Angst aus vielen Perspektiven erforscht
Eine durch Trumps Politik gefährlicher werdende Welt, Überforderung durch Flüchtlinge und Spannungen durch Ausländer sind die größten Sorgen der Deutschen in diesem Jahr. Ein in einer Langzeit-Studie bereits zum 27. Mal erhobenes Stimmungsbarometer zeigt, dass Angst ein ständiger Begleiter der Menschen ist. Die Germanistik-Dozentinnen Franziska Bergmann und Natalia Filatkina stellten sich daher die Frage, wie sich Angst in Sprache und Literatur wiederspiegelt und wie Angst sprachlich konstruiert wird. An der Suche nach Antworten beteiligten sie ihre Studierenden. Franziska Bergmann bot dazu ein Seminar in der Literaturwissenschaft an, Natalia Filatkina in der Sprachwissenschaft. In einem abschließenden Workshop bezogen sie die Perspektiven anderer Fächer wie Psychologie, Geschichte und Medienwissenschaft ein. Das Interesse der Studierenden war enorm. Viele nahmen an beiden Seminaren teil und brachten zum Workshop Kommilitonen mit.
„Das Thema Angst ist allgegenwärtig und hat einen engen gesellschaftlichen Bezug“, stellt Professorin Dr. Natalia Filatkina fest. Dieser Aspekt, die Betrachtung aus verschiedenen Disziplinen-Blickwinkeln und die Aktualität des Themas dürften maßgeblich zum hohen Engagement und Interesse der Studierenden beigetragen haben. „Ich empfand alle Seminarsitzungen als sehr motivierend und habe nie in gelangweilte Gesichter geblickt“, bestätigt Junior-Professorin Dr. Franziska Bergmann.
Bezüge in der Literaturgeschichte
Sie erforschte mit ihren Studierenden, wo und wie Angst in der Literatur thematisiert wird. „In der Literaturgeschichte lassen sich viele Bezüge finden. Ein gutes Beispiel ist die Novelle `Die schwarze Spinne´ von Jeremias Gotthelf. Die Metaphorik, einige Motive und Attribute der Spinne werden in anderen Werken und beispielsweise auch in Alien-Filmen aufgegriffen“, verweist die Literaturwissenschaftlerin auf eine Kontinuität der Thematik. Zugleich finden sich in der Literatur viele angstbesetze Motive, die auch von aktuellen rassistischen Ideologien aufgegriffen werden, so Bergmann weiter.
Natalia Filatkina und ihre Studierenden untersuchten in ihrem Seminar, wie Angst in der Sprache transportiert und reflektiert wird. „Wir haben unter anderem festgestellt, dass man Angst mit Sprache konstruieren kann, ohne den Begriff zu verwenden. Schon der Satzbau kann zu dieser Konstruktion beitragen“, erläutert die Sprachwissenschaftlerin.
Beim Versuch, den Blick anderer Fächer auf das Phänomen Angst im Rahmen eines Workshops einzubeziehen, stießen die beiden Germanistinnen auf offene Ohren. Angst erwies sich in mehreren Fächern der Universität Trier als ein aktuelles Forschungsthema. Alle angefragten Wissenschaftler stellten sich als Vortragende bereitwillig zur Verfügung. „In der Germanistik sind fachübergreifende Seminare eine Ausnahme. Wir wollten insbesondere die Lehramt-Studierenden dazu anregen, Interdisziplinarität später auch in der Schule zu erproben“, erklärt Franziska Bergmann die Motivation für den Workshop. Eine Publikation der Beiträge des Workshops, ergänzt durch weitere Aufsätze ist in Planung.
Höhepunkt des Studiums
Bei den Studierenden kam das Konzept des forschenden Lernens mit Bezügen in die Populärkultur und aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen gut an. „Sieht man sich aktuelle Spannungen und Konflikte in Europa an, lassen sich viele davon auf das Gefühl der Angst zurückführen. Texte spielen dabei eine ganz zentrale Rolle. Ein solches interdisziplinäres Seminar hielt ich für besonders geeignet, ein Thema in der Tiefe und eben nicht nur oberflächlich zu behandeln und zu untersuchen. Die Angst ist so vielschichtig, sie kann - und muss - aus so vielen Perspektiven betrachtet werden“, fasste Christine Mandy ihre Erfahrungen zusammen. „Der abschließende multidisziplinäre Workshop war eines der Highlights meines bisherigen Studiums“, ergänzte die Studentin im zweiten Master-Semester.
Franziska Bergmann und Natalia Filatkina denken derweil über eine Fortführung ihres Konzepts nach. Ein Museumsbesuch in Florenz hat Franziska Bergmann zu einem neuen Thema inspiriert: Ekel.
Zur Studie
Die Langzeit-Studie „Die Ängste der Deutschen“ wurde in diesem Jahr zum 27. Mal durchgeführt. Etwa 2.400 Menschen wurden nach ihren größten Sorgen befragt. www.ruv.de/presse/aengste-der-deutschen
Kontakt
Jun-Prof. Dr. Franziska Bergmann
Germanistik/Neuere deutsche Literaturwissenschaft
Tel. 0651 201-3146
E-Mail: bergmannfuni-trierde
Prof. Dr. Natalia Filatkina
Germanistik/Ältere deutsche Philologie
Tel. 0651 201-2294
E-Mail: filatkinauni-trierde