Meine Pflegekraft ist ein Roboter!

In der Pflege fehlt es an Personal. Neue Technologien lassen auf ein wenig Erleichterung in dem anstrengenden Job hoffen. Doch wie fühlt es sich für die Fachkräfte an, wenn sie bald robotische Unterstützung bekommen könnten?

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt zeigte uns das Fernsehen Bilder von humanoiden Robotern, die durch japanische Altenheime rollen. Man könnte meinen, dass Roboter in der Pflege mittlerweile weit verbreitet sind. Wenn sie das hört, muss Ana Nanette Tibubos lachen. Als Professorin für Diagnostik in der Gesundheitsversorgung und E-Health an der Universität Trier beschäftigt sie sich schon länger mit technischen Unterstützungslösungen in der Pflege. Jüngst hat die Trierer Pflegewissenschaft einen „Pepper“ bekommen. So heißt das menschenähnliche Robotermodell mit seinen spiegelnd weißen Oberflächen auf drei Rädern. Ausgestattet mit zwei HD-Kameras und vier Mikrofonen kann der vorschulkindgroße Roboter die Mimik und Gestik analysieren und entsprechend reagieren. Zumindest in der Theorie. „Häufig kommt es beim Einsatz von Pepper zu Fehlermeldungen“, beschreibt Tibubos die Erfahrungen. Das mag einer der Gründe sein, warum intelligente Roboter in der Pflege in Deutschland bisher nur in Pilotprojekten zum Einsatz kommen. In Asien ist man da teils schon weiter, weiß Tibubos. „Deutschland gilt allgemein eher als Technik-skeptisch. Geschweige denn verfügen alle Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen über ein in allen Bereichen ausgebautes sicheres WLAN, das für die Roboter von Nöten wäre.“

Pflegeroboter am Krankenbett
Noch sind humanoide Roboter in der Pflege eher Zukunftsmusik.

Aus anderen Anwendungsfeldern wie der Fertigung weiß man, wie wichtig Vertrauen und Emotion für den erfolgreichen Einsatz von Robotern ist. Für die Pflege gibt es hier bisher kaum Wissen. Das möchte die Trierer Pflegewissenschaftlerin gemeinsam mit Anna-Sophie Ulfert-Blank, Assistenzprofessorin für Organizational Behavior and Artificial Intelligence an der Eindhoven University of Technology, ändern. „Wir betreiben Grundlagenforschung. Unsere Ergebnisse könnten in die Entwicklung der Roboter einfließen, um die Akzeptanz bei Pflegekräften wie Gepflegten zu erhöhen“, steckt Ana Nanette Tibubos das Ziel ab. Den beiden Forscherinnen geht es darum, einen theoretischen Rahmen zu entwickeln, der die vielschichtigen Interaktionsbeziehungen speziell für die stationäre Alten- und Krankenpflege abbildet.

Hier wird es wahrscheinlich wichtig sein, die Einsatzfelder von Robotern in der Pflege differenziert zu betrachten. In den wenigen bisher durchgeführten Pilotprojekten helfen Roboter Patientinnen und Patienten aktuelle Informationen zu bekommen oder unterhalten im Altenheim bei Musik- oder Märchenstunden. Regelmäßige Tätigkeiten, wie das Servieren von Essen oder die Ausgabe von Medikamenten, sind weitere Einsatzmöglichkeiten. Doch gerade bei letzterem wird es wieder kompliziert: Wie zuverlässig können Roboter das übernehmen? Was wenn der Roboter die falschen Medikamente gibt? Was wenn sich jemand weigert, die Medikamente zu nehmen? Ana Nanette Tibubos kann sich vorstellen, dass es für Pflegekräfte wie Patientinnen und Patienten insbesondere eine Erleichterung wäre, wenn Roboter bei schambehafteten Tätigkeiten unterstützen. Dazu gehört beispielsweise der Gang zur Toilette oder die Intimwäsche. Denn diese Tätigkeiten gehen oft mit einem Schamgefühl von Seiten der Gepflegten einher. Eine weitere Aufgabe, bei der Pflegekräfte sicher über robotische Assistenz dankbar wären, ist die Unterstützung bei schweren körperlichen Tätigkeiten. Bereits heute helfen mancherorts überdimensionale Roboterarme beim Heben von Personen mit eingeschränkter Mobilität aus ihren Betten.

Professorin Tibubus mit einem Pfleger am Krankenbett.
Prof. Dr. Ana Nanette Tibubos im SkillsLab der Universität Trier: Hier lernen Studierende auch neuen Methoden und Ansätzen in der Pflege kennen.

Niedliche Roboter machen weniger Angst

In ihrem Projekt wollen die beiden Wissenschaftlerinnen aber vor allem zu humanoiden Robotern forschen. Ihre Studie ist international ausgerichtet. Die Forscherinnen wollen in qualitativen Interviews Pflegekräfte aus vier Ländern befragen, die in unterschiedlichen Bereichen der Pflege arbeiten. „Welche Emotionen Pflegekräfte bei der Interaktion mit Robotern haben, hängt wahrscheinlich auch mit der Art ihrer Ausbildung zusammen“, mutmaßt Tibubos. Gerade im Studium der Pflegewissenschaft kommen die angehenden Fachkräfte mit neuen Methoden und Ansätzen in Kontakt. Diese werden in der klassischen Berufsausbildung eher weniger vermittelt. Basierend auf Ergebnissen der Emotionsforschung vermutet die Trierer Professorin, dass vor allem beim ersten Kontakt mit den humanoiden Robotern negative Emotionen überwiegen könnten. „Negative Gefühle sind einfacher zu erzeugen als positive. Es kommt nicht von ungefähr, dass humanoide Roboter oft so gestaltet sind, dass wir sie niedlich finden. Wenn Roboter zu sehr Menschen ähneln, wirkt das eher unheimlich auf uns.

Im zweiten Schritt planen die Forscherinnen weitere Befragungen, unter anderem von Patientinnen und Patienten, Angehörigen sowie anderen Gesundheitsfachkräften wie Physiotherapeutinnen und -therapeuten, mit denen Pflegekräfte interprofessionell zusammenarbeiten. Außerdem soll eine Analyse von konkreten Interaktionen zwischen Mensch und Roboter in der Pflege durchgeführt werden. „Es ist gar nicht so leicht, vergleichbare Situationen zu schaffen, die wir durch Beobachtungsstudien analysieren können“, sagt Ana Nanette Tibubos. Die Herausforderung liege unter anderem darin, dass die Roboter nach wie vor nicht vollkommen zuverlässig und noch lange nicht so intelligent in der Kommunikation und Zusammenarbeit mit Menschen sind. Nichtsdestotrotz sind die Wissenschaftlerinnen optimistisch, dass sie am Ende ein belastbares theoretisches Modell darüber haben, welche Emotionen Roboter in der Pflege auslösen. Auch Piloteinrichtungen, in denen bereits Roboter eingesetzt werden, wolle man praktische Hinweise zur Mensch-Roboter-Interaktion geben. Sicher ist: Es wird zukünftig mehr Roboter in der Pflege geben, aber wie und in welchen Bereichen diese eingesetzt werden, entscheiden nicht zuletzt die Pflegekräfte sowie die Patientinnen und Patienten. Mit ihrer Forschung wollen die beiden Wissenschaftlerinnen dazu beitragen, dass die Meinungen und Empfindungen der Fachkräfte und Gepflegten mit in die Entwicklung einfließen.

Kontakt

Prof. Dr. Ana Nanette Tibubos
Fachbereich I - Pflegewissenschaft
Mail: tibubosuni-trierde
Tel. +49 651 201-1904