„Wir haben hier die Gelegenheit, das Schiff auf Herz und Nieren zu testen und dabei auch an die Grenzen der Leistungsfähigkeit zu gehen“, erklärt Prof. Dr. Christoph Schäfer. Der Althistoriker und Projektleiter ist mit dem bisherigen Verlauf der wissenschaftlichen Expedition in der Bucht von Cannes sehr zufrieden: „Wir haben bereits eine beachtliche Zahl an Messungen durchgeführt. Die ersten Erfahrungen auf See waren überraschend positiv, die Segeleigenschaften des Schiffs sind besser als erwartet. Es hat auch starken Wind und höhere Wellen gut bewältigt. Dennoch ist das Segeln mit einem solchen Schiffstyp höchst anspruchsvoll. Unser Respekt vor den Leistungen der antiken Seeleute und Kapitäne ist enorm gestiegen.“
Wrack als Blaupause
Nach vorangegangenen ergiebigen Forschungsfahrten auf der Mosel sammelt das Forschungsteam auf dem Mittelmeer nun Daten und Erfahrungen in der Umgebung, in der die Vorläufer der Bissula ihren Dienst taten. Bei der Bissula handelt es sich um einen an der Universität Trier bis ins Detail originalgetreu erstellten Nachbau eines vermutlich im dritten Jahrhundert n. Chr. gesunkenen römischen Seehandelsschiffs. Das besonders gut erhaltene Wrack aus der Bucht von Laurons bei Marseille diente als Blaupause für den Bau der Bissula, der in Kooperation mit der Hochschule Trier und weiteren Partnern von 2017 bis 2019 auf dem Campus der Universität Trier erfolgte.
„Man kann jetzt schon sagen, dass sich der Transfer ins Mittelmeer gelohnt hat“, zieht Dr. Pascal Warnking, Juniorprofessor für Maritime Antike an der Universität Trier, eine erste Zwischenbilanz. Das Schiff war wegen einer fehlenden Durchfahrtsgenehmigung mit einigen Tagen Verspätung in Cannes eingetroffen. „Wir erwarten einen markanten wissenschaftlichen Mehrwert. Schon bei den ersten Segelfahrten war feststellbar, dass sich das Schiff unter maritimen Bedingungen anders verhält als auf der Mosel“, sagt Warnking. Die bei den Expeditionsfahrten mit modernsten nautischen Messinstrumenten neu generierten Daten erlauben deutlich präzisere Aussagen zur Geschwindigkeit, zur erforderlichen Besatzung, zu Frachtkapazitäten, zu Seerouten und vielen weiteren Parametern. Daraus lassen sich wiederum Erkenntnisse zum antiken Seehandel ableiten, der trotz seiner enormen Bedeutung für die Wirtschaft dieser Zeit und als Triebkraft früher Globalisierungstendenzen bislang nicht ausreichend erforscht ist.