Unreglementierte Erfahrung versus Unfähigkeit zur Erfahrung
FB I / Erziehungswissenschaft, Abt. Allgemeine Erziehungswissenschaft lädt zu einem Gastvortrag von Herrn Thassilo Polcik (Universität Wuppertal) ein.
Unreglementierte Erfahrung versus Unfähigkeit zur Erfahrung. Elemente einer kritischen Bildungstheorie nach Adorno
Der (älteren) kritischen Theorie zufolge ist die kapitalistische Moderne durch Erfahrungsarmut gekennzeichnet. Dies führen u.a. Benjamin, Adorno und Horkheimer auf einen instrumentellen und Pseudoumgang mit Menschen und Dingen zurück, dessen Grund wiederum im Zeitregime der Lohnarbeit und der Kommodifizierung von Kultur und freier Zeit zu suchen ist. Da ein solcher Modus diametral einem dem Anderen gegenüber offenen, unreglementierten Verhältnis entgegensteht, seien Gesellschaften mit kapitalistischer Produktionsweise prinzipiell bildungsfeindlich (auch wenn sie Bildung etwa in Form einer allgemeinen Schulpflicht verallgemeinern).
Entgegen dieser Diagnose entwirft Adorno seine negative Dialektik auch als eine realhumanistische Bildungstheorie, die den Neuhumanismus bestimmt negiert. Dessen bestimmte Negation ist sie insofern, als sie an der humboldtschen Grundbestimmung, Bildung bestehe in einer lebendigen und möglichst differenzierten Vermittlung von Subjekt und Objekt, festhält, zugleich aber die Möglichkeit einer solchen mit ihren gesellschaftlichen Bedingungen konfrontiert. Genau dies könne unreglementierte Erfahrung zu Bewusstsein bringen. Inwiefern sich hinter diesem Erfahrungsbegriff eine Bildungstheorie verbirgt, soll Gegenstand des Vortrags sein.
Thassilo Polcik ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich „Allgemeine Erziehungswissenschaft/Theorie der Bildung“ der Bergischen Universität Wuppertal und lehrt im Studienschwerpunkt „Sexuelle Bildung in Schule und Lehrberuf“. Er promoviert zu bildungstheoretischen Dimensionen des Erfahrungsbegriffs nach Hegel und Adorno.