Zwischenbericht zu sexuellem Missbrauch im Bistum Trier vorgelegt
Forschende der Uni Trier decken Fälle in der Amtszeit von Bischof Spital (1981–2001) auf. Außerdem wurde der Umgang der diözesanen Leitung mit den Fällen untersucht.
Seit eineinhalb Jahren forscht ein Team von Historikerinnen und Historikern an der Universität Trier zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen sowie hilfs- und schutzbedürftigen Erwachsenen durch Kleriker und Laien im Bistum Trier im Zeitraum von 1946 bis 2021. Nun haben die Forschenden ihren zweiten Zwischenbericht veröffentlicht, der die Fälle in der Amtszeit von Bischof Hermann Josef Spital (1981–2001) beleuchtet. Das Projektteam – bestehend aus Prof. Dr. Lutz Raphael, Dr. Lena Haase und Alisa Alić – hat in dem Zeitraum 49 Beschuldigte und Täter sowie 194 Betroffene identifiziert. Darunter sind auch bisher unbekannte Fälle, die dem Forschungsteam aber nicht dem Bistum gemeldet wurden. „Wir gehen davon aus, dass die Fälle im Dunkelfeld noch höher sind“, sagt Prof. Dr. Lutz Raphael.
Die Ergebnisse des Berichts basieren auf der Auswertung von 1.035 Akten vor allem des Bistums, aber auch anderer Herkunft, sowie aus 20 Gesprächen mit Betroffenen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Die Studie spricht von 14 „Mehrfach- und Intensivtätern“, die über mehrere Jahre Personen sexuell missbraucht haben. Gegenüber seinem Vorgänger, Bischof Stein, ging in der Amtszeit von Bischof Spital die Zahl der Betroffenen geringfügig zurück. Eine merkliche Abnahme der Fälle begann aber erst in den frühen 1990er Jahren. Bis 1990 ist im Durchschnitt noch jeder neunte zum Priester Geweihte des Bistums Trier als Beschuldigter auffällig geworden.
Fallstudien
Ein Fokus des Forschungsprojekts lag darauf, anhand von Fallstudien zu beschreiben, wie die Verantwortlichen im Bistum mit den Missbrauchsfällen umgegangen sind. Dr. Lena Haase fasst das Ergebnis zusammen: „Die damalige Bischofsleitung war weit entfernt von den heute im Bistum geltenden Handlungsregeln. Milde hat den Umgang der Bistumsleitung mit den Beschuldigten bestimmt.“
Die Kombination aus strafrechtlicher Verurteilung, Psychotherapie und schrittweiser Rückführung in den Beruf über die Anstellung in anderen Berufsfeldern, der Krankenhaus- und Altenseelsorge und schließlich der aushilfsweisen oder auch vollständigen Rückkehr in die Pfarrseelsorge scheint mit Blick auf die Verhinderung weiterer Missbrauchstaten bei knapp zwei Drittel der Beschuldigten erfolgreich gewesen zu sein. Wie auch bei seinem Vorgänger wurden in der Amtszeit von Bischof Spital straffällig gewordene Priester in andere Länder und an andere Stellen versetzt. Eine gezielte Vertuschung im Sinne des Versuches, Täter aus dem eigenen Bistum zu entfernen, ohne am neuen Einsatzort über deren Vorgeschichte zu informieren, lässt sich seitens der Bistumsverantwortlichen lediglich in einem Fall feststellen.
Die Untersuchung zeigt, dass im Bistum Trier für die Aufklärung intern Sorge getragen wurde, während die Anzeige und Information staatlicher Stellen vollständig vernachlässigt wurde. Persönlich war Bischof Spital mit mindestens 13 Fällen befasst. Dabei ging er neue Wege der pastoralen Verantwortung, führte Gespräche mit Eltern betroffener Minderjähriger und kümmerte sich um die Belange der Betroffenen.
Universitätspräsidentin Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer unterstreicht die Expertise der Trierer Forschenden bei der Untersuchung historischer Strukturen: „Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Forschungs- und Dokumentationsstelle SEAL an der Universität Trier haben viel Erfahrung in der Erforschung mehrdimensionaler, geschichtlicher Themen und Zusammenhänge und leisten hier einen wichtigen Beitrag für die Aufarbeitung.“
Zeitzeug*innen gesucht
Bis Ende 2025 werden die Forschenden der Universität Trier noch Fälle sexuellen Missbrauch untersuchen, die in die Zeiträume von 1946 bis 1966 sowie von 2002 bis 2021 fallen. Um ein möglichst umfassendes Bild zu gewinnen, will die Forschungsgruppe über die Auswertung verfügbarer Akten hinauskommen. Dazu sind Gespräche mit Betroffenen sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen (Eltern, Geschwister und Freunde von Betroffenen, Angestellte im Bistum und den Gemeinden sowie Gemeindemitglieder) von großer Bedeutung. „Es ist uns bewusst, dass es schwierig sein kann, über diese Erfahrungen zu sprechen und uns als fremde Personen ins Vertrauen zu ziehen. Wir würden uns freuen, wenn uns weitere Personen ihr Vertrauen schenken und somit dazu beitragen, sexuellen Missbrauch und sexualisierte Gewalt im Bistum Trier umfassend und detailliert aufarbeiten zu können“, sagt Lena Haase.