Der Krönungstag in Trier und London
Bei einer Veranstaltung mit etwa 60 Gästen begleiteten Prof. Dr. Carsten Fischer, Prof. Dr. Thomas Rüfner und Emeritus Prof. Dr. Franz Dorn die Krönung am 6. Mai. Dabei ging es aber nicht um die geladenen Gäste aus den internationalen Königshäusern, die schicken Kleider der Prominenten oder das Drama um Prinz Harry. Stattdessen betrachteten die Professoren der Rechtswissenschaften und die Gäste das Medienspektakel an der Universität aus wissenschaftlicher Sicht und mit rechtshistorischem Kommentar.
Zur Vorbereitung auf die Veranstaltung an der Universität Trier wälzten alle drei Professoren das 34-seitige Dokument zum Ablauf des Ereignisses sowie zahlreiche Artikel und wissenschaftliche Paper zu vergangenen Krönungen. Als Staatsakt zahlt die britische Regierung die Krönung. Gesetzlich festgehalten oder vorgeschrieben sei die Zeremonie im britischen Recht jedoch nicht: „Der König oder die Königin steht zu jedem Zeitpunkt fest. Das heißt, Charles war ab dem Moment offiziell König, als Königin Elisabeth II. gestorben ist“, weiß Professor Rüfner.
Religiöse Symbole und Traditionen
Die Krönung selbst ist eingebettet in eine Liturgie, also eine Messe, die traditionell vom Erzbischof von Canterbury beauftragt, autorisiert und gehalten wird. Dass die britische Krönung auch heute ein dominant religiöser Akt ist, spiegelt sich am offensichtlichsten im Veranstaltungsort, der Westminster Abbey, wider. Seit dem Jahr 1066 lassen sich die britischen Könige und Königinnen hier krönen. Da der amtierende König auch das Oberhaupt der anglikanischen Gemeinschaft ist, spielen religiöse Traditionen eine übergeordnete Rolle.
Neben der Übergabe einer Bibel, auf die der König seinen Eid schwört, dem Wortgottesdienst und Gebeten, ist die Salbung ein weiteres religiöses Element: „Es fällt direkt auf, dass die Salbung exakt der bei den Frankfurter Krönungen der römisch-deutschen Könige und Kaiser im Heiligen Römischen Reich entspricht. Ursprünglich war die Salbung nämlich der wichtigste Akt der Königserhebung. Der Bischof spricht den König heilig, heilt ihn und gibt ihm Legitimation“, erklärt Emeritus Professor Dorn.
Traditionell findet die Salbung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, dieser Moment ist privat zwischen dem Monarchen und Gott. Der König trägt dabei eine weiße Albe, ein einfaches Leinengewand, das symbolisch für die Abkehr von weltlicher Eitelkeit steht.
Eine Krönung im 21. Jahrhundert
Von derlei Symbolen, Traditionen und Riten wissen die Professoren Dorn, Rüfner und Fischer ausführlich und fundiert zu berichten. „Die Zeremonie wirkt gleichzeitig würdevoll und aus der Zeit gefallen“, sagt Professor Fischer, der an der Universität unter anderem zur europäischen Rechtsgeschichte forscht. Schon beim ersten Punkt der Liturgie, der Anerkennung, wird klar, was Professor Fischer meint. Obwohl ihn die meisten Menschen auf der ganzen Welt kennen dürften, stellt der Erzbischof Charles III. vor und verlangt von den Gästen in der Kirche die Bereitschaft dem „unbestrittenen“ König zu huldigen. Traditionsgemäß antwortet die Festgemeinde: „God save King Charles!“
Diese Jahrhunderte alte Tradition unterbrachen auch die Änderungen in der Liturgie, die der Monarch selbst wünschte, wenig. Die Änderungen dürften eine Reaktion auf die Kritik sein, die es in Großbritannien und den Commonwealth-Staaten schon Monate vor der Krönung gegeben hatte. Zu teuer, zu angestaubt, zu religiös und zu aufgebläht. Dem begegnete Charles III. mit Kürzungen und Modernisierungen: „Neben den Vertretern der Church of England bezog die Zeremonie erstmals auch Frauen, Vertreter und Repräsentantinnen anderer Religionen und Ethnien ein. Außerdem wurde der Treueschwur erweitert, andere traditionsreiche Elemente die Eidesleistung aber gekürzt“, sagt Professor Fischer.
I swear that I will pay true allegiance to your majesty, and to your heirs and successors according to law. So help me God.
In den Krönungen zuvor schworen nur Mitglieder der Aristokratie dem König die Treue. Bei der Krönung von Charles III. lud der Erzbischof alle Regierten ein, den Eid zu sprechen, vom Gast in der Westminster Abbey bis zu den Commonwealth-Bürgerinnen und -Bürgern. Das wurde von vielen, insbesondere Monarchie-kritischen Britinnen und Briten als Missachtung des Volkes wahrgenommen. Auch an der Universität Trier kritisierten die Gäste die hohen Kosten und symbolischen Neuerungen. „Letztlich bleiben diese Modernisierungen nur Versuche. Wenn es ums Erbrecht geht, ist Diversität nicht möglich. Da stehen in der ersten Reihe immer weiße Männer. Das bildet die heutige britische Bevölkerung natürlich nicht ab“, gibt Professor Rüfner zu bedenken.
Doch trotz aller Kritik, die millionenschwere Zeremonie mit vielen Traditionen führte nicht nur zu Zuschauerrekorden im Fernsehen, sondern interessierte Menschen weltweit und das durchaus auch wissenschaftlich: „Das Interesse an der Veranstaltung an der Universität war riesig. Während der mehr als einstündigen Zeremonie tauchten sehr viele Fragen zur Geschichte von Krönungen auf, weil es einfach so viel (Rechts-)geschichte auf einmal zu entdecken gab“, meint Professor Fischer. Von den unterschiedlichen Gewändern, die Charles III. während der Zeremonie trug, über die Personen, die symbolträchtige Objekte hielten, bis hin zu den Juwelen in der Edwards-Krone: „In jedem Detail schlummern Traditionen und Rechtsgeschichte. Für uns als Rechtshistoriker ist die Krönung deshalb eine sehr spannende Lehrveranstaltung“, stimmen alle drei Professoren zu.