Wer bekommt wann wie viel Wasser?

Forschende arbeiten in dem Verbundprojekt „aKtIv“ gemeinsam an intelligenten Lösungen, um bei Mangellagen eine möglichst lange Versorgung mit Leitungswasser gewährleisten zu können. Das Institut für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht (IDEW) ist für die juristische Begleitung der technischen Vorhaben zuständig.

Heiße und trockene Sommermonate, dazu geringe Niederschlagsmengen in Herbst und Winter haben in den vergangenen Jahren auch in Deutschland Wasser zu einem knappen Gut werden lassen. Dieser Herausforderung nimmt sich das Forschungsprojekt „aKtIv“ an, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen unter Federführung der Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz GmbH (wvr) zusammenarbeiten.

Prof. Dr. Michael Reinhardt (links) und Ref. iur. Manuel Beh setzen sich in ihrem Projekt mit den rechtlichen Grundlagen einer künftigen stabilen Wasserversorgung auseinander
Prof. Dr. Michael Reinhardt (links) und Ref. iur. Manuel Beh setzen sich in ihrem Projekt mit den rechtlichen Grundlagen einer künftigen stabilen Wasserversorgung auseinander

Im Zentrum des Projektes steht die Suche nach technischen Lösungen für eine krisensichere Gestaltung der Wasserversorgung. Dazu soll eine agile Netzsteuerung entwickelt werden, die auf Grundlage von in Echtzeit erhobenen, sensorbasierten Daten mithilfe von Künstlicher Intelligenz belastbare Prognosen zur örtlichen Versorgungslage erzeugt. Diese sollen den Versorgern dabei helfen, frühzeitig kritische Situationen zu erkennen und präventiv regulatorische Maßnahmen zu treffen.

Damit Kommunen und Versorger neue Verfahren und Maßnahmen für eine stabile Wasserversorgung umsetzen können, bedarf es jedoch entsprechender Rechtsgrundlagen. Mit diesen Aspekten setzen sich Prof. Dr. Michael Reinhardt und Ref. iur. Manuel Beh vom Institut für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht (IDEW) auseinander. Sie haben im Rahmen des Projekts die Aufgabe übernommen, die technischen Vorhaben anhand des geltenden Rechts zu bewerten und bei Bedarf Vorschläge für deren Weiterentwicklung zu unterbreiten.

Nachdem der Fokus der Wasserversorgung lange Zeit allein auf der Qualität des zur Verfügung stehenden Wassers lag, hat sich der Blick angesichts der trocken-heißen Sommer und niederschlagsarmen Winter vermehrt auf die verfügbare Wassermenge verschoben. „Derzeit verfolgt die Wasserverteilung an die Bevölkerung ein bedarfsorientiertes Konzept, indem die durch die Versorger zu fördernde Wassermenge auf den Abruf durch die Endabnehmer ausgerichtet ist. Dieses System ist in Wassermangellagen nicht aufrechtzuerhalten. Notwendig ist eine an das Wasserdargebot angepasste Versorgung mit dem Ziel, diese auch in Krisenzeiten durch Methoden der Nachfragesteuerung sicherzustellen“, erklären Michael Reinhardt und Manuel Beh.

In der ersten Projektphase rückten die Trierer Rechtswissenschaftler die rechtlichen Rahmenbedingungen einer hoheitlichen Regulierung der Trinkwasserverteilung in akuten Mangellagen in den Fokus. Sie kamen zu dem Schluss, dass dieses Szenario mit intensiven Eingriffen in die Grundrechte verbunden ist und daher einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Eine empirische Sichtung der von den zuständigen Kommunen deutschlandweit verwendeten Vorschriften ergab ein diffuses Bild.

„Die bestehenden Rechtsgrundlagen sind nicht an diese Problemlagen angepasst. Mangels einer speziellen Ermächtigungsgrundlage sehen sich die Kommunen gezwungen, auf allgemeine, aber in der Praxis oftmals nicht effektiv durchsetzbare Vorschriften insbesondere aus dem Polizei- und Ordnungsrecht zurückzugreifen“, stellt Michael Reinhardt, Professor für Öffentliches Recht und Leiter des Instituts für deutsches und europäisches Wasserrecht, fest. Er sieht daher die Gesetzgeber auf Landesebene in der Pflicht, sich dieser Konfliktsituation anzunehmen, Rechtssicherheit zu schaffen und Entscheidungen zu treffen.  Die wesentliche Entscheidung, wer wann mit wie viel Wasser versorgt wird, sollte aus verfassungsrechtlicher Perspektive grundsätzlich vom Gesetzgeber getroffen werden, da Grundrechte unmittelbar betroffen seien.

Die Lenkung der Wassernutzung durch Recht sowie die rechtliche Bewertung der mittlerweile geschaffenen Netzsteuerung und ihrer konkreten Funktionsweise stellen die Trierer Rechtswissenschaftler in der zweiten Projektphase vor intensive Herausforderungen. Es gilt, einen Ausgleich zwischen den versorgungssichernden Vorteilen des Systems und den legitimen kollidierenden Belangen der Abnehmer zu finden. Nicht zuletzt müssen sich Reinhardt und Beh an den von den Kooperationspartnern im Rahmen des Projekts entwickelten technischen Möglichkeiten orientieren und Rechtssicherheit für deren Anwendung erreichen.

„Die mit Mangellagen verbundenen Fragen von Hierarchien in der Wassernutzung sind rechtlich schwierig zu fassen. Im Übrigen sind viele unterschiedliche Rechtsgebiete und ethische Aspekte zu berücksichtigen“, führt Michael Reinhardt aus. So berührt die vorgesehene sensorbasierte Erhebung von Wassernutzungsdaten im Verteilernetz massiv das Datenschutzrecht. Es geht aber beispielsweise auch um eine juristisch einwandfreie Klärung der Frage der Refinanzierung von Mehrkosten.

Und noch einen weiteren Aspekt gilt es bei der Ausarbeitung des Rechtsrahmens zu berücksichtigen: das Verhältnis von leitungsgebundenem Löschwasser gegenüber Trinkwasser. In Rheinland-Pfalz ist dieses Löschwasser Teil der öffentlichen Wasserversorgung und durch die Versorger vorzuhalten. „Aufgrund der klimatisch bedingten Entwicklung ist es daher mittel- bis langfristig ratsam, Alternativen für die leitungsgebundene Löschwasserversorgung in den kommunalpolitischen Blick zu nehmen“, empfehlen Michael Reinhardt und Manuel Beh.

Das Projekt „aKtIv“

Titel: „Agile Netzsteuerung zur Erhöhung der Resilienz der Kritischen Infrastruktur Wasserversorgung“
Laufzeit: 3 Jahre
Gesamtfördersumme: 3 Mio. Euro
Fördersumme IDEW: 282.000 Euro
Projektförderer: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Projektleitung: Wasserversorgung Rheinhessen-Pfalz GmbH
Weitere Kooperationspartner: Alfred-Wegener-Institut, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen, Universität Tübingen, RWTH Aachen, TH Lübeck, iSAtech GmbH.

Kontakt

Prof. Dr. Michael Reinhardt, LL.M. (Cantab.)
Institut für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht
Mail reinhardtuni-trierde
Tel. +49 651 201-2578

Ref. iur. Manuel Beh
Institut für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht
Mail behuni-trierde
Tel. +49 651 201-4286