In Krisenzeiten hat Geldpolitik extreme Effekte

Eine Studie zeigt, dass die Europäische Zentralbank die Realwirtschaft in schwierigen Phasen nur kurzzeitig stimulieren kann.

Geldpolitische Maßnahmen lösen unterschiedliche Effekte aus, je nachdem ob sie in Krisenzuständen oder in wirtschaftlich ruhigen Zeiten durchgeführt werden. So steigen nach einer Zinssenkung in Krisenphasen das Preisniveau und das Bruttoinlandsprodukt stärker an als in einem gesamtwirtschaftlichen Normalzustand. Allerdings ebben diese Effekte schneller ab als dies bei stabilen volkswirtschaftlichen Verhältnissen der Fall wäre. Das haben die Volkswirtschaftler Dr. Jan Pablo Burgard (Universität Trier), Juniorprofessor Dr. Matthias Neuenkirch (Universität Trier) und Dr. Matthias Nöckel (Deutsche Bundesbank) herausgefunden.

Diese Erkenntnis ist insbesondere auch deshalb relevant, weil sich die Europäische Zentralbank (EZB) darauf beruft, mit ihren breit angelegten Anleihekäufen einen funktionierenden geldpolitischen Übertragungsmechanismus sicherzustellen. Die Forscher zeigen mit ihrer Studie jedoch, dass die EZB mit ihren unkonventionellen Maßnahmen die Realwirtschaft nur kurzfristig stark stimulieren kann.

Wirtschaftliche Lage hat Einfluss

Zinssenkungen von Notenbanken führen typischerweise mit einer Verzögerung von 12 bis 24 Monaten nach der Entscheidung zu einer Erhöhung der Inflationsrate sowie einer Steigerung des Wirtschaftswachstums. Dies gilt unter Forschern und Zentralbankern als Konsens und konnte in zahlreichen empirischen Studien belegt werden. Dabei wurde der Einfluss der gesamtwirtschaftlichen Situation auf diesen Mechanismus aber nicht berücksichtigt. Diesen Aspekt haben Dr. Jan Pablo Burgard (Universität Trier), Juniorprofessor Dr. Matthias Neuenkirch (Universität Trier) und Dr. Matthias Nöckel (Deutsche Bundesbank) im Zusammenhang mit den Effekten geldpolitischer Maßnahmen für das Preisniveau und die Realwirtschaft in der Eurozone untersucht.

Hierfür haben die Forscher ein neuartiges statistisches Modell entwickelt, welches Effekte der Geldpolitik – abhängig vom wirtschaftlichen Zustand – effizienter als in der bisherigen Forschung abbilden kann. Für die Eurozone wurden zwei Zustände aus dem Modell heraus ermittelt: ein Normalzustand und ein Krisenzustand, wie er insbesondere nach dem Kollaps von Lehman Brothers im Herbst 2008, der europäischen Staatschuldenkrise im Jahre 2011 und der Griechenlandkrise im Jahre 2015 festzustellen war.

Die Studie
Die Studie von Dr. Jan Pablo Burgard (Universität Trier), Juniorprofessor Dr. Matthias Neuenkirch (Universität Trier) und Dr. Matthias Nöckel (Deutsche Bundesbank) wurde unter dem Titel „State‐Dependent Transmission of Monetary Policy in the Euro Area“ in der Fachzeitschrift „Journal of Money, Credit and Banking“ publiziert. Eine frei zugängliche Arbeitspapier-Version des Aufsatzes steht hier bereit.

Kontakt
Juniorprofessor Dr. Matthias Neuenkirch
Volkswirtschaftslehre
E-Mail: neuenkirchuni-trierde
Tel. 0651 201-2629