„Gut gemacht!“

Ehrliches Lob oder verkappte Kritik? Die Phonetik der Universität Trier forscht zu den feinen Zwischentönen gesprochener Sprache. Zwei Beispielprojekte.

Durch Ultraschall können die Bewegungen der Zunge im Mund während des Sprechens untersucht werden.

Wer kennt sie nicht? Personen im Familien- oder Bekanntenkreis, die nur so vor Ironie sprühen. Kaum etwas, was sie sagen, meinen sie so, wie sie es sagen. War es nun Ironie oder nicht? „Anhand von Oszillogrammen und Sonagrammen können wir sehen, wenn jemand ironisch oder aufrichtig spricht. Wer etwas ironisch meint, spricht in der Regel etwas tiefer, etwas leiser und braucht etwas länger, um den Satz oder das Wort auszusprechen“, erklärt Sophia Fünfgeld. Bereits in ihrer Masterarbeit hat sie sich mit Ironie beschäftigt. Konkret ging es um die Frage, ob ältere Menschen die Ironie von jüngeren verstehen. Für ihre Dissertation untersucht die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Phonetik der Universität Trier nun, ob Ironie von Personen einer deutschen Sprachregion auch bei Personen einer anderen Region ankommt. „Wir konnten zeigen, dass sich ältere Menschen schwerer damit tun, Ironie bei jüngeren Sprechern zu identifizieren, als dies bei gleichaltrigen Hörern der Fall ist“, fasst Fünfgeld die Forschungsergebnisse zusammen. Für ihre Untersuchung hat sie Sprachproben verschiedener Personen ohne spezielle Sprecher- beziehungsweise Schauspielausbildung verwendet. Ein und dasselbe Wort kann je nach Kontext ironisch oder aufrichtig gemeint sein, zum Beispiel die Äußerungen „Super“ oder „Schade“. „In den sozialen Medien trifft man überall auf Ironie. Das könnte einer der Gründe sein, warum jüngere Menschen deutlich häufiger Ironie verwenden als ältere“, so die Trierer Phonetikerin. Omas und Opas empfiehlt sie daher, mit deutlich mehr Ironie bei den Enkelkindern zu rechnen. Wer auf Ironie gefasst ist, versteht sie auch besser.

Was die Stimme über Angeklagte verrät

Doch nicht nur für die bessere Verständigung zwischen den Generationen sind die Forschungsergebnisse relevant. „Unsere Forschung ist vor allem auch forensisch motiviert“, sagt Prof. Dr. Angelika Braun. „Wir untersuchen in verschiedenen Forschungsprojekten, ob Merkmale der gesprochenen Sprache typisch für eine Person sind. Diese sprechertypischen Merkmale sind für die forensische Begutachtung besonders interessant.“ Die Trierer Phonetikerin hat vor ihrer Laufbahn als Professorin als Sachverständige beim Bundeskriminalamt und Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen gearbeitet. Auch in den vergangenen Jahren hat sie Gutachten für Gerichtsprozesse geschrieben. „Es kann entscheidend für das Strafmaß sein, ob der Satz „Ich bring dich um“ als Morddrohung zu verstehen ist oder nur im Spaß gesagt wurde“, erklärt die Phonetikerin. In einem von Brauns Fällen lag das Video einer Überwachungskamera vor. Auf ihm war die Straftat, bei der Steine auf eine Autobahn geworfen wurden, nicht zu sehen, sondern nur verrauscht zu hören. War es nun ein Mordversuch oder ein böser Kinderstreich?

In der akustischen Analyse werden die Unterschiede deutlich: Wenn das Wort „super“ ironisch gemeint ist (rechts), wird es häufig etwas tiefer, leiser und langsamer ausgesprochen als bei der ernsthaft gemeinten Äußerung (links).

„Man darf sich nicht zu sehr auf das Inhaltliche konzentrieren“, verrät Braun. „Vielmehr kommt es auf die Zwischentöne an, wie etwas gesagt wird.“ Diese Fokussierung auf die kleinen Merkmale unserer Sprache bringt sie auch ihren Studierenden bei. Vieles an Stimme und Aussprache ist typisch für eine Person. Manche Menschen neigen dazu, Wörter zu verbinden. Andere verwenden häufig Verlegenheitslaute wie „äh“ oder „ähm“. „Wir Phonetiker können uns die 90-minütige Livereportage eines Fußballspiels anhören, ohne viel von der Partie mitzubekommen. Stattdessen können wir danach genau sagen, woher der Reporter kam und welche sprachlichen Besonderheiten er hat“, sagt Braun lachend.

Wenn Luxemburger Deutsch sprechen

Auch wenn man sich noch so anstrengt, kann man einige dieser sprachlichen Besonderheiten nicht wegbekommen. Ein Beispiel ist die Intonation. „Babys bekommen schon sehr früh die Sprachmelodie ihrer Eltern mit und ahmen diese nach“, erklärt Dr. Judith Manzoni. Für ihre Dissertation hat sie die luxemburgische Intonation untersucht – ein bisher sehr wenig erforschtes Thema. „Die Sprachmelodie ist etwas sehr Intuitives und nicht ganz einfach zu erforschen.“ Eine Herausforderung bestand darin, dass die Personen in ihrem Experiment möglichst natürlich sprechen. Deshalb ließ sie ihre Probanden unter anderem das Gesellschaftsspiel Scotland Yard spielen, in dem die Teammitglieder durch Absprachen und gemeinsames Rätseln eine gesuchte Person finden müssen. Gesprochen wurde bei dem Spiel zuerst Luxemburgisch, dann Deutsch und dann Französisch. „Auch wenn Luxemburger fast akzentfrei Deutsch sprechen, kann man an ihrer Intonation hören, woher sie kommen. Die eigene Sprachmelodie nehmen sie mit ins Deutsche oder auch eine beliebige andere Sprache“, sagt Manzoni. Sie selbst ist halb Luxemburgerin, halb Deutsche. In ihrem Freundeskreis ist ihre Forschung zum luxemburgischen „Singsang“ ein beliebtes Thema. „Es schwingen immer Emotionen mit, wenn es um die eigene Sprache geht.“

Siri und Alexa müssen uns verstehen können

Doch was sind nun die Unterschiede in der luxemburgischen und deutschen Intonation? Sechs verschiedene Muster hat Manzoni herausgearbeitet. Nicht alle sind mit Worten einfach zu beschreiben. Besser sind sie zu hören. Beispielsweise steigen Luxemburger bei Aufzählungen mit der Stimme an und fallen dann wieder auf eine mittlere Tonhöhe ab. Bei Deutschen findet dieser Abfall in der Form nicht statt. „Auch wenn man sich die Sprachmelodie einer Fremdsprache nie hundertprozentig aneignen wird können, ist es wichtig, dass man weiß, dass es diese Unterschiede gibt, um Missverständnisse zu vermeiden“, sagt Manzoni. Aber auch für die Entwicklung von Sprachassistenzsystemen wie Siri oder Alexa sind die Erkenntnisse von Bedeutung. Aus Sicht der forensischen Phonetik hilft die Intonation dabei, beispielsweise Kriminelle an der Sprache in ihren Erpressungsanrufen zu identifizieren und zu überführen. Neben Fragestellungen, die für die Forensik relevant sind, forscht die Trierer Phonetik auch zu physiologischen Fragen. Beispielsweise wird untersucht, was die Zunge im Mund macht, wenn man gerade nicht spricht. Ruht sie komplett oder bereitet sie bereits den nächsten Laut vor? Für diese und andere Forschungsfragen arbeiten die Phonetikerinnen mit Ultraschallgeräten und elektromagnetischen Artikulographen, welche die Bewegungen der Zunge von Probanden aufzeichnen. „Ich bin gespannt, wie sich die Forschungsschwerpunkte weiter entwickeln werden“, sagt Angelika Braun, die 2021 in den Ruhestand geht.

Foto: Dr. Hans-Gerd Pieper

Kontakt

Prof. Dr. Angelika Braun
Phonetik
Mail: brauna@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-2255