Lehre und Forschung statt Forschung oder Lehre

Im Gespräch mit Dr. Ansgar Berger über die Hochschuldidaktik an der Universität Trier.

In den letzten Jahren ist an der Universität Trier die Lehre stärker in den Fokus gerückt. Dr. Ansgar Berger steht seit zwei Jahren für die Hochschuldidaktik der Universität und hat ein umfangreiches Beratungs- und Schulungsprogramm entwickelt. Dadurch sollen Lehrende, vom Tutor bis zur Professorin, ihre Fähigkeiten verbessern können. Seiner Meinung steht die Lehre noch zu sehr mit der Forschung in Konkurrenz. Dabei könnte der Synergieeffekt so groß sein.

Warum ist an der Universität Trier die Lehre ein zentrales Thema?
Für einen Vortrag habe ich einmal ein Bild von einer alten Lehrsituation an einer Universität gesucht. Gefunden habe ich ein Bild von der Universität Bologna aus dem 15. Jahrhundert, worauf man sah, dass die Studierenden in der letzten Reihe schliefen. Hochschuldidaktik ist eigentlich ein altes Thema. Es ist grundsätzlich wichtig darauf zu achten, dass unsere Studierenden nicht nur inhaltlich ein tolles Angebot bekommen, sondern dass es auch gut vermittelt wird. Wenn wir eine attraktive, studierendenfreundliche Universität sein wollen, die ein hohes Ausbildungsniveau bietet, brauchen wir eine gute Lehre.

„Mein erster Gedanke war: Muss ich als Japanologe noch für interkulturelle Kompetenz sensibilisiert werden? Tatsächlich, ich habe viel Neues gelernt. Und das kann ich nicht nur in interkulturellen Gruppen anwenden, sondern auch in meinen normalen Lehrveranstaltungen.“
Sven Schürkes, Doktorand der Japanologie

Die Universität Trier hat vor sechs Jahren die Abteilung für Qualitätssicherung aufgebaut. In dem Zusammenhang kam ein neuer Impuls in die Hochschuldidaktik. Was hat sich verändert?
Punktuelle Angebote gab es schon immer, aber jetzt bauen wir sie strategisch aus. Dabei richten wir uns nach der Nachfrage unserer Lehrenden. Lehrende kommen mit ihrer inhaltlichen Expertise in ihre Vorlesung oder Seminar, aber wie man Inhalte didaktisch geschickt vermittelt, haben die meisten vorher nicht gelernt. Unser Ansatz ist, wie können die Lehrenden ihr Wissen so vermitteln, dass es von den Studierenden gut aufgenommen wird?

Für wen konzipieren Sie das Programm der Hochschuldidaktik?
Das Angebot ist für alle, die mit Lehre zu tun haben: Tutorinnen und Tutoren, Doktoranden, Wissenschaftliche Mitarbeitende, Post-Docs, Professorinnen und Professoren. Alle Veranstaltungen sind frei zugänglich und können kostenlos besucht werden. Wenn sich jemand gezielt in der Lehre verbessern möchte, haben wir Grundlagenkurse und ganze Veranstaltungsreihen, die mit einem Zertifikat abgeschlossen werden können. Toll wäre es, wenn für alle die Teilnahme an unserem Programm selbstverständlich wäre. In den Niederlanden zum Beispiel hat jeder, der in der Hochschullehre arbeitet, eine „Teaching Qualification“.

„Das Programm ist mir so nirgendwo anders bekannt. Die Universität Trier macht hier etwas Besonderes. Das ist ein starker Impuls für die Lehre, besonders im Hinblick auf die internationaler werdenden Lerngruppen!“ Dr. Michael Fischer, Hochschuldozent und Workshopleiter,
Universität Mannheim

Welche Kurse sind die gefragtesten?

Gefragt waren dieses Jahr besonders „Neu in der Lehre“, „Rechtliche Grundlagen in der Lehre“ und „Lehre Advanced - Visualisierung und Moderation“. Aber die meisten Anmeldungen hatten wir in unserem Zertifikatsprogramm LINT, Lehre International.

Worum geht es im Zertifikatsprogramm LINT?

In mehreren Beratungen habe ich das Feedback bekommen, dass es wichtig wäre, ein Angebot zu machen, das sich mit interkultureller Lehre beschäftigt. Rund elf Prozent unserer Studierenden kommen aus fast hundert verschiedenen Ländern. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Universität steigen auch die Anforderungen, insbesondere für das Lehrpersonal. Es ist tatsächlich so, dass viele Lehrende kulturell diverse Seminargruppen als Problem wahrnehmen oder mindestens unsicher im Umgang mit ihnen sind. Doch Diversität kann man auch nutzen und in das Lehrkonzept einbauen. Im Zertifikatsprogramm LINT zeigen wir, was kultursensible Lehre bedeutet und wie man sie als Ressource nutzt.

„Internationale Studierende sind erfreulicherweise in vielen Fächern inzwischen Normalität. Mit ihren verschiedenen Bildungshintergründen und Lerntraditionen im Unterricht umzugehen, ist für Lehrende jedoch oft eine Herausforderung. Wir sind überzeugt, dass die Lehrenden ein ganz wichtiger Schlüssel für den Studienerfolg der ausländischen Studierenden sind. Deswegen haben wir LINT entwickelt.“
Birgit Roser, Leiterin des International Office und
Projektleiterin von LINT

Wenn sich Hochschullehrende in der Didaktik weiterbilden, fehlt ihnen vielleicht kostbare Zeit für die
Forschung. Wie würden Sie das Verhältnis von Forschung und Lehre beschreiben?

Lehre und Forschung können sich wunderbar ergänzen und müssen keine Gegensatzfelder sein. Oft wird die Lehre zweitrangig behandelt. Der klassische Weg ist, dass ich Sachen erforsche und in der Lehre weitergebe. Aber es geht auch anders. Warum nicht ein Thema für ein Seminar auswählen und es für die Forschung nutzen, um dort Expertise auszubauen. Lehrende können Studierende an der eigenen Forschung beteiligen bis hin zur gemeinsamen Veröffentlichung von Forschungsergebnissen.

Wenn es keine Ausbildung zur Hochschullehrerin oder zum Hochschullehrer gibt, wann sollte man im besten Fall beginnen sich hochschuldidaktisch weiterzubilden?

Wenn ich mir etwas wünsche, dann wäre es, dass jeder, der neu an die Universität Trier in die Lehre kommt, die Gelegenheit nutzt, mit den hochschuldidaktischen Grundlagenseminaren anzufangen. Es gibt Studien über Entwicklungsphasen von Lehrenden und die erste Phase wird häufig als Überlebensphase bezeichnet. Das heißt, du bist aufgeregt, unsicher im Umgang mit der Gruppe und deiner neuen  Rolle. Da ist jedes Seminar mit Stress und mit Herausforderungen verbunden. Viel einfacher wird es, wenn man lernt, die eigene Lehre zu planen, didaktische Methoden einzusetzen und im Austausch merkt, dass man nicht allein in der Situation ist. So gestaltet man Lehre effizient und gewinnt  mehr Zeit für die eigene Forschung.

„Das Gesamtkonzept des Zertifikatprogramms ist wirklich gut durchdacht. Das Lernen ist auf den Austausch angelegt, sodass man Erfahrungen macht, die einen wirklich weiterbringen. Die ganze Zeit über betreut das Organisationsteam alle Teilnehmer eng, die Atmosphäre war sehr schön und konstruktiv.“
Ann-Christin Hayk, Doktorandin der Humangeographie

Kontakt

Dr. Ansgar Berger
Hochschuldidaktik
Mail: bergerauni-trierde
Tel. +49 651 201-3156