Eine Erinnerung an Prof. Dr. Peter Schwenkmezger (†12.07.2018)

Vor acht Jahren, im Sommer 2010: Peter Schwenkmezger hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Wir saßen auf der Terrasse und blickten auf seinen Garten. Der Natur war er immer sehr verbunden: ein gepflegter Rosenstock, sorgfältig Hand und Schere anlegen. Das Bild von der Rose und dem Leben, das die Anzeige seines Todes begleitete, erinnerte mich in besonderer Weise an diese Eigenschaft. Das Kommen und das Gehen: An diesem Nachmittag legte er mir akribisch auseinander, auf was ich mich einlasse, sollte ich sein Nachfolger werden.

Peter Schwenkmezger kannte dieses besondere Haus „Universität“ vom Keller bis in das Dachgeschoss, vom Gärtner, der den Rasen pflegte, bis zum Institutsdirektor, der sich Sorgen um seinen Etat machte. Er kam früh und ging spät nach Hause.

Zu Amtsantritten gehören Absichtsinterviews. Anlässlich seiner Wahl im Jahr 2000 sprach er von den Anforderungen an die Universität, die von außen, aber auch von innen her zu betrachten seien. Von außen werde die Universität oft aus Unkenntnis über ihre Aufgaben recht verzerrt wahrgenommen. Vieles, auch das akademische Leben, wird von Stereotypen beherrscht und auch gesteuert.

Peter Schwenkmezger hat dieses Haus „Universität“ mit einem besonderen Gespür für das Machbare und das Illusionäre wahrgenommen. Er lenkte und prägte die Universität in einer reformintensiven Phase, die zugleich durch ein deutliches Wachstum der Studierendenzahlen gekennzeichnet war. Das machte einen Ausbau des Campus erforderlich. Das ehemalige französische Militärhospital dient heute der Universität als Campus II. Die Inbetriebnahme fiel in die erste Amtszeit von Peter Schwenkmezger. Hier musste man auf etwas, das von außen kam, reagieren. Gleiches gilt für die Umsetzung der Bologna-Reform, die nicht aus dem Kern der universitären Gremien heraus entwickelt, sondern als politisches Bekenntnis den Universitäten als Reformauftrag präsentiert wurde. Hier war nun auch der Blick von innen gefordert. Denn die Bologna-Reform wurde von einem nicht weniger wichtigen Prozess begleitet, der sich aus dem Wiedergründungsdatum der Universität Trier ergibt. Zur Zeit der Umstellung der Studiengänge standen auch viele der Kolleginnen und Kollegen aus der Gründergeneration kurz vor ihrer Pensionierung. Wen sollte man nun für Credit Points, Modulhandbücher, Akkreditierungen usw. begeistern? Ein Wechsel von Begeisterung und Sorge war fast alltäglich, aber die Universität Trier hat diesen Prozess – bei allem Bedarf für Nach- und Neujustierungen – im Großen und Ganzen zur Zufriedenheit der meisten absolviert. Viele Autofahrten, und damit Autostunden, brachten ihn in diesen Jahren von innen nach außen und wieder zurück – irgendwann mit Kissen für die Ruhephasen.

Wenn Präsidenten Interviews geben, werden sie häufig nach dem Geld gefragt. Das war im Jahr 2000 auch nicht anders. Und wer konnte im Jahr 2000 ahnen, dass wenige Jahre später ein Finanzierungssystem Einzug halten würde, das bis heute das gesamte universitäre System regelmäßig beschäftigt. Der Name dieser Innovation heißt: „Hochschulpakt“. Wer solche Begriffe verwendet, mag vielleicht gelegentlich auch an den Teufel denken. Auch hier galt es die Chancen eines solchen, zusätzliche Studierende mit einer Pauschalzahlung honorierenden Systems, mit den unterschiedlichen Anforderungen der Fächer in Einklang zu bringen. Dabei hatte Peter Schwenkmezger nie nur die Lehre im Blick. Die Stärke lag für ihn in der „Einheit von Forschung und Lehre“. Wissenschaft muss, so formulierten es viele Gründungsurkunden von Universitäten oder Hohen Schulen, als eine Perle angesehen werden – auch die Gründungsurkunde der späteren Universität Trier aus dem Jahr 1455 spricht bereits davon. Diesen besonderen Symbolcharakter muss man pflegen und entwickeln. Diese Herausforderung wurde noch dadurch gesteigert, dass sie nahezu vollständig über wettbewerbliche Verfahren gesteuert wurde. Das hieß: Anträge schreiben, redigieren, verwerfen, präsentieren, korrigieren. Es hieß: Erfolge feiern, Misserfolge vermitteln, Mittelverteilungen begründen usw. – da kam vieles von außen und vieles von innen.

Das universitäre Wirken war ihm wichtig, aber auch die gesellschaftliche Mitgestaltung. Als Chorsänger war er sehr geschätzt, als ehrenamtlicher Helfer der Telefonseelsorge Trier hat er in schwierigen Lebenssituationen Beistand geleistet. Als psychologischer Berater war er langjähriges Mitglied der Lebendorganspendenkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. Er engagierte sich für das Wohl der Patienten und wartete – vergeblich – auf dieses Wohl. Er war den Menschen zugewandt. Peter Schwenkmezger war ein soziales und politisches Wesen. Er ist Träger der Leibniz-Medaille der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und wurde mit dem Landesverdienstorden Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.

Nur wenige Jahre nach seiner Verabschiedung aus dem Amt des Präsidenten der Universität Trier ist Peter Schwenkmezger im Alter von nur 71 Jahren gestorben. Es war eine schwere Krankheit, die ihn zunehmend aus dem Alltag drängte und ihn nach und nach daran hinderte, die Dinge zu tun, die er schon immer gern getan hat: wandern, reisen, in der Natur sein, Pilze sammeln, aber auch weiterhin dem Fach und der Universität verbunden bleiben. Die Familie war ihm sehr wichtig, die Kinder, die Enkelkinder. Geburtstagsfeiern hatten im Hause Schwenkmezger eine besondere Tradition. Vor allem auch die Mitwirkung in großen Chören war ihm ein großes Anliegen und großes Glücksgefühl.

Geboren am 17. August 1946 in Laichingen, begann er nach dem Abitur in Geislingen das Studium der Psychologie an der Universität Tübingen. Die Themen, die ihn beschäftigten, zeigen sehr früh ein Interesse an Präventionsmaßnahmen, an der Verdeutlichung von Risiken, die mit bestimmten Lebensweisen verbunden sind, vor allem aber auch an den Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis, wenn es um den Menschen und sein Verhalten geht. Der Anwendungsbezug von Lehre und Forschung war ihm sehr wichtig, und zugleich erkannte er aus diesem Anspruch heraus die Sorgfalt, die ein wissenschaftliches Ergebnis trotz aller Validität und Reliabilität in der konkreten Umsetzung, beispielsweise einer therapeutischen Praxis, an behutsamem Abwägen verlangt. Seine Diplomarbeit beschäftigte sich noch mit dem Problem der freiwilligen Teilnahme von Versuchspersonen an psychologischen Experimenten. Jeder Psychologiestudent weiß davon zu berichten, wie bedeutsam die experimentelle Vorgehensweise für die Identität der Psychologie als Fach ist. Bereits hier zeigte er sich methodenkritisch, was ihn auch in seiner weiteren akademischen Karriere immer wieder auszeichnete. Seine Dissertation nimmt den Risikobegriff in die Mitte und trägt den Titel „Risikoverhalten und Risikobereitschaft. Korrelationsstatistische und differentialdiagnostische Untersuchungen bei Strafgefangenen“. Zugegebenermaßen: Hier lag das Risiko noch anders, aber spätestens mit der Habilitation im Jahr 1983 war die Nähe zu medizinisch relevanten Fragestellungen der Psychologie evident. In der psychologischen Begutachtung übte er sich früh, kam dann an das Institut für Sportwissenschaft der Universität Bochum, wo er unter anderem die klinisch-psychologische Betreuung von Hochleistungssportlern übernahm. Als wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität-Gesamthochschule Wuppertal erwarb er dann die Venia legendi für das Fach Psychologie. Die in Trier ausgeschriebene Professur für Psychologie fand seine Aufmerksamkeit und im Jahr 1984 erhielt er den Ruf. Der damalige Laudator würdigte insbesondere seine methodische Solidität, seine selbstkritische Zurückhaltung in der Interpretation von Ergebnissen, seine anwendungsbezogenen Arbeiten, seinen Kenntnisreichtum und seine methodenkritische Reflexion, mithin das besondere Engagement als Forscher. In Trier hat er für die „Klinische Psychologie“ zentrale Bausteine mit- und weiterentwickelt, zum Beispiel die Psychotherapie als Weiterbildungsangebot.

Zu den Standardfragen an Präsidenten gehört auch: „Kommen Sie denn überhaupt noch zur Forschung?“ Ich denke, dass man immer ein wenig Forscher bleibt, aber eben nur wenig. Freiräume sind nur gelegentlich da und kündigen sich meistens vorher nicht an. Plötzlich war da ein wenig Zeit und man war nicht darauf vorbereitet. Dieter Lintz, Redakteur des Trierischen Volksfreunds, der im August 2014 jung verstarb, hatte Peter Schwenkmezger am Ende der zweiten Amtszeit ausführlich im Trierischen Volksfreund porträtiert. Keine Bataillone habe man als Uni-Präsident, war da zu lesen. Individualität präge nicht nur das Amt, sondern auch die Universität. Daher komme es immer auf geschicktes Taktieren an. In Laichingen stand sein Elternhaus, das ihn mit dem Regelwerk des Pietismus vertraut machte. Gerne erzählte er, wie es in jungen Jahren gelang,  in dieser Welt Lücken zu finden und ihr gelegentlich zu entfliehen.

Ein frühes Üben im Strategischen. Aber das Strategische alleine genügt natürlich nicht. Als Peter Schwenkmezger nach mehr als 11 Jahren Amtszeit verabschiedet wurde, wählte der damalige Vizepräsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Raab eine Geschichte aus dem Alten Testament, um eine besondere Eigenschaft des scheidenden Präsidenten zu beschreiben. Er schilderte den Wunsch des jungen König Salomo, dass Gott ihm, zur Erfüllung seiner Aufgaben, ein „hörendes Herz“ schenken möge. An diesen Vergleich möchte ich gerne noch einmal erinnern. Mit ihm hatte die Universität Trier ein „hörendes Herz“. Mit ihm verliert die Universität Trier eine bedeutende Persönlichkeit, einen echten Kollegen und Freund. In unsere Trauer schließen wir seine Familie und die Angehörigen ein.

Leb wohl, Peter Schwenkmezger!

Michael Jäckel
Präsident der Universität Trier
Trier, 23. Juli 2018