De Musel-Penns unn ihr Sproach

Sie haben von der Überschrift kein Wort verstanden? Aber vielleicht Ihr Kind. Im neuen Phonetik Labor Kids der Universität forscht Katharina Zahner-Ritter zum Spracherwerb.

Bunte Luftballons und ein Regenbogen begrüßen die jungen Probandinnen und Probanden im Phonetik Labor Kids. Die Kinder sollen sich wohlfühlen, wenn sie an der Universität Trier an den Studien teilnehmen. Das ist Juniorprofessorin Katharina Zahner-Ritter und ihrem Team wichtig. Ganz allgemein gesagt, wollen die Forschenden herausfinden, wie Kinder Sprache lernen und Sprache in verschiedenen Situationen verwenden. Aktuell laufen drei Forschungsprojekte. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Kindern, die mit dem moselfränkischen Dialekt aufwachsen. Daneben wird zur Rolle der Eltern beim Spracherwerb geforscht. Kindergarten- und Grundschulkinder und ihre Kommunikation mit Sprachassistenten wie Alexa und Siri stehen im Mittelpunkt einer weiteren Studie.

„Es ist einfach faszinierend, wie sich Kinder Sprache aneignen und benutzen“, sagt Phonetik-Juniorprofessorin Katharina Zahner-Ritter.
„Es ist einfach faszinierend, wie sich Kinder Sprache aneignen und benutzen“, sagt Phonetik-Juniorprofessorin Katharina Zahner-Ritter.

Schuh und/oder Schou – wie speichern Kinder (Dialekt-)Wörter?

Gebannt schaut der 15 Monate alte Junge auf das bunte Karomuster auf dem vor ihm aufgerichteten Tablet. Er sitzt am Esszimmertisch auf dem Schoß seiner Mutter. Schuh tönt es aus dem Gerät. Weiter konzentriertes Hören und Schauen. Schou sagt das Tablet. Auch das Wort scheint interessant zu sein. Schai. Der Junge schaut weg. Aufgenommen wurde diese Szene mit der im Tablet integrierten Kamera. Hunderte solcher Sequenzen hat sich die Phonetikerin Katharina Zahner-Ritter bereits angeschaut und analysiert. Gemeinsam mit Kolleginnen der Universität Konstanz will sie herausfinden, wie Wörter im menschlichen Gehirn abgespeichert werden. Zum so genannten „mentalen Lexikon“ gibt es noch viele offene Fragen. In dem Projekt sind die Wissenschaftlerinnen der Speicherung von dialektalen Begriffen auf der Spur.

„Natürlich können uns Kleinkinder nicht sagen, ob sie ein Wort bereits kennen oder verstehen.  Ein Indikator ist daher die Aufmerksamkeit, die sie einem Wort schenken“, erklärt die Trierer Juniorprofessorin. In der oben beschriebenen Szene scheint der Junge das Wort „Fuß“ sowohl in der standardsprachlichen Form Schuh wie auch in der dialektalen Form Schou zu kennen. Das Phantasiewort Schai mit den gleich klingenden Anfangs- und Endbuchstaben interessiert ihn dagegen nicht.

„Wir schließen daraus, dass das Kind weiß, dass es die beiden ersten Wörter gibt und sie vermutlich im mentalen Lexikon miteinander verknüpft sind.“ Während der Spracherwerb von Kindern mit zwei Muttersprachen verhältnismäßig gut erforscht ist, ist über Kinder, die sowohl mit Standarddeutsch wie Dialekt aufwachsen, weniger bekannt. „Eltern wollen von uns wissen, ob sie mit ihrem Kind überhaupt noch Dialekt sprechen sollen. Die Forschung geht davon aus, dass es eher kognitiv von Vorteil ist, wenn sie beides mitbekommen“, sagt Zahner-Ritter. Während ihre Kolleginnen an der Universität Konstanz den Spracherwerb von Kindern, in deren Umfeld das Alemannische vom Bodensee geredet wird, im Blick haben, forscht sie selbst nun zum Moselfränkischen.

Pandemie-bedingt konnte das Forschungsprojekt erst mal nicht im Labor stattfinden. Daher wurde es direkt so konzipiert, dass das Experiment daheim am Tablet durchgeführt werden kann. Das habe auch Vorteile, so Zahner-Ritter: „Die Kinder sind in ihrer gewohnten Umgebung. Außerdem ist es für die Familien weniger Aufwand, da sie nicht extra ins Labor kommen müssen.“ Nichtsdestotrotz ist die Phonetikerin froh, dass sie nun an der Universität Trier das Phonetik Labor um den Zweig eines Kinderlabors ausbauen kann. Im Labor können Störfaktoren besser ausgeschlossen werden.

Kind sitzt vor einem Tablet mit buntem Muster

„Schau mal“ – wie beeinflussen Eltern den Spracherwerb?

Eine Einjährige stapelt farbige Bauklötze aufeinander. Sie sollen eine bestimmte Reihenfolge haben. „Da – schau mal – ist der grüne Stein“, sagt ihr Vater mit verhältnismäßig hoher Stimme und deutet dabei mit ausladender Gestik auf das gesuchte Teil. Juniorprofessorin Zahner-Ritter erklärt den Hintergrund des Experiments im Phonetik Labor Kids folgendermaßen: „Spracherwerb erfolgt natürlich nicht im luftleeren Raum, sondern vor allem durch soziale Interaktion. Man weiß, dass Erwachsene mit Kindern anders reden, beispielsweise ihre Intonation ändern. Gleichzeitig spielt Gestik und Mimik eine Rolle. Das hilft Kindern beim Sprechen lernen. Welche Mechanismen genau dahinterstecken, ist jedoch noch nicht bekannt.“ Eine Initiative für einen Sonderforschungsbereich mit dem Titel „Serious Gaming“ der Universität Konstanz will hier mehr Licht ins Dunkel bringen. Die Phonetik der Universität Trier ist mit einem Teilprojekt zum Spracherwerb beteiligt.

Wie wir Erwachsenen bei der Interaktion mit Kindern mit der Stimme spielen, macht Zahner-Ritter an einem weiteren Beispiel deutlich. Wenn Eltern sich mit ihren Kindern ein Bilderbuch anschauen, in dem ein Frosch nur recht langweilig, schemenhaft dargestellt ist, probieren sie ihn oft stimmlich interessanter für die Kinder zu machen, beispielsweise durch die Änderung der Sprachmelodie oder der Stimmqualität. Die Forscherinnen der Universität Trier interessiert darüber hinaus die Einstellung der Eltern zum Sprechen lernen: Wollen sie den Spracherwerb ihres Kindes besonders fördern oder denken sie eher, dass ihr Kind Sprache sowieso mitbekommt?

Die Haltung der Eltern bringen die Phonetikerinnen mit den jeweiligen stimmlichen Mitteln in Verbindung, die die Eltern beim Spiel mit ihren Kindern einsetzen. Auch wird untersucht, wie sich die Haltung und Sprache der Eltern auf die kindlichen Fähigkeiten im Spracherwerb auswirken. Das Besondere an dem Forschungsprojekt ist die Konzeption als Langschnittstudie. Geplant ist, dass die Kinder im Alter von 12, 18 und 24 Monaten mit einer Bezugsperson ins Phonetik Labor Kids kommen. „Häufig werden eher Querschnittstudien gemacht. Wir hoffen, mit dem Studiendesign die Sprachentwicklung besser nachverfolgen zu können“, erklärt Katharina Zahner-Ritter. Eine Herausforderung bei der Forschung mit Kleinkindern ist, die Dauer des eigentlichen Experiments kurz zu halten. Mehr als fünf bis zehn Minuten reicht die Aufmerksamkeitsspanne nicht.

„Wir werden immer wieder von Eltern gefragt, wie sie ihrem Kind beim Sprechen lernen helfen können. Deshalb halten wir gelegentlich auch Vorträge in Kitas. Aber es geht uns nicht vorrangig um Empfehlungen für die Praxis, sondern um das Verstehen der Mechanismen des Spracherwerbs. Unser primäres Ziel ist Grundlagenforschung“, sagt Zahner-Ritter.

Kinder spielen mit einem bunten Ringturm

Hallo Alexa! Hallo Siri – wie reden Kinder mit Sprachassistenten?

Die vier- bis siebenjährigen Kinder müssen einen Schatz finden. Hinweise zum Versteck gibt ihnen nicht etwa ein Mensch, sondern ein auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierender Sprachassistent. Wie sehr vertrauen sie auf den Sprachassistenten? Wie sprechen die Kinder mit ihm? Das sind Fragen, denen Katharina Zahner-Ritter in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit Kolleginnen der Universität Duisburg-Essen nachgeht. Bereits in einer vorangegangenen Studie haben die Phonetikerinnen Spannendes dazu herausfinden können: Kinder unterscheiden klar, ob sie mit einem Menschen sprechen oder mit einer Künstlichen Intelligenz. Mit dem Sprachassistenten interagieren sie weniger und sprechen anders, als wenn sie davon ausgehen, dass ihr Gesprächspartner ein Mensch ist. Manchmal kommt es bei Gesprächen mit der KI auch zu Missverständnissen. Beispielsweise wenn der Assistent „Diamant“ statt „Elefant“ versteht. Kinder zögern häufig, diese Missverständnisse aufzuklären.

„Gerade vor dem Hintergrund, dass immer mehr Familien Alexa, Siri und Co. zu Hause haben und die Kinder damit aufwachsen, ist unsere Forschung spannend“, sagt die Trierer Phonetikerin. Zudem könnte Künstliche Intelligenz künftig stärker in Schulen eingesetzt werden, was die Bedeutung des Forschungsprojekts nochmals erhöht. Die Forschungsergebnisse sind aber auch für Entwicklerinnen und Entwickler von Sprachassistenten relevant. Wenn die KI deutlicher machen würde, dass sie die Kinder nicht verstanden hat, würde das zur besseren Kommunikation und damit auch zum Vertrauen beitragen. Aber auch Kinder können der KI Wörter beibringen. Wie sie das machen, soll im neuen Phonetik Labor Kids untersucht werden. Die Kinder werden dabei auf verschieden weit entwickelte Sprachassistenten stoßen. Unterscheidet sich ihr Vorgehen? Außerdem wollen die Forschenden die Frage klären, inwiefern es wichtig ist, dass der Sprachassistent über den kulturellen Hintergrund der Kinder Bescheid weiß und ähnliche moralische Normen vertritt: Wie gehen die Kinder damit um, wenn die KI beispielsweise nicht weiß, dass man einer älteren Dame, die in einen vollen Bus einsteigt, einen Platz zum Sitzen anbietet? Wie beeinflusst das das kommunikative Verhalten der Kinder? 

„Über Erwachsene und ihre Kommunikation mit Sprachassistenten weiß man mehr als über Kinder. Da Kinder ganz andere sprachliche Strategien haben als Erwachsene, muss hier extra geforscht werden“, sagt Zahner-Ritter. Um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, hoffen die Wissenschaftlerinnen 100 Kinder für die Studienteilnahme gewinnen zu können. Es ist also viel geplant im Phonetik Labor Kids.

Mädchen spricht mit einem Sprachassistenten

Phonetik Labor Kids

Dass an der Universität Trier ein Phonetik Labor Kids aufgebaut wird, ist eher etwas Besonderes. Gerade einmal eine Hand voll anderer Universitäten in Deutschland besitzen eine solche Einrichtung. Für die verschiedenen Projekte suchen Juniorprofessorin Katharina Zahner-Ritter und ihr Team Familien mit Kindern, die die Forschung als Studienteilnehmer unterstützen. Interessierte finden auf der Internetseite www.phonetik.uni-trier.de weitere Informationen.

Kontakt

JProf. Dr. Katharina Zahner-Ritter
Phonetik
Tel. +49 651 201-2276
Mail k.zahner-ritteruni-trierde