Europa in einer Welt des Umbruchs

Im Rahmen des 14. Alumni-Treffens der Trierer Politikwissenschaft hielt der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland im Großherzogtum Luxemburg, Dr. Heinrich Kreft den Festvortrag über zentrale Herausforderungen für die europäische und bundesdeutsche Außenpolitik.

Foto: Vera Fuhs

Auf globaler Ebene stehen die europäischen Staaten für Kreft vor der schwierigen Aufgabe, in einer sich wandelnden Weltordnung ihre Position zu behaupten. Auf der einen Seite schwinde die nach dem Ende des Kalten Krieges entstandene Vormachtstellung der USA. Insbesondere in Donald Trumps „America First“-Politik sieht Kreft eine Abneigung, weiterhin als „ordnende Hand“ in anderen Weltregionen tätig zu werden. Auf der anderen Seite gewinne Asien an Bedeutung und verschiebe damit den Schwerpunkt der globalen Ordnung. So gelinge es China als nichtdemokratischem Staat, durch seinen wirtschaftlichen Erfolg ein Konkurrenzmodell zum Westen aufzuzeigen, an dem sich immer mehr Staaten orientierten.

Für die Bundesrepublik bedeute diese Verschiebung in der internationalen Ordnung vor allem eine Belastung der transatlantischen Beziehungen als einem der beiden Grundpfeiler deutscher Außenpolitik. Umso wichtiger werde damit die europäische Integration als zweiter Pfeiler, doch auch hier sieht Kreft Herausforderungen, vor denen die Europäische Union nach innen wie nach außen hin stehe. So sehe sich die EU in Anbetracht zahlreicher Konflikte in ihren Nachbarstaaten von einem „ring of fire“ umgeben, der auch vermehrte Flüchtlingsströme zur Folge habe. International gerate die EU vor allem durch das offensivere Auftreten vieler aufstrebender Staaten unter Druck. Als weiteres Spannungsfeld der europäischen Außenbeziehungen macht Kreft das Verhältnis zu Russland aus. Hier müsse die EU eine Kooperation anstreben, die sowohl von den östlichen Mitgliedstaaten als auch von der NATO mitgetragen wird.

Während Europa also von außen ohnehin unter Druck stehe, erschweren laut Kreft Spannungen im Inneren eine starke und geschlossene Reaktion hierauf. 2018 werde richtungsweisend dafür sein, wie sich die EU künftig im Zwiespalt zwischen dem Drängen Macrons auf mehr Integration einerseits und dem Erfolg europaskeptischer, populistischer Parteien in fast allen Mitgliedstaaten andererseits positionieren werde. Insbesondere Deutschland stehe so vor einem strategischen Dilemma: Ein Vorstoß an der Seite Frankreichs und damit eine stärkere Teilgruppenbildung, die die Union weiter spalten könnte, stehe im Widerspruch zur Wahrung enger Beziehungen zu den integrationskritischen östlichen Mitgliedstaaten. Obwohl Kreft die wesentliche Konfliktlinie innerhalb der EU nunmehr zwischen Ost und West verortet, macht er auch in den südlichen Mitgliedstaaten Risiken für den Zusammenhalt der Union aus. So drohe beispielsweise bei den anstehenden Parlamentswahlen in Italien ein Aufstieg populistischer und europakritischer Kräfte.

Gerade jetzt, da vor dem Hintergrund vielfältiger Herausforderungen Interesse an einem starken Europa geboten sei, werde die EU also durch Uneinigkeit und mangelnden Zusammenhalt geschwächt. Dabei werde in der Debatte häufig die Relevanz dieser Schwierigkeiten für die Bundesrepublik unterschätzt. Tatsächlich gehöre Deutschland zu den größten Profiteuren europäischer Integration und hänge damit wesentlich vom Wohlergehen Europas ab. Um dieses auch in Zukunft zu gewährleisten, empfiehlt Kreft eine Reihe an Maßnahmen. So sieht er die Regierungen der Mitgliedstaaten in der Pflicht, die Wettbewerbsfähigkeit der EU durch Investitionen und Strukturreformen zu sichern. Außerdem müssten die Bankenunion, insbesondere eine europäische Einlagensicherung vorangetrieben werden. Im Hinblick auf die Außenbeziehungen der EU sei eine neue Balance zwischen Sicherheit und Solidarität notwendig. Hierzu zählt Kreft beispielsweise eine verstärkte Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten, auch – aber nicht nur – im Interesse einer verbesserten Kontrolle von Migrationsströmen. Grundsätzlich müsse die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gestärkt und die Zusammenarbeit in diesem Bereich enger werden. Als weiteres Handlungsfeld macht Kreft die Förderung von Innovation und Forschung aus. Vor allem in der IT- und Hightechindustrie müsse Europa seine Anstrengungen verstärken, um nicht von den USA oder Asien abgehängt zu werden. Eine wichtige Aufgabe der EU sei auch die Gestaltung des Brexits mit dem Ziel, den Schaden für zu minimieren.

Trotz der komplexen Problemlage, die er diagnostiziert, sieht Kreft bezüglich der Situation Europas durchaus auch Anlass zur Hoffnung. So betonte der Diplomat zum Abschluss seines Vortrags die günstigen ökonomischen Bedingungen, die es der EU derzeit erleichterten, ihre vielfältigen Herausforderungen anzugehen. Vor allem Deutschland und Luxemburg dürften sich demnach auch 2018 als ökonomisches Powerhouse erweisen.

Julia Dahm
Studentische Hilfskraft an der Professur für vergleichende Regierungslehre (Prof. Dr. Joachim Schild)