Mit der größten Forschungsexpedition aller Zeiten in die Arktis

Die Universität Trier ist Teil des Projekts, das wertvolle Daten und Erkenntnisse zu der für das Weltklima wichtigen Region einbringen soll.

Die Taschen sind gepackt: Am 20. September bricht der Trierer Umweltwissenschaftler Dr. Andreas Preußer in die Arktis auf.

Das von Prof. Dr. Günther Heinemann geleitete Fach Umweltmeteorologie der Universität Trier beteiligt sich an der größten Polarexpedition aller Zeiten. Mit an Bord des bekannten Forschungsschiffes Polarstern ist der Trierer Umweltwissenschaftler Dr. Andreas Preußer. Mehr als ein Jahr lang werden die Forscher im Eis der Arktis Daten erheben und wissenschaftliche Untersuchungen durchführen – in einer Region, die das gesamte Weltklima beeinflusst und die in den vergangenen Tagen sowohl wissenschaftliche als auch politische Schlagzeilen geschrieben hat.

Sei es die Rekord-Eisschmelze, Kanzlerin Merkels Initiative für eine deutsche Arktispolitik oder Donald Trumps Kaufangebot für Grönland. Die Arktis ist jüngst in das Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt. Vor diesem Szenario erhält die Expedition MOSAiC (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) unfreiwillig auch eine aktuelle politische Dimension.

Klima in der Arktis besser verstehen

Andreas Preußer ist das Risiko bewusst, dass die neuen Erkenntnisse über die Arktis auch dazu verwendet werden könnten, die Region wirtschaftlich weiter zu erschließen und somit Natur und Umwelt weiteren Gefahren auszusetzen. „Angesichts der bereits eingeleiteten Maßnahmen ist es nahezu ausgeschlossen, dass die Anrainerstaaten der Arktis von der weiteren wirtschaftlichen Erschließung der Arktis abrücken werden. Ich wünsche mir aber sehr, dass auch die Ergebnisse dieser Expedition dazu beitragen werden, die richtigen Schlüsse zu ziehen, so dass wenigstens die Kernbereiche der zentralen Arktis unberührt bleiben können.“

Dessen ungeachtet verfolgen die Wissenschaftler ihr primäres Ziel, klein- und großskalige Prozesse in der Arktis zu studieren und die Vielzahl an verschiedenen Klimamodellen zu überprüfen. Weil das Klima von vielen Komponenten beeinflusst wird, ist eine Modellierung stets mit gewissen Unschärfen verbunden, die beim Arktisklima aus einem einfachen Grund besonders groß sind. Es gibt zu wenige vor Ort erhobene Daten. Dem wollen die Forscher begegnen und über einen kompletten Jahreszyklus Messungen durchführen, Daten sammeln und auswerten.

Das Lidar-Windmessgerät war bereits bei früheren Expeditionen der Umweltmeteorologie der Universität Trier im Einsatz.
Vor Expeditionsbeginn musste Andreas Preußer unter anderem ein Training zur Gefahrenabwehr bei der Begegnung mit Eisbären absolvieren.
Seit vielen Jahren forscht Dr. Andreas Preußer zum Klima in der Arktis.

Trierer Wissenschaftler hat Windmessgerät im Gepäck

Andreas Preußers Auftrag sind Wind- und Turbulenzmessungen. Wind ist eine bedeutende Komponente im Bündel der vielen Klimafaktoren. Das Messinstrument ist ein scannendes Doppler-Lidar, das schon bei früheren Expeditionen der von Prof. Dr. Günther Heinemann geleiteten Trierer Umweltmeteorologie erfolgreich zum Einsatz kam. Dabei richtet sich der wissenschaftliche Fokus auf Austauschprozesse zwischen Meereis, Ozean und Atmosphäre.

Andreas Preußer ist gespannt, wie sich ihm die massiven Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis darstellen werden. „Schon seit ich mich 2010 in meinem Bachelor-Studium erstmals intensiver mit der Arktis beschäftigt habe, hat sie sich in vielen Bereichen enorm verändert. Neun Jahre sind dafür ein sehr kurzer Zeitraum“, sagt der 33-Jährige. Die abermals rekordverdächtig geringe Ausdehnung des Meereises in diesem Jahr stellt die gesamte MOSAiC-Expedition schon vor ihrem Start vor besondere Herausforderungen. Die Wissenschaftler werden ihr Forschungscamp auf einer Eisscholle aufschlagen und sich darauf Richtung Grönland treiben lassen. Soweit der Plan. In der Praxis erweist sich die Suche nach einer geeigneten Eisfläche als schwierig, die mindestens 1,5 Meter stark sein muss, um das Forscher-Camp zu tragen und lang genug, damit Flugzeuge darauf landen können. So bedarf es einer umfangreichen Vorerkundung, unter anderem mittels Satellitendaten.

Gefahrenabwehr bei der Begegnung mit Eisbären

Vor der Mission in die Polarnacht und bei bis zu minus 45 Grad musste Andreas Preußer eine Reihe von Checks und Schulungen absolvieren: diverse medizinische Untersuchungen, einen Lehrgang in Sicherheit und Überleben auf See und ein Training zur Gefahrenabwehr bei Begegnungen mit Eisbären. Obwohl es für ihn bereits die dritte Expedition ist, hat er vor dieser den größten Respekt. „Ich war noch nie so lange auf Meereis unterwegs und auch die Polarnacht habe ich noch nicht erlebt“, sagt er. Anfang bis Mitte Oktober werden die Forscher noch etwa vier Stunden lang bei Tageslicht arbeiten können. Ab Ende Oktober steht die Sonne dann soweit unter dem Horizont, dass kein Tageslicht mehr zu sehen ist. Wenn Preußer Mitte Dezember die Eisscholle verlässt, um mit einem Eisbrecher nach Tromsø zurückzukehren, wird ihn die meiste Zeit permanente Finsternis umgeben haben.

Das Trierer Windmess-Instrument wird dann unter anderem von Kooperationspartnern aus Leeds (UK) weiter betreut. Die britischen Wissenschaftler sind mit einem sehr ähnlichen Lidar an der Expedition beteiligt, was durch die Kopplung der beiden Geräte neben Langzeitmessungen eine Reihe zusätzlicher Messoptionen ermöglicht. Für die Mitarbeitenden des Fachs Umweltmeteorologie beginnen dann die Auswertung der Daten und begleitende Modellierungen. Die Bilder aus der Arktis werden Andreas Preußer dabei begleiten. „Die Arktis ist ein beeindruckender und einnehmender Ort, gleichzeitig ist sie aber auch eine der sensibelsten Regionen des Erdballs. Dieses Gebiet weiter zu erforschen, fasziniert mich sehr.“

Die MOSAiC-Expedition

Auf der MOSAiC-Expedition (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) erforschen Wissenschaftler aus 17 Nationen die Arktis im Jahresverlauf. Von Herbst 2019 bis Herbst 2020 driftet der deutsche Eisbrecher Polarstern dazu eingefroren im Eis durch das Nordpolarmeer. MOSAiC wird unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), realisiert. Damit dieses einzigartige Projekt gelingt und möglichst wertvolle Daten gewonnen werden, arbeiten über 70 Institute in einem Forschungskonsortium zusammen. Das Budget der Expedition beträgt rund 140 Millionen Euro.

Neuigkeiten direkt aus der Arktis gibt es über die MOSAiC-Kanäle auf Twitter und Instagram über die Hashtags #MOSAiCexpedition, #Arctic und #icedrift.

► Mehr Infos zur Expedition: www.mosaic-expedition.org

Kontakt

Dr. Andreas Preußer
Umweltmeteorologie
Mail: preusseruni-trierde
Tel. +49 651 201-3817

Prof. Dr. Günther Heinemann
Umweltmeteorologie
Mail: heinemannuni-trierde
Tel. +49 651 201-4623