Wie Kultur in der Wirtschaft mitmischt

Deutsche Kinder lernen früh das Sparen. Ein Klischee? An der Universität Trier wird in verschiedenen Projekten zum Einfluss von kulturellen Aspekten auf das Wirtschaftsleben geforscht.

Bei der Trierer Wissenschaftsnacht „City Campus“ 2019 konnten Interessierte mehr über das Projekt CREATE-ET erfahren und wie die Verwendung von Deutsch beziehungsweise Englisch die Arbeit im Team beeinflusst.

„Es ist gut, dass wir kulturelle Unterschiede im wirtschaftlichen Handeln durch Studien quantifizieren können. Manche Klischees stimmen, manche sind Blödsinn. Mit Zahlen lässt sich das jeweils nüchtern belegen“, sagt Prof. Dr. Marc Oliver Rieger. Wie die kulturelle Prägung wirtschaftliches Handeln beeinflusst, beschäftigt den Trierer Professor für Bank- und Finanzwirtschaft schon länger. Vor einiger Zeit hat Rieger eine viel zitierte Studie veröffentlicht, die zeigte, dass Deutsche weltweit tatsächlich am meisten an die Zukunft denken, wenn es ums Geld geht. Auf Platz zwei landeten die Schweizer. „Es gibt viel Einzelforschung zu Kultur und Wirtschaft, an der Vernetzung dieser Forschung hat es bisher aber gefehlt.“ So hat Rieger gemeinsam mit Prof. Dr. Thorsten Hens von der Universität Zürich/NHH Bergen im Juni 2020 die virtuelle Tagung „Cultural Economics and Finance“ organisiert, an der Wissenschaftler aus der ganzen Welt teilgenommen haben. Die Tagung fand statt im Kontext des Forschungsverbunds „Transkulturalität“ an der Universität Trier, der vom Land Rheinland-Pfalz gefördert wird. In dem Verbund wiederum leitet Marc Oliver Rieger ein Teilprojekt zu Globalisierung und Re-Nationalisierung. Das Projekt untersucht den Einfluss kultureller Unterschiede und deren Änderung im wirtschaftlichen Handeln. „China lebt von der Globalisierung, durch Exporte und Wissenstransfer. Dennoch beobachten wir, dass die Politik dort in vielen Bereichen einen Kurs der Re-Nationalisierung fährt“, sagt Rieger und nennt Internetzensur und Minderheitenpolitik als Beispiele. „Das sehr positive Verhältnis der meisten Chinesen zur Globalisierung wird dadurch zunehmend von Nationalismus überlagert. Viele Deutsche dagegen haben eine negative Einstellung zur Globalisierung, vor allem wenn es um die Wirtschaft geht“, sagt Rieger. Der Einfluss von wirtschaftlicher Globalisierung auf kulturellen Austausch lässt sich auch am Beispiel der „Neuen Seidenstraße“ untersuchen: Im Rahmen dieses großangelegten Infrastrukturprojekts entstand eine von China finanzierte Güterverkehrsverbindung nach Europa. Hatte das Projekt auch Auswirkungen auf den interkulturellen Austausch? „Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass die Neue Seidenstraße nur wenig Auswirkungen auf den kulturellen Austausch, beispielsweise durch Städtepartnerschaften zwischen China und den beteiligten Ländern oder die Gründung von Konfuzius-Instituten, hatte.“

Welche Einflüsse Migration bringt

Verschiedene ostasiatischen Länder und ihre jeweiligen wirtschaftlichen Einstellungen stehen im Mittelpunkt des aktuellen Projekts PANDA (Preferences, Attitudes, Norms and Decisions in Asia), das Rieger gemeinsam mit Prof. Dr. Mei Wang von der WHU - Otto Beisheim School of Management koordiniert. „Ostasien ist eine besonders spannende Region, wenn es um wirtschaftliches Verhalten geht, denn bei gemeinsamen kulturellen Wurzeln gibt es enorme wirtschaftliche und politische Unterschiede zwischen den Ländern. Das macht den Vergleich untereinander und mit Deutschland so spannend“, erklärt Rieger. Das Spektrum der untersuchten Fragen reicht dabei von Unterschieden in der Einstellung zu neuen Technologien bis hin zu kritischem Denken am Beispiel von Fake News. In Zeiten der Globalisierung zieht es Migranten aus Ostasien zum Arbeiten nach Europa. Welche wirtschaftlichen Präferenzen chinesische Einwanderer haben, ist Untersuchungsgegenstand eines Projekts mit Dr. Sumit Deole (TU Dortmund) im Rahmen des Forschungsverbunds „Transkulturalität“. Wirtschaftliche Präferenzen definieren die Forschenden dabei an drei Variablen: Risikobereitschaft, Zeit und Vertrauen. Wie risikobereit Menschen sind, zeigt sich beispielsweise bei privaten Investitionen oder beim Schritt in die Selbstständigkeit. Zeit spielt unter anderem bei der Frage eine Rolle, ob und wenn ja wie lange man Geld spart. Vertrauen in die Sicherheit von Anlagen, die Richtigkeit von Information oder das politische System ist ebenfalls wichtig bei wirtschaftlichem Handeln. „Die Ergebnisse des Projekts sind unter anderem für die politische Diskussion um Migration und deren Effekte auf unsere Wirtschaft von Bedeutung“, sagt Rieger.

Andere Entscheidungen auf Englisch

„Durch Migration werden kulturelle Aspekte im Wirtschaftsleben immer wichtiger“, betont auch Prof. Dr. Katrin Muehlfeld. Die Trierer Professorin für Management, Organisation und Personal forscht ebenfalls an der Schnittstelle zwischen Kultur und Wirtschaft. So hat die Wirtschaftswissenschaftlerin untersucht, welche Effekte Sprache auf Entscheidungen im Arbeitskontext hat. „Sprache ist nicht neutral. Unsere Werte und Normen sind in gewisser Weise auch mit unserer Muttersprache verbunden“, erklärt Muehlfeld. In vielen international aufgestellten Unternehmen ist Englisch die Arbeitssprache. „Wir haben festgestellt, dass sich Menschen anders entscheiden, wenn beispielsweise Verhandlungen oder Meetings auf Englisch und nicht in der Muttersprache geführt werden.“ Konkret konnte sie zeigen, dass Deutsche auf Englisch eher kooperativer agieren als in ihrer Muttersprache. Das heißt, es werden eher Kompromisse geschlossen und man bringt sich mit seinem Know-how stärker in ein Team ein. Bei Niederländern, die sonst eher kooperativ orientiert sind, führt die Verwendung von Englisch zu einem wettbewerbsorientierteren Vorgehen. Sie geben in einem Team weniger eigenes Wissen preis. „Ob Unternehmen mit Mitarbeitenden aus vielen verschiedenen Ländern weiter auf Englisch bei wichtigen Entscheidungen setzen oder doch mit Übersetzungen arbeiten, ist abzuwägen. Wir wissen, dass die Verwendung von Englisch auch dazu führen kann, dass Entscheidungen weniger emotional getroffen werden. Letztlich ist es wichtig, dass man sich als Führungskraft darüber bewusst ist, welche Einflüsse die Sprache hat“, sagt Muehlfeld. In einigen Unternehmen in Luxemburg sprechen Mitarbeitende in Meetings in ihrer jeweiligen Muttersprache. „Das funktioniert natürlich nur, da viele Luxemburger sehr multilingual sind. Auch wenn man eine Sprache nicht verhandlungssicher beherrscht, so versteht man doch genug, um dem Kollegen oder der Kollegin folgen zu können.“ Eben diese Sicherheit bei der Verwendung einer Fremdsprache kann wiederum Auswirkungen haben, wie sehr man sich selbst in ein Meeting einbringt. „Wahrscheinlich kennen die meisten von uns Beispiele aus ihrem Umfeld: Manche Personen beherrschen eine Fremdsprache nahezu perfekt, haben aber nicht das notwendige Selbstbewusstsein, diese auch zu sprechen. Sie halten sich in Meetings, in denen in einer Fremdsprache fachliche Fragen diskutiert wird, daher auch eher zurück.“ Die Trierer Wissenschaftlerin konnte in Studien nachweisen, dass Persönlichkeitsmerkmale hier eine starke Rolle spielen.

Fremdsprache fördert Kreativität 

Auch wenn von Teams, beispielsweise in Medienagenturen oder bei der Entwicklung neuer Produkte, Kreativität gefragt ist, hat die Sprache Einfluss. Seit Anfang 2019 untersucht die Professur für Management, Organisation und Personal im Verbundprojekt CREATE-ET gemeinsam mit der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin den Einfluss eines englischsprachigen Kontexts auf kreative Prozesse und Ergebnisse in Teams. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Ein Blick in ein Hightech-Startup in Wuhan (China): Kulturelle Unterschiede lassen sich auf den ersten Blick kaum erkennen. Foto: Mei Wang

„Die Verwendung einer Fremdsprache kann kreativitätsfördernd sein. Weiß man ein englisches Wort nicht, muss man um die Ecke denken und umschreibt es“, erklärt Muehlfeld. Gerade sind sie und ihr Team dabei, letzte Auswertungen zu machen und die Abschlusspublikationen vorzubereiten. Die Forschenden interessieren sich sowohl für kreative Prozesse in Teams, die mit Sprache arbeiten, als auch für solche, bei denen illustrative Techniken und Skizzen verwendet werden. Um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, wurden Befragungen und Experimente durchgeführt. Bei letzteren wurden erfolgreiche Teams mit einem Geldbeitrag belohnt. „Mithilfe dieser monetären Anreize konnten wir sicherstellen, dass die Teilnehmenden ein ehrliches Interesse daran haben, im Team zu einem guten Ergebnis zu kommen.“

Mehr Forschung zu Wirtschaft und Kultur

Katrin Muehlfeld will auf jeden Fall an dem Thema dranbleiben. In Kooperation mit der ESCP plant sie die Fragestellungen aus dem CREATE-ET Projekt auch für Teams, deren Muttersprache zum Beispiel Französisch oder Italienisch ist, zu untersuchen. Auch Marc Oliver Rieger hat gemeinsam mit Wissenschaftlern anderer Fächer an der Universität Trier vor, weitere Anträge für Projekte zu schreiben, die kulturelle und wirtschaftliche Aspekte in Europa und Ostasien in den Blick nehmen. „Gerade an der Universität Trier mit ihrer starken Forschung in den Wirtschafts- und Ostasienwissenschaften sind wir hier sehr gut interdisziplinär aufgestellt, um das Thema umfassend aus vielen Perspektiven zu erforschen.“ Für 2021 plant Rieger die zweite Auflage der Tagung „Cultural Economics and Finance“. Wenn möglich, soll sie diesmal vor Ort in Trier stattfinden.

Foto: Matthias Nöckel

Kontakt

Prof. Dr. Katrin Muehlfeld
Betriebswirtschaftslehre
Mail: muehlfeld@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-2682

Prof. Dr. Marc Oliver Rieger
Betriebswirtschaftslehre
Mail: mrieger@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-2721