An der Universität Trier ist unter Leitung des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Marc Oliver Rieger ein neues Forschungscluster entstanden, das sich im Zusammenhang mit Fragen der Globalisierung und Renationalisierung unter anderem mit der „Neuen Seidenstraße“ befasst. Unterschiedliche Facetten dieses großangelegten Infrastrukturprojekts Chinas beleuchteten Experten aus ganz Deutschland bei einem Workshop unter Leitung von Prof. Xenia Matschke, Prof. Marc Oliver Rieger und Dr. Lea Shih.
Prof. Hans-Jörg Schmerer (Universität Hagen) untersuchte die wirtschaftliche Bedeutung der neuen Güterzüge, die von China nach Europa - insbesondere nach Duisburg - fahren, für deren Zielregionen. Diese sind nicht unerheblich: Modellrechnungen ergeben für Duisburg und Umgebung bis zu 50.000 Arbeitsplätze, die im Zuge der Initiative zumindest zeitweise entstanden. Dabei sind sämtliche indirekten Effekte auf die lokale Wirtschaft berücksichtigt. Trotzdem fällt dieser Effekt immer noch viel kleiner aus, als es bei dem Transport über das Meer der Fall ist: Piräus und Umgebung profitierten vom Ausbau des dortigen Hafens durch China in viel größerem Umfang. Der Grund für diesen Unterschied liegt in dem trotz beeindruckender Wachstumsraten nach wie vor recht kleinen Anteil des Handels mit China, der per Zug abgewickelt wird.
Entlegene Länder werden verbunden
Nur etwa ein bis zwei Prozent des Handels werden per Zug abgewickelt. Darauf verwies Prof. Markus Taube von der Universität Duisburg-Essen. Auch wenn der Transport per Bahn weniger als halb so lange braucht wie ein Transport per Schiff und als der sicherste Transportweg gilt, so ist er eben auch doppelt so teuer. Deshalb werden nur hochwertige Produkte, insbesondere Autoteile, per Zug transportiert. Markus Taube sieht die Bedeutung der „Neuen Seidenstraße” denn auch weniger in einem Transportweg von China nach Europa, als in einem Auslöser für Transformationen entlang der Strecke. Länder Osteuropas und Zentralasiens, die vormals weitab von den globalen Handelsketten lagen, haben nun die Möglichkeit, sich sowohl mit China als auch mit West-Europa zu verbinden.
In diesen Ländern werden gerade ganze Industriezonen nach chinesischem Vorbild errichtet – unter chinesischer Leitung. Die Übernahme des chinesischen Wirtschaftsmodells leitet inzwischen eine allmähliche Transformation hin zu „chinesischeren” Institutionen ein. Für die meist schwach entwickelten Länder ist das mit einem großen Effizienzgewinn verbunden. Es führt aber natürlich auch zu großen Abhängigkeiten von China und seinem politischen System. China versucht diesen Trend aktiv zu verstärken, zum Beispiel durch die Gründung eines International Commerce Courts, wie Dr. Daniel Sprick (Universität Köln) erläuterte.
Mehr direkte Investitionen
Eine andere wirtschaftliche Entwicklung sorgt in Deutschland und anderen europäischen Ländern für Unbehagen: die Zunahme von Direktinvestitionen Chinas in Europa und Zentralasien. Prof. Paul Welfens und Tian Xiong vom European Institute for International Economic Relations stellen jedoch fest, dass das Volumen tendenziell nicht mehr steigt. Dies kann auf die aktuell stagnierende wirtschaftliche Entwicklung Chinas oder auf größere politische Beschränkungen auf beiden Seiten zurückzuführen sein.
Einen Blick auf die Ostsee-Region und das Polarmeer warf Dr. Josie-Marie Perkuhn (Universität Kiel). Auch hier hat sich das Engagement Chinas in den letzten Jahren intensiviert, auch wenn die Region eigentlich nicht im primären Fokus Chinas liegt. Neben großen Infrastrukturmaßnahmen (z.B. einen Tunnel zwischen Estland und Finnland) gibt es auch viele strategische Investitionen in Firmen sowie Kooperationen, teils militärischer Art, mit Russland.
Kontakt
Prof. Marc Oliver Rieger
Forschungsverbund „Transkulturalität und ihre Grenzen: Wechselbeziehungen zwischen Schlüsselregionen in Europa und Ostasien”
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