Bei einwöchiger Studienfahrt den Ort des Terrors erkundet
In der Woche vom 10. bis 17. Oktober 2021 organisierte der Arbeitskreis „Erinnerung der Großregion e.V.“ in Kooperation mit dem Referat für Antifaschismus und Antirassismus des AStA der Universität Trier eine einwöchige Gedenkstättenfahrt ins Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau, die zum dritten Mal von Thomas Grotum (Neuere und Neueste Geschichte) wissenschaftlich begleitet wurde. An der Fahrt haben 22 Studierende aus allen Fachbereichen der Universität Trier teilgenommen.
„Wer sich an die Geschichte nicht erinnert, wird sie noch einmal durchleben müssen.“ Das Zitat des spanischen Philosophen George Santayana am Eingang des Blocks 4 der Gedenkstätte Auschwitz stellt eine Mahnung an die kommenden Generationen dar, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten. Daher haben sich die Trierer Studierenden mit wissenschaftlicher Begleitung von Thomas Grotum mit der Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, das zum Inbegriff der Shoah und des Rassenwahns, der zur Ermordung von insgesamt sechs Millionen europäischen Juden führte, wurde, eine Woche lang auseinandergesetzt.
Aus unterschiedlichen Blickwinkeln
„Im Rahmen der Gedenkstättenfahrt wurden Teilnehmenden zahlreiche verschiedene Zugangsweisen zum Thema ‚Auschwitz‘ eröffnet“, so Leon Stein, einer der Teilnehmenden der Studienfahrt. „Sowohl die Besuche der Gedenkstätte selbst als auch die Besichtigungen entsprechender nationaler Museumsausstellungen waren ausgesprochen eindrucksvoll und lehrreich.“ Ein großes Anliegen von Dr. Thomas Grotum war es, die komplexe Geschichte des Lagers aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu zeigen. So haben die Studierenden die beiden Standorte der Gedenkstätte – das Stammlager sowie das Gelände des über 100 Hektar umfassenden Konzentrations- und Vernichtungslagers in Birkenau – jeweils im Rahmen einer Führung besucht.
Zur Exkursion gehörte auch eine mehrstündige Erkundungsfahrt durch das etwa 40 Quadratkilometer umfassende ehemalige „Interessengebiet des KL Auschwitz“. Jan Parcer, als ehemaliger stellvertretender Archivleiter ein ausgesprochener Experte der Geschichte von Auschwitz, erläuterte die Bedeutung und Funktion zahlreicher Gebäude für das ehemalige Lager, an denen man ansonsten einfach vorbeigefahren wäre.
Erschreckende Eindrücke
Die Teilnehmerin Jasmin Fleischer beschreibt ihre Eindrücke wie folgt: „Während der ersten Führung am Montag in Auschwitz I (Stammlager) habe ich mich die ganze Zeit gewundert, wie sie es an diesem Ort geschafft haben, so viele Menschen umzubringen. Bis mir klar wurde, dass es noch ein Auschwitz II (Birkenau) in ca. 3 km Entfernung gab und ein Auschwitz III (Monowitz) sowie 45 bis 50 Außenlager. Es ist erschreckend. Besonders weil wir auch an der Stelle standen, an der ein Lagerarzt die ankommenden Transporte selektiert hat: Die Jungen, Gesunden und Arbeitsfähigen nach rechts und Frauen mit Kindern, Ältere, Kranke und Nicht-Arbeitsfähige nach links. Links bedeutete den Vergasungstod.“
Die Beobachtungen der Teilnehmenden hat Thomas Grotum während der abendlichen Besprechungsrunden in den Kontext der NS-Geschichte eingeordnet und ihnen Einblicke in aktuelle Forschungsdebatten vermittelt. Dabei konnten die Teilnehmenden ihre eigenen Interessensschwerpunkte vorstellen und diskutieren. Jasmin Fleischer berichtete den anderen Teilnehmenden von ihrem schulischen Forschungsprojekt, in dem sie die Biografien der ehemaligen jüdischen Schüler ihrer Schule, Erich und Richard Kaufmann, recherchiert hat.
Einsicht in Dokumente
Die Arbeit mit Quellenkopien im Archiv der Gedenkstätte hat anschaulich die Bürokratie der Vernichtung verdeutlicht. In den Häftlingspersonalakten wurden präzise die persönlichen Merkmale der Häftlinge bis zur Anzahl der (goldenen) Zähne erfasst. Die Teilnehmenden haben die verschiedenen Dokumente wie z. B. die täglichen Zugangslisten, die Kommandanturbefehle, die Häftlingspersonalakten, Strafmeldungen sowie die Sterbeurkunden der Kinder zur Einsicht bekommen.
Eine Führung von Jerzy Dębski durch die ausgestellten Kunstwerke der Häftlinge hat auch solche Themen wie „Kunst im KL Auschwitz“ aufgegriffen. Die Kunsttätigkeit hat mehreren Häftlingen nicht nur einen Rückzug aus dem Schrecken des Alltags ermöglicht, sondern sicherte das Überleben. Eindrucksvoll war der Besuch der Ausstellung des ehemaligen Häftlings und Bühnenbildners Marian Kołodziej im Franziskanerkloster in Harmęże.
Bewusstsein für jüdische Kultur
Eine Exkursion nach Krakau hat den Teilnehmenden Abstand zum Thema ermöglicht. Gerade die Führung durch das ehemalige jüdische Viertel hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Präsenz der jüdischen Kultur und des jüdischen Lebens in Krakau vor dem Zweiten Weltkrieg zu fördern.
„Diese Woche wird mich noch mein ganzes Leben lang beschäftigen! Auch wenn wir vieles über Auschwitz schon gehört haben, bevor wir die Fahrt antraten, waren wir doch alle überrascht und tief betroffen, als wir die schlussendlichen Dimensionen mit eigenen Augen sehen konnten”, fasste Teilnehmerin Helena Mahn die Eindrücke zusammen.
Aufgrund der positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden und des sehr hohen Interesses wird diese Gedenkstättenfahrt auch zukünftig wieder für Studierende der Universität Trier angeboten.
Zur vollständigen Version des Textes.
Kontakt
Dr. Thomas Grotum
Geschichte
Mail: grotumuni-trierde
Tel. +49 651 201-2174