Trierer Goldrausch und antike Schätze

Ein Archäologie-Team der Universität Trier untersucht erstmals systematisch römische Artefakte aus der Mosel. Es handelt sich dabei um eine der größten Sammlungen an Flussfunden weltweit.

Wussten Sie, dass die Trierer Römerbrücke zu den UNESCO-Welterbestätten gehört? Bestimmt. Aber wussten Sie auch, dass nicht nur die Römerbrücke, sondern auch der darunter laufende Fluss eine spannende historische Quelle ist? Ferdinand Heimerl, Juniorprofessor für Provinzialrömische Archäologie, steht am Moselufer und erklärt: „Fotos aus den Sechzigern, Siebziger und Achtziger Jahren zeigen, wie die Leute damals in einer wahren Goldgräberstimmung mit ihren Schlauchbooten, Schaufeln und Sieben auf der Mosel unterwegs waren.“ Heute kaum vorzustellen, aber mehrere Niedrigwasser-Perioden in den 1960er bis 1980er-Jahren machten die Suche nach antiken Kostbarkeiten für ganze Familien zur attraktiven Freizeitgestaltung im knietiefen Wasser. Und es gab viel, was die Triererinnen und Trierer rund um die Römerbrücke im Flussbett gefunden haben: Goldmünzen, Statuetten, Metalle oder Alltagsgegenstände aus der römischen Zeit, aber natürlich auch Schätze sowie Müll aus der nicht ganz so fernen Vergangenheit. Seit den frühen 1960er Jahren sollen an der Römerbrücke und weiter flussabwärts über 500.000 römische Münzen entdeckt worden sein.

Werkzeuge, Haarnadeln, Netzsenker oder doch neuzeitliche Abfälle? Ein Forschungsteam der Universität Trier untersucht erstmals systematisch römischen Artefakte aus der Mosel.
Werkzeuge, Haarnadeln, Netzsenker oder doch neuzeitliche Abfälle? Ein Forschungsteam der Universität Trier untersucht erstmals systematisch römischen Artefakte aus der Mosel.

Während der Großteil der römischen Artefakte direkt am Fundort verkauft wurde oder in private Sammlungen überging, stellt das Rheinischen Landesmuseums Trier der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz ausgewählte Glanzstücke in der Dauerausstellung aus. Tausende weitere Objekte standen jedoch jahrzehntelang eingelagert und unbearbeitet in den Kisten der Depots des Landesmuseums. Das Projekt „Rituale, Abfälle und Sammler: neue Ansätze zu römischen Flussfunden“ startete im Februar 2024 und hat sich das Ziel gesetzt, Flussfunde in Deutschland und England überregional zu untersuchen (siehe Infokasten).

Flussfunde in Trier und England

An der Universität Trier und im Rheinischen Landesmuseum Trier untersucht das Trierer Projektteam, bestehend aus Juniorprofessor Ferdinand Heimerl, Julian Geiß und Jasmin Beuren, die in der Mosel massenhaft gefundenen Stücke, die bisher weder katalogisiert noch vollständig wissenschaftlich bearbeitet sind. Zum ersten Mal nimmt sich das Team um Heimerl der systematischen Analyse des Gesamtbestands der römischen Flussfunde in Trier an. „In den vergangenen sechs Monaten hat unser Team bereits über 2.000 Funde ausgemessen, gewogen, fotografiert, beschrieben und in einer Datenbank erfasst“, erzählt der Projektleiter stolz. Die meisten der Mosel-Funde stammen dabei aus dem 3. und 4. Jahrhundert nach Christus. Zum Vergleich: Im britischen Piercebridge haben Forschende im gesamten Zeitraum von drei Jahren insgesamt etwa 3.600 römische Objekte aus dem nordenglischen Fluss Tees ausgewertet.

Im Rheinischen Landesmuseum Trier lagerten die bisher nicht katalogisierten Funde seit dem Trierer Goldrausch, der bis Ende der 1980er-Jahre anhielt. Ein archäologisches Projekt der Universitäten Trier, Köln, Reading und Leicester forscht nun zu den Objekten aus der Mosel.
Im Rheinischen Landesmuseum Trier lagerten die bisher nicht katalogisierten Funde seit dem Trierer Goldrausch, der bis Ende der 1980er-Jahre anhielt.
Im Rheinischen Landesmuseum Trier lagerten die bisher nicht katalogisierten Funde seit dem Trierer Goldrausch, der bis Ende der 1980er-Jahre anhielt. Ein archäologisches Projekt der Universitäten Trier, Köln, Reading und Leicester forscht nun zu den Objekten aus der Mosel.
Ein archäologisches Projekt der Universitäten Trier, Köln, Reading und Leicester forscht nun zu den Objekten aus der Mosel.

Flussfunde spielen im archäologischen Fachgebiet eine wichtige Rolle, sind aber bisher in ihrer Gesamtheit wenig erforscht: „Meist haben Archäologinnen und Archäologen die Geschichte einiger weniger und besonderer Stücke publiziert, aber die römerzeitlichen Flussfunde kaum als Gesamt-Phänomen im größeren Kontext untersucht“, erklärt das Team den Forschungsbedarf. Wie und warum die Gegenstände in die Mosel gelangten, ist dabei eine der Fragen, die auch Ferdinand Heimerls Team umtreibt: „Während Forschende in England bisher eher davon ausgegangen sind, dass die Objekte im Zusammenhang mit Ritualen oder kultischen Weihungen in die Gewässer gelangten, standen im deutschsprachigen Raum meist rationale Erklärungen wie gesunkenes Beutegut, Hochwasser, Müllentsorgung oder Hangerosionen im Vordergrund.“ In Deutschland und England bestehen unterschiedliche Forschungstraditionen, sowohl in den archäologischen Theorien als auch bei der Methodik. Mit dem internationalen Kooperationsprojekt sollen die Stärken der britischen und deutschsprachigen Ansätze zusammengeführt werden.

Die Trierer Flussfundkollektion

Mit zur Trierer Flussfundkollektion zählen Alltagsgegenstände aus der Römerzeit, wie Teile von Gürtelschnallen, Pferdegeschirr, Waagen, Schlüssel, Griffel, Schmuck oder Haarnadeln. Auch mittelalterliche, neuzeitliche oder moderne Funde, wie zum Beispiel eine Anstecknadel eines Trierer Karnevalsvereins, sortierte das Team um Heimerl aus den Kisten. Militärische Ausrüstungsgegenstände und unzählige bleierne Netzsenker sowie weitere Buntmetall-, Blei-, und Eisenreste liegen ebenfalls zahlreich vor. „Strömungen, Flussbettverlagerungen, Erosionsprozesse aber auch künstliche Einflüsse wie Baggerarbeiten für die Schifffahrtsrinne oder Baumaßnahmen am Ufer könnten Objekte im Fluss ebenfalls verlagert haben“, erklärt Ferdinand Heimerl.

Die Forschungsarbeit für das Trierer Team besteht zunächst daraus, die gefundenen Objekte zu bestimmen. Sind es römische Militaria, Werkzeuge, Abfälle oder doch moderne Metallreste? Dann vergleicht man die Art der Funde aus dem Gewässer mit Grabungsfunden an Land. So haben die Forschenden in Piercebridge signifikante Unterschiede bei den Münzen im Fluss und an Land gefunden. Dazu erklärt Ferdinand Heimerl: „Im Fluss Tees gibt es beispielsweise deutlich mehr Silbermünzen, kleine Bleimünzen und Miniatur-Objekte als an Land. Unsere englischen Kolleginnen und Kollegen haben daraus geschlossen, dass diese Gegenstände wohl aufgrund von Ritualen in den Fluss gelangten.“

Privatsammlungen und Puzzleteile

Viele Funde in der Mosel kamen durch Ausbaggerungen für die Schifffahrtsrinne oder durch Privatsammler bei Niedrigwasser zu Tage, weshalb es dazu oft keine genaue Dokumentation gibt. Eigentlich greift hier der länderspezifische Denkmalschutz. Allerdings trat das Gesetz in Rheinland-Pfalz erst nach dem sogenannten „Goldrausch von Trier“ 1978 in Kraft. Durch die Goldgräber-Stimmung sind viele der Objekte bis heute in Privatsammlungen und sorgen dafür, dass die Kollektion der Trierer Flussfunde einige Lücken aufweist. Hier ergibt sich ein weiteres Forschungsfeld. Interviews, Zeitzeugenberichte und Foto- sowie Video-Archivmaterial sollen den Forschenden Aufschluss über die Motive und Techniken der Privatsammlerinnen und -sammler geben. Das Forschungsteam der Universität zu Köln konzentriert sich darauf, die privaten Kollektionen als Stichproben des ursprünglichen Gesamtbestandes im Vergleich mit den Museumsbeständen zu untersuchen und dem zeitgeschichtlichen Phänomen des „Goldrausches“ nachzuspüren.

 

“Goldrausch” an der Mosel (Foto: GDKE/Rheinisches Landesmuseum Trier)
“Goldrausch” an der Mosel (Foto: GDKE/Rheinisches Landesmuseum Trier)

Zeitzeugen gesucht

Haben Sie selbst noch antike Funde aus der Mosel oder wissen von damaligen Suchern? Haben Sie vielleicht noch Aufzeichnungen und Fotos vom „Goldrausch an der Mosel“ oder können Sie sich noch gut an die damalige Zeit erinnern?

Melden Sie sich gerne per E-Mail an: landesarchaeologie-triergdke.rlpde

Ferdinand Heimerl und das Projektteam in Trier versprechen sich von den Forschungsarbeiten noch weiterführende Erkenntnisse. Das Projekt arbeitet darauf hin, die Flussfunde nicht nur zu bestimmen, sondern vor allem Erkenntnisse darüber zu erlangen, wie Menschen in der Antike mit ihrer Umwelt interagiert haben. Auch mehr über die Sozialgeschichte des Sammelns zu erfahren, ist ausdrückliches Projektziel. Für die lokale Geschichtsschreibung könnten sich aus den römischen Flussfunden noch viele bisher unbekannte Puzzleteile zusammenfügen: „Die nur bruchstückhaft publizierten Moselfunde bergen großes Potenzial für die Stadtgeschichte Triers“, ist der Juniorprofessor überzeugt.

Projektleiter JProf. Dr. Ferdinand Heimerl erforscht gemeinsam mit Jasmin Beuren und Julian Geiß (v.l.n.r.) eine der größten Sammlungen an antiken Flussfunden aus der Mosel in Trier.
Projektleiter JProf. Dr. Ferdinand Heimerl erforscht gemeinsam mit Jasmin Beuren und Julian Geiß (v.l.n.r.) eine der größten Sammlungen an antiken Flussfunden aus der Mosel in Trier.

Rituale, Abfälle und Sammler: neue Ansätze zu römischen Flussfunden

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des britischen Arts and Humanities Research Council geförderte Projekt soll die derzeitigen Ansätze deutscher und britischer Forschung zu römischen Flussfunden zusammenführen. Dabei arbeitet die Klassische und Provinzialrömische Archäologie der Universität Trier eng mit den Universitäten Reading (GB), Leicester (GB) und Köln sowie der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) zusammen, um tausende Flussfunde zu untersuchen, die im Rheinischen Landesmuseum aufbewahrt werden. Forschende der Universität zu Köln übernehmen die Aufgabe, private Sammlungen zu erfassen und die Motivation der Sammelnden zu erforschen. Die britischen Archäologinnen und Archäologen der Universitäten Leicester und Reading erarbeiten erstmals eine Gesamtdarstellung aller Flussfunde in Großbritannien, deren Methoden und Techniken die deutschen Forschenden als Referenz nutzen. Ziel des Projektes ist es, eine der größten und vielfältigsten Sammlungen von römischen Flussfunden aus der Mosel bei Trier zu dokumentieren und zu untersuchen, sowohl in der Zusammenstellung als auch in der Sammlungsgeschichte.

Das Projekt in 60 Sekunden: Kurzvideo auf YouTube

Thumbnail mit JProf. Heimerl

Kontakt

JProf. Dr. Ferdinand Heimerl
Klassische und Provinzialrömische Archäologie
Tel. +49 651 201-2431
E-Mail heimerluni-trierde