Neues Graduiertenkolleg zu gesellschaftlicher und kultureller Vielfalt

DFG-gefördertes „IGK Diversity“ hat im Sommersemester die Arbeit aufgenommen

 

Mit dem Graduiertenkolleg „Diversity: Mediating Difference in Transcultural Spaces“ ist im Sommersemester 2013 eine neue, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte interdisziplinäre Forschungsgruppe in Büros im DM-Gebäude der Universität Trier eingezogen. Das Graduiertenkolleg beschäftigt sich mit Fragen rund um gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt in Kanada und Europa. In seinem Forschungsinteresse reicht das Graduiertenkolleg jedoch nicht nur über die Trierischen oder die rheinland-pfälzischen, sondern auch über die europäischen Grenzen hinaus. In Deutschland ist das„Internationale Graduiertenkolleg (IGK)“ in enger Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes verbunden, und ist zudem transatlantisch mit der Université de Montreal in Quebec, Kanada, verzahnt.

Die Verteilung des „IGK Diversity auf verschiedene Universitäten und Kontinente ist, wie die Sprecherin des Graduiertenkollegs, Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl (Geschichtswissenschaft), herausstreicht, „keine Kooperation um der Kooperation willen“; sie ist vielmehr ein integraler Bestandteil des zugrundeliegenden Forschungsansatzes: „Der internationale Charakter unseres Forschungsprogramms erfüllt das oft zitierte Prinzip des 'Forschen mit statt Forschen über' mit Leben. Wir verfolgen eine innovative komparatistische Methodik, basierend auf dem epistemologischen Ansatz der 'herméneutique croisée'. Die meisten unserer zehn Trierer und Saarbrücker Doktoranden blicken in ihren Projekten auf den nordamerikanischen Kontinent, während ihre Montrealer Gegenparts sich mit Europa auseinandersetzen. Die deutschen und die kanadischen Doktoranden tauschen sich zudem regelmäßig untereinander aus und werden in ihren Forschungsvorhaben jeweils von etablierten Wissenschaftlern auf beiden Seiten des Atlantiks begleitet", erläutert Prof. Lehmkuhl das Forschungsprogramm.

Neben Ursula Lehmkuhl gibt es im Graduiertenkolleg weitere Sprecher: Dieses Amt übernehmen an der Universität des Saarlandes Prof. Dr. Hans-Jürgen Lüsebrink (Interkulturelle Kommunikation) und in Montreal der Politikwissenschaftler Prof. Laurence McFalls, PhD. An der Universität Trier sind als Principle und Associated Researcherssowie als Promotionsbetreuer und Post-Doktoranden außerdem beteiligt: Prof. Dr. Beatrice Bagola und Dr. Alex Demeulenaere (Romanistik), Dr. Eva Bischoff und  Prof. Dr. Helga Schnabel-Schüle (Geschichtswissenschaften), Prof. Dr. Martin Endreß (Soziologie), Prof. Dr. Andrea Geier (Gender Studies), Prof. Dr. Wolfgang Klooß (Anglistik und Kanada-Studien), Prof. Dr. Joachim Schild (Politikwissenschaften), sowie Prof. Dr. Michael Schönhuth (Ethnologie).Das IGK ist zudem Mitglied im Forschungsverbund des „Forschungszentrums Europa“ (FZE) an der Universität Trier.

Forschungsinhalte und Qualifikationskonzept

Worum geht es den Forschern des Projekts im Detail? Das „Internationale Graduiertenkolleg Diversity“ beschäftigt sich auf der Grundlage innovativer Forschungsansätze mit den wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich umstrittenen Feldern des Multikulturalismus und der Diversität. Der Begriff der Diversität oder der Vielfalt wird dabei von den Forschern in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, um über die Zusammenarbeit von geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern paradigmatische Veränderungen, historische Wandlungsprozesse und gegenwärtige Tendenzen im Umgang mit multikulturellen Realitäten in Nordamerika und Europa seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert  zu untersuchen. Das IGK stellt dabei den Prozesscharakter und die diskursive Konstruktion von Diversität sowie ihre historische Kontextgebundenheit ins Zentrum ihres Forschungsprogramms. Die Wissenschaftler fragen in ihren Arbeiten zudem nach der Vermittlung und Übersetzung kultureller Differenz in historischer Perspektive. Um der Komplexität des Forschungsgegenstands Rechnung zu tragen, ist das Forschungsprogramm durch drei Querschnittsthemen strukturiert: Politiken, Praktiken und (historische) Narrative von Diversität.

Es eröffnet damit in inhaltlicher und methodischer Hinsicht Perspektiven für Dissertationsthemen, die sich mit dem Wandel von Diversität auf der politischen, sozialen und kulturellen Mikro-, Meso- und Makroebene beschäftigen. Der verflechtungsgeschichtliche und transatlantische Zugang des Graduiertenkollegs eröffnet neue Perspektiven für die Regionalstudien sowie für transnational und empirisch-kulturvergleichende Forschung. In methodisch-theoretischer Hinsicht leistet das IGK somit einen historisch fundierten Beitrag zur begrifflichen Schärfung der - nicht nur wissenschaftlich relevanten - Kernkonzepte Diversität, Transkulturalismus und Raum.

Das forschungsorientierte Qualifizierungskonzept des Graduiertenkollegs basiert auf regelmäßigen Treffen der kanadischen und deutschen Doktoranden und beteiligten Wissenschaftler an den Standorten Trier, Saarbrücken und Montreal. Es umfasst intensive Sommer- und Winterschulen, eine international ausgerichtete Halbzeit-Konferenz mit externen Experten und einen Dissertationsworkshop zu Beginn des dritten Promotionsjahres. Diese Intensivphasen sichern den wissenschaftlichen Austausch der Gesamtgruppe und die internationale Sichtbarkeit des Kollegs. Sie bieten einen Rahmen für die internationale Vernetzung der Doktoranden und unterstützen diese in zentralen Phasen des Arbeitsprozesses. Optionale Praktika in Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung und Medien eröffnen den Doktoranden Praxisfelder und Karrierewege.

Die Zusammenarbeit mit Experten aus Quebec ist essentiell für die Realisierung des ambitionierten Forschungsprogramms. Kanada war das erste Land, das eine offizielle Multikulturalismuspolitik eingeführt hat und dient daher oft als Referenzpunkt für die gegenwärtigen europäischen Diskussionen gesellschaftlicher Vielfalt. Diese Debatten greifen u.a. explizit den Quebecer Gegenentwurf zum kanadischen Multikulturalismus – das Konzept des Interkulturalismus – auf. Die politischen und wissenschaftlichen Debatten, die zwischen Kanada und Quebec seit den 1970er Jahren geführt werden, nehmen in gewisser Weise die europäischen Kontroversen, die wir seit den 1990er Jahren beobachten können, vorweg. Sie unterstreichen, dass Diversität ein räumlich und zeitlich dynamisches Konzept ist, eingebettet in ein polyzentrisches Gefüge politischer, sozialer und wissenschaftlicher Verflechtungen.

Vielfalt erleben die Trierer und Saarbrücker Doktoranden im Übrigen auch in ihrem gemeinsamen Forschungsalltag in Trier. Ohne dass dies geplant war, setzt sich die junge Wissenschaftlergruppe aus Menschen verschiedener Herkunft und Hintergründe zusammen. So finden sich bei den jungen Forschern z.B. polnische und russische Migrationshintergründe. Andere Doktoranden zogen für die Arbeit an ihren Dissertationen aus Paris, London, Budapest und Montreal nach Trier, und eine Nachwuchswissenschaftlerin stammt aus Luxemburg. Prof. Ursula Lehmkuhl meint dazu: „Unsere Doktoranden spiegeln so eine globalisierte Vielfalt wider, wie wir sie heute oft beobachten können. Vor allem eröffnet der interkulturelle Austausch innerhalb der Trierer Doktorandengruppe jedoch eine weitere Möglichkeit zur Selbstreflexion über das eigene Forschen und über erlebte Differenz.“                                  

Dr. Lutz Schowalter, Akademischer Koordinator des IGK

<link http: www.irtg-diversity.com _blank>Homepage des Internationalen Graduiertenkollegs Diversity

<link file:108459 _blank>Artikel im Unijournal 3/2013