Wissenschaftler und Sachverständige der Polizeibehörden arbeiten zusammen zur Verbesserung ihrer Arbeitsmethoden und an einer neuen Datenbank für Stimmenanalysen, ko-finanziert von der EU.
Wie sich ein Mensch sprachlich äußert, ist Teil seiner Identität. Um Personen an ihrer Stimme mit größerer Sicherheit identifizieren zu können, fördert die Europäische Kommission aus ihrem Fond für Innere Sicherheit ein neues Forschungsvorhaben zur Stimmenanalyse. Phonetiker an der Universität Trier und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Experten aus dem Landeskriminalamt Berlin und dem Landeskriminalamt Brandenburg, das die Projektleitung innehat, sind Partner im Projekt „Verteilung von Stimmqualitäten im Deutschen“. Im Projekt wird eine Datenbank entwickelt, in der stimmliche Merkmale von deutschen Muttersprachlern statistisch erfasst werden.
Die Arbeit der forensischen Phonetik
Manchmal ist in einem Gerichtsverfahren der entscheidende Beweis eine Sprachaufzeichnung. Dann werden Gutachter, wie die von der Universität Trier beauftragt, die Stimmen auf gerichtliche Fragestellungen zu untersuchen. Phonetiker schätzen dann zum Beispiel ein, ob eine Stimme eher heiser oder nasal klingt. Auch Dialekte oder fremdsprachige Akzente können an Hand spezifischer Merkmale bestimmt werden.
Die Universität Trier wird immer wieder nach phonetischer Expertise gefragt. Das Fach Phonetik oder genauer die Transferstelle PHONAM, dem Kompetenzzentrum für Forensische Stimmenanalyse und Stimmenvergleiche, bearbeiten solche Aufträge. Die Universität Trier ist der einzige Ort in Deutschland, an dem in Forschung und Lehre ein ausdrücklicher forensisch-phonetischer Schwerpunkt besteht. Bei kriminellen Machenschaften sind also auch Trierer Phonetiker die Experten, die Stimmenanalysen durchführen.
Die Analyse von 200 Sprechern zwischen Deutschland und Österreich
In der Studie Stimmqualitäten im Deutschen werden von den Projektpartnern aus Trier, Wien, Berlin und Eberswalde gemeinsam mit Hilfe eines bereits bestehenden Merkmalskatalogs stimmliche Merkmale in mindestens 200 Sprechproben erhoben. Sie werden beobachten, wie häufig bestimmte Merkmale, wie z.B. ein hoher oder tiefer Stimmklang, eine behauchte oder rau klingende Stimme auftreten.
Die Ergebnisse der Studie sollen zukünftig kriminaltechnische Untersuchungen optimieren. Mit Hilfe des Merkmalskataloges werten die Analysten die Beispiel-Stimmen aus und bereiten sie in einer Datenbank statistisch auf. Professor Jens-Peter Köster von der Transferstelle PHONAM ist überzeugt, die Studie bedeute einen wesentlichen Forschungsfortschritt und verbessere die Aussagekraft von Gutachten: „Durch unsere Forschung werden wir den Beweiswert von kriminaltechnischen Gutachten bei anonymen Sprachaufzeichnungen erheblich erhöhen können!“
Immer up to date: Selbsttest der Phonetiker
Die wenigen Experten der forensischen Phonetik in Deutschland verlassen sich nicht allein auf den Merkmalskatalog dieser neuen Studie. Denn zuletzt trafen sich die Praktiker und Wissenschaftler der Branche im März 2018 auf Einladung der Transferstelle PHONAM und Unterstützung des Fachs Phonetik an der Universität Trier.
Zwei Mal jährlich kommen sie an einem der Standorte zum Austausch in einem Workshop zusammen. In dem testen die Experten auch immer sich selbst. An Hörproben probieren sie aus, wie trennscharf sie Beispiele tatsächlich selbst zuordnen. Hauptsächlich diskutierten im März die Wissenschaftler verschiedener Forschungseinrichtungen Europas und deutscher Behörden, über den Rahmen des Forschungsprojekts hinaus, aktuelle Fallbeispiele. So bleiben sie, von denen die meisten auch als Gutachter gerichtlich auftreten, auf einem hohen Kompetenzniveau. Der Austausch von Wissenschaft und Praxis ist wohl geradezu vorbildhaft in dieser vergleichsweise kleinen wissenschaftlichen Disziplin und ihrer sehr speziellen Anwendung.
In Zukunft sind Stimmenanalysen treffsicher
Im konkreten Kriminalfall werden die Gutachter schlussendlich durch die EU geförderte Studie in Zukunft die Häufigkeit und Signifikanz eines phonetischen Merkmals genau darlegen können. Handelt es sich in den Aufzeichnungen immer um die gleiche Person? Welche stimmlichen Eigenschaften zeichnen die Sprecherin aus? Solche Fragen werden mit Abschluss des Projektes Mitte 2019 treffsicherer beantwortet werden als das bislang möglich war.
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