birgit Peters: "Russland hat ganz klar das Völkerrecht gebrochen"

Russland muss den Krieg gegen die Ukraine beenden. Das hat am 16. März 2022 der Internationale Gerichtshof in Den Haag angeordnet. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen gab damit der einstweiligen Anordnung der Ukraine statt. Das Land hatte Russland den Missbrauch der Völkermord-Konvention vorgeworfen. „Es ist ein etwas um die Ecke gedachter Prozess“, erläutert die Trierer Völkerrechtsexpertin Prof. Dr. Birgit Peters. Russland hatte den Einmarsch in die Ukraine damit begründet, dass die Ukraine im Donbas Völkermord verüben würde. „Die Ukraine legte vor dem Internationalen Gerichtshof dar, dass dies eine gezielte Lüge ist und von Russland nicht behauptet und erst recht nicht als Grund für einen Einmarsch in die Ukraine verwendet werden darf.“

Die Urteile und Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs sind bindend. Allerdings gebe es keine Möglichkeit, die Umsetzung zu erzwingen, erklärt die Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Trier. „Es gibt keine internationale Polizei. Das ist natürlich unbefriedigend, aber stellt für mich dennoch nicht das ganze Völkerrecht in Frage oder schmälert dessen Bedeutung. Das Völkerrecht ist Kooperationsrecht und dementsprechend von der Zusammenarbeit der Staaten abhängig.“

Dass Russland mit dem Einmarsch in die Ukraine gegen das Völkerrecht verstoßen hat, ist laut Peters offensichtlich. Russland verletze den in der UN-Charta niedergelegten Grundsatz der territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit, das heißt das Gewalt- beziehungsweise Aggressionsverbot. „Diese Teile der UN-Charta sind zwingendes Recht.“ Laut UN-Charta gibt es darüber hinaus eine Pflicht zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten. Als Reaktion auf einen militärischen Angriff erlaubt das Völkerrecht, dass sich das angegriffene Land selbst verteidigt. Ebenso dürfen andere Staaten der Ukraine beistehen.

Nachdem der gewaltsame Einmarsch in die Ukraine also einen Verstoß gegen das Gewaltverbot darstellt, stellt die anschließende Besatzung von Teilen der Ukraine einen ebenso völkerrechtswidrigen Zustand dar. Da hilft es dann auch nichts, in den besetzten Gebieten Referenden abzuhalten, die den Anschluss dieser Gebiete an Russland bekräftigen. Zumal die jüngst durchgeführten Abstimmungen wohl kaum den tatsächlichen Willen der Abstimmenden widerspiegeln. „Für eine rechtmäßige Abspaltung eines Teilgebietes von einem Staat ist letztendlich ein Prozess erforderlich, der das Einvernehmen des ursprünglichen Gesamtstaates mit einschließt“, sagt Peters.

Andere Staaten können im Übrigen auch in der Ukraine begangene Kriegsverbrechen verfolgen, erklärt Birgit Peters. „Das fällt dann unter das so genannte internationale Strafrecht.“ Grundlage ist das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Durch das so genannte Völkerstrafgesetzbuch, welches die Vorgaben des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs in Deutschland umsetzt, können Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unabhängig vom Tatort und der Staatsangehörigkeit der Täter auch in anderen Ländern verfolgt und verhandelt werden. Beispielsweise haben deutsche Gerichte schon Urteile zu während des Syrien-Kriegs begangenen Taten gefällt, die durch Geflüchtete an die deutsche Justiz herangetragen wurden. „Die Bundesanwaltschaft prüft Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen während des Ukraine-Kriegs. Dass es aber bereits hierzulande Verfahren gegeben hätte, ist mir nicht bekannt“, sagt die Trierer Rechtswissenschaftlerin.

Wie beispielsweise das Massaker in Butscha juristisch behandelt wird, ist noch offen. War es Völkermord? „Völkermord beschreibt eine Gewalttat, die in der Intention begangen wurde, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche zu vernichten“, definiert Peters. „Das nachzuweisen, ist schwierig, und eigentlich erst möglich, wenn nach einem Krieg nachvollziehbar wird, wie es zu Entscheidungen für bestimmte, während eines Krieges verübte, Gewalttaten kam.“

Gibt es noch rechtliche Wege, die man gehen könnte, um den Krieg zu beenden? „Das Völkerrecht lässt das Eingreifen durch andere Staaten zu. Aber um die Frage zu beantworten, ob man das auch sollte, bin ich zu wenig Konfliktforscherin.“

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Prof. Dr. Birgit Peter
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