Nachruf

Univ.-Prof. Dr. Arnd Morkel

* 26. März 1928   11. Februar 2020


Das 21. Jahrhundert erleben wir als ein sehr schnelles Jahrhundert. Als Arnd Morkel studierte, promoviert wurde und dann habilitierte, war die Bundesrepublik Deutschland ein anderes Land als heute. Arnd Morkel gehörte zu einer Aufbaugeneration. Als Politikwissenschaftler wusste er um die Bedeutung von Institutionen, aber er wusste auch, dass diese sich nicht von selbst zur Geltung bringen. Nimmt man einmal an, dass im Jahr 2020 eine Universität gegründet werden dürfte. Wie könnte diese aussehen? Wann haben Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler die Chance, ihre eigene Arbeitsumwelt zu gestalten? Arnd Morkel bekam diese Chance und Aufgabe, die einen großen Teil seines akademischen Wirkens bestimmte.

Als im Jahr 2019 der „Freundeskreis Trierer Universität e. V.“ sein 50-jähriges Jubiläum feierte, bilanzierte einer der Pioniere der Wiedergründungsphase der Universität Trier, der Historiker Wolfgang Schieder: „Der Aufbau der Universität Trier war für uns eine unglaubliche Heraus­forderung. Wir haben dabei so viel gelernt, wie in unserem ganzen späteren Berufsleben nicht mehr. Vor allem hatten wir so viele Möglichkeiten und Chancen der Gestaltung, wie sie in keiner alten Universität jeweils gegeben gewesen wären.“ Und weiter führte er am Ende seiner Rede aus: „Ich spreche mit Sicherheit nicht nur von mir, wenn ich abschließend feststelle, dass ich die Gründerzeit der neuen Universität Trier auf keinen Fall als einzigartige Lebenserfahrung missen möchte.“

Diese Worte hätte Arnd Morkel so oder ähnlich wahrscheinlich auch formuliert. Als die Universität Trier im Rahmen ihrer 40-Jahr-Feier den früheren Kultusminister und den späteren Minister­präsidenten des Landes Rheinland-Pfalz und, nach der Wiedervereinigung, auch des Landes Thüringen, Herrn Prof. Dr. Bernhard Vogel, zu einem Vortrag an die Universität einlud, erinnerte auch er an die besondere Situation, die sich Ende der 1960er Jahre im Hochschulwesen darstellte. Denn mitten in die damaligen Unruhen hinein fiel auch die intensivste Phase der Hochschul- und Universitäts­neugründungen in Deutschland. Und in diesem Zusammenhang fiel auch der Name des am 11. Februar 2020 verstorbenen ersten Präsidenten der Universität Trier. Bernhard Vogel sagte: „Auch von den in jenen Jahren chaotischen Zuständen an anderen Universitäten haben wir bei unseren Erstberufungen ohne Frage profitiert. So versammelte sich z. B. nahezu der ganze Nachwuchs in der politischen Wissenschaft von Heidelberg früher oder später in Trier, Peter Haungs, Arnd Morkel, der spätere für 12 Jahre überaus erfolgreiche Präsident…“ Ja, diese Gründerphasen hatten nichts von Standardisierung. Bochum war anders als Konstanz, Regensburg anders als Bielefeld. Und Trier hatte auch viele Besonderheiten. Aber erstaunlich ist doch, dass auch in solchen Phasen Phänomene beobachtet werden können, die bereits aus dem mittelalterlichen Universitätswesen bekannt waren: dass ganze Professorengruppen Universitätsorte wechseln. Diese Art von akademischer Wanderschaft hat auch zu Beginn der 1970er Jahre positive Effekte für die Entwicklung des Universitätswesens im Westen von Rheinland-Pfalz gehabt.

Zu den bedeutenden Persönlichkeiten dieser Gründungsphase gehört Prof. Dr. Arnd Morkel. Er wurde am 26. März 1928 in Mannheim geboren, Kindheit und Jugend fielen in die dunkelste Zeit Deutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er Politikwissenschaft, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Heidelberg und Freiburg i. Br. Er wurde bei Arnold Bergsträsser im Jahr 1960 promoviert und betrat mit seiner Arbeit über „Hofmannsthals politisches Bewusstsein“ die akademische Welt. Er betrachtete sich als Schüler Dolf Sternbergers. Seine Vorliebe für die politischen Klassiker floss in Trier auch in die Konzeption des Fachs Politikwissenschaft ein. Auch hier war er Gründer.

Als Vizepräsident und dann als erster Präsident der Universität Trier hat er in der Zeit von 1975 – 1987 maßgeblich die Struktur dieser akademischen Institution mitbestimmt. Die Chance des Jahres 1975, der Universität Trier ein eigenes Profil zu verleihen, hat er konsequent genutzt. Er hat eine Universität aufgebaut, die eine fruchtbare Mischung größerer und kleinerer Fächer aufweist. Ihm ging es stets um die Idee einer Universität, die die Kommunikation und Koordination zwischen den Fächern fördert. So hat er es in seiner Abschiedsrede als scheidender Präsident der Uni­versität Trier am 4. April 1987 formuliert. Der damalige Regierungspräsident und kürzlich ebenfalls verstorbene Gerhard Schwetje würdigte ihn als „Gründungs­manager“ einer der wichtigsten Innovatio­nen des Regierungs­bezirks. Arnd Morkel habe das Spannungsverhältnis zwischen Wünschen und Wirklichkeiten geschickt austariert. Die Frage, die sich ab 1975 immer wieder als entscheidend erwies – „Ist die Universität allein mit den Lehramtsfächern überlebens­fähig?“ – bestimmte die zweite Gründungsphase nach der Zeit 1970-1974 maßgeblich. In der Zeit von 1975 bis 1987 etablierten sich unter anderem die Betriebswirt­schaftslehre und die Volkswirtschaftslehre, die Rechtswissenschaft, die Ägyptologie, die Klinische Psychologie, die Kunstge­schichte und die Geologie, die Mathematik, die Slavistik und die Ethnologie, die Sinologie, die Kartographie und die Papyrologie, die Informatik und die Japanologie. Der frühere Kanzler der Universität Trier, Ignaz Bender, beschrieb diese Liste einmal als „etwas kunterbunt“. Die besondere Leistung von Arnd Morkel bestand darin, dass er dieser Mischung eine Struktur gab und damit auch seine Vorstellung von „Universität“ verwirklichte.

Sein Buch über die Idee der Universität, im Jahr 1995 erschienen, ist deutlich mehr als eine Bilanz der Trierer Jahre. Die Lust und die Last des Anfangs, die er darin beschrieb, spiegelt noch einmal wider, dass es auch in der akademischen Welt Architekten gibt, die ihre „Kathedralen“ bauen. Aber eben kein verschlossenes oder geschlossenes Gebäude, sondern eine Form von Organisation, die ihren Auftrag kennt und sich aktiv mit ihrer Umwelt austauscht. Deshalb auch formulierte er den Satz: „Eine Universität ist niemals fertig.“ Und weil eine Universität niemals fertig ist, hat er sich auch nach seiner Emeritierung nicht von diesem akademischen Leben – und vor allem von dieser Institution – verabschiedet. Er wusste stets um die aktuellen Entwicklungen und Probleme und war all seinen Nachfolgern ein wichtiger Gesprächspartner und Ratgeber. So lange es seine Gesundheit erlaubte, nahm er auch am öffentlichen Leben der Universität Trier teil. Er war ein „homo academicus“ im besten Sinne des Wortes. Seinen Antrag auf Emeritierung stellte er im Jahr 1993, kurz und bündig in nicht mehr als drei Zeilen. In einem abwechslungsreichen und von echten Entscheidungen geprägten Berufsleben wusste er immer Prioritäten zu setzen.

In seiner Abschiedsrede hat er auch den Auftrag der Institution, in deren Mittelpunkt er sein Leben stellte, wie folgt zusammengefasst: „Ich habe es stets als eine der großen Vorzüge der Universität empfunden, dass in ihr die unterschiedlichsten Disziplinen versammelt sind, so dass der Wissenschaftler lernen kann, über die Grenzen seines Faches hinauszublicken und die Dinge auch unter dem Gesichts­punkt anderer Fächer zu sehen.“

Für seine Verdienste um die Universität Trier wurde Arnd Morkel anlässlich seines 90. Geburtstages zum Ehrenbürger der Universität Trier ernannt.

Obwohl die Politikwissenschaft zu Arnd Morkels Zeiten eine ausgeprägte normativ-ontologische Ausrichtung hatte, wusste er immer um die Grenzen von Ordnungs­konzepten. Vielleicht standen ihm dabei die Zeilen aus dem Gedicht „Was ist die Welt?“ von Hugo von Hofmannsthal Pate:

„Und keines Andern Nachhall, Widerschein.
Und wenn du gar zu lesen drin verstündest,
Ein Buch, das du im Leben nicht ergründest.“

Wir verabschieden uns von einem besonderen Menschen und Wissenschaftler, der uns mit dieser Universität Trier einen besonderen Ort und einen besonderen Auftrag mitgegeben hat. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und den Angehörigen.


In dankbarer Erinnerung und für die Universitätsgemeinschaft

Univ.-Prof. Dr. Michael Jäckel
Präsident der Universität Trier