Kein struktureller Rassismus bei der rheinland-pfälzischen Polizei

Nach rund drei Jahren Forschungsarbeit stellten Forschende der Universitäten Trier und Mainz gemeinsam mit Innenminister Michael Ebling die Studie vor.

Nachdem der US-amerikanische Zivilist George Floyd durch Polizeigewalt starb, gab es auch in Deutschland eine intensive öffentliche Diskussion über strukturellen Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung durch die Polizei. Die damit verbundene Forderung nach mehr Transparenz und kritischer Betrachtung begegnete das rheinland-pfälzische Innenministerium mit einer Studie.

Innenminister Michael Ebling und Prof. Dr. Martin Endreß bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der INSIDER-Studie. Foto: Innenministerium RLP

„Das von 2021 bis 2024 durchgeführte Forschungsprojekt ist die größte jemals in Rheinland-Pfalz durchgeführte Studie zur Polizei. Rheinland-Pfalz ist eines von wenigen Ländern, das sich neben der Beteiligung an der bundesweiten Polizeistudie mit einer eigenen Landesstudie dieser umfassenden wissenschaftlichen Beobachtung geöffnet hat“, sagte Innenminister Michael Ebling. Die Studie sei mit 622.000 Euro vom Ministerium des Innern und für Sport gefördert worden. 

„Innere Sicherheit und demokratische Resilienz. Bedingungen und Wechselwirkungen polizeilichen Handelns in der pluralen Gesellschaft“, kurz INSIDER haben Prof. Dr. Conny H. Antoni (Universität Trier, Psychologie), Prof. Dr. Kai Arzheimer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Politikwissenschaft), Prof. Dr. Martin Endreß (Universität Trier, Soziologie) und ihre Mitarbeitenden als unabhängige wissenschaftliche Studie durchgeführt. Die Studie ist interdisziplinär und multimethodisch angelegt.

Kein struktureller Rassismus

Die Studie ist thematisch breit aufgestellt: Neben Fragen der Einstellung wurden insbesondere die Rahmenbedingungen der täglichen Polizeiarbeit und das Verhältnis von Gesellschaft und Polizei untersucht. Struktureller Rassismus wurde nicht festgestellt.

Die Studie zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sich die drei Teilprojekte umfänglich mit der rheinland-pfälzischen Polizei und dem beruflichen Alltag der Polizeiangehörigen auseinandersetzten und diese intensiv bei konkreten Einsätzen beobachten konnten. „Wir wurden sehr offen empfangen und es war uns möglich, einen unverstellten Blick auf die Organisation und den Arbeitsalltag der Polizei Rheinland-Pfalz zu erhalten“, so der Sprecher des Konsortiums, Professor Martin Endreß.

Drei Teilprojekte erlauben tiefgreifende Erkenntnisse

Das soziologische Teilprojekt konnte drei Paradoxien im polizeilichen Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern identifizieren, die im wechselseitigen Verhältnis von Polizei und Gesellschaft verankert sind. „Eine Paradoxie zeigt sich beispielsweise darin, dass Polizei Gewalt anwenden muss, um Gewalteskalationen zu vermeiden. Außerdem ist Polizei auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger angewiesen, muss aber zugleich gesellschaftliche Entwicklungen und Sachverhalte misstrauisch beobachten. „Dies sind Widersprüche, die sich mitunter nicht auflösen lassen. Umso wichtiger ist es, bessere Formen des Umgangs mit ihnen zu entwickeln und sie klarer zu kommunizieren“, erläuterte Endreß.

Das politikwissenschaftliche Teilprojekt stellte hohe Zustimmungswerte zu liberaldemokratischen Prinzipien und eine sehr deutliche Ablehnung antisemitischer Aussagen in der Polizei Rheinland-Pfalz fest. Zugleich finden sich jedoch auch ausgeprägte Graubereiche hinsichtlich muslim- und zuwanderungsfeindlicher Einstellungen. Hier wurde ein klarer Zusammenhang mit häufigen und als negativ empfundenen dienstlichen Kontakten festgestellt. „Wir sehen die Polizei Rheinland-Pfalz insgesamt dennoch auf einem sehr guten Weg und plädieren dafür, bestehende Maßnahmen weiterzuführen und an einigen Stellen wie beispielweise Kontakten zu zivilgesellschaftlichen Akteuren noch zu intensivieren“, betonte Professor Kai Arzheimer.

Das psychologische Teilprojekt befasste sich mit Arbeitsressourcen ebenso wie mit Belastungen in der Polizei. „Die Polizistinnen und Polizisten sind mit ihrer Arbeit zufrieden und fühlen sich mit der Polizei Rheinland-Pfalz sehr verbunden. Und das, obwohl sich viele von ihnen durch die herausfordernde Arbeit durchaus beansprucht und emotional erschöpft fühlen“, sagte Professor Conny Antoni. Trotz der vielfältigen Herausforderungen im polizeilichen Arbeitsalltag halten die Polizeiangehörigen in Rheinland-Pfalz zudem an den Werten des Leitbilds der Polizei fest und erweisen sich damit als sehr werteresilient. Ebenso wurde die Beobachtung polizeilichen Fehlverhaltens untersucht. Während einfaches Fehlverhalten, wie beispielsweise Unhöflichkeiten, häufiger beobachtet wurde, war dies bei disziplinarwürdigem Fehlverhalten fast nie der Fall.

Handlungsempfehlungen für die Polizei

Der Abschlussbericht enthält zahlreiche Handlungsempfehlungen, die organisationsinterne Maßnahmen, die Bereiche Rekrutierung, Karriere, Aus- und Fortbildung sowie das Verhältnis von Polizei und Gesellschaft adressieren. „Die Handlungsempfehlungen greifen viele Themen auf, an denen wir aktuell und teilweise bereits seit Jahren arbeiten. Dies ist ein Beleg dafür, dass wir die richtigen Themen im Blick haben“, sagte Minister Ebling. Dies gelte insbesondere für den Personalaufwuchs auf über 10.000 Polizeibeamtinnen und -beamte und das derzeit laufende umfassende Organisationsentwicklungsprojekt in der Kriminalpolizei. „Diese Maßnahmen zielen ganz wesentlich darauf ab, Belastungen zu reduzieren“, so der Innenminister. 

Die Handlungsempfehlungen des Abschlussberichts umfassen darüber hinaus insbesondere die Fortentwicklung der Reflexionskultur, die Ausweitung der Möglichkeiten des Austauschs von Polizei und Gesellschaft und von Kontakten mit Menschen mit Migrationshintergrund, die Förderung der personellen Mobilität sowie die weitere Stärkung von Intervisions-, Aus- und Fortbildungsangeboten.

Diese Empfehlungen lassen sich nicht unmittelbar übernehmen und umsetzen, sondern werden nun organisations- und hierarchieübergreifend in der Polizei geprüft und diskutiert. Dafür sind verschiedene Informations- und Austauschformate für die Mitarbeiterschaft sowie Dialogveranstaltungen mit Öffentlichkeit und Wissenschaft geplant.

Zum Abschlussbericht der Studie

Kontakt

Prof. Dr. Martin Endreß
Soziologie
Universität Trier
Mail: endressuni-trierde
Tel. +49 651 201-2697