In den 90er-Jahren war noch durchschnittlich jeder fünfte Beschäftigte Gewerkschaftsmitglied. Heute sind es zwischen 16 und 17 Prozent. „Die Mitgliedszahlen wären vielleicht noch weiter gesunken, hätten wir in den vergangenen Jahren nicht immer wieder Wirtschaftskrisen erlebt“, sagt Laszlo Goerke, Professor für Personalökonomik an der Universität Trier. Unter anderem durch den Vergleich von regionalen Arbeitslosenzahlen mit den Angaben von Beschäftigten in einer Langzeitbefragung gelang es den Wirtschaftswissenschaftlern zu zeigen, dass Arbeitsplatzunsicherheit die Menschen bewegt, in Gewerkschaften einzutreten.
Verunsicherung durch Werksschließung
Zudem zogen die Forscher für ihre Studie die Aussagen der Befragten heran, wie groß ihre Angst ist, ihren Job zu verlieren. „Arbeitsplatzunsicherheit ist auch eine subjektive Empfindung“, erklärt Goerke. Um ihr Ergebnis zusätzlich zu validieren, werteten die Studienautoren den Zusammenhang zwischen Medienberichten über Arbeitsplatzabbau und der medialen Präsenz von Gewerkschaften aus. Da Medien während Arbeitsmarktkrisen verstärkt über Gewerkschaften berichten, könnten sich mehr Menschen von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft angesprochen fühlen. „Auch wenn ich selbst nicht betroffen bin, kann mich eine Werksschließung in meiner Nähe durchaus verunsichern und zum Eintritt veranlassen.“
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die empfundene Arbeitsplatzunsicherheit über alle sozialdemographischen Merkmale hinweg Auswirkungen auf die Entscheidung für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft hat. Oder anders gesagt: Es scheint keinen Unterschied bei Beschäftigten verschiedener Branchen, Männern und Frauen oder Jüngeren und Älteren zu geben.
In anderen Ländern anders aufgestellt
Der Direktor des an der Universität Trier angesiedelten Instituts für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Union (IAAEU), Laszlo Goerke, ordnet die Ergebnisse der Studie auch aus der europäischen Perspektive als interessant ein. Gewerkschaften sind in verschiedenen Ländern unterschiedlich aufgestellt und nehmen teilweise noch andere Aufgaben als in Deutschland war. Die Gründe für einen Eintritt in eine Gewerkschaft sind daher oftmals andere.