Die Welt, den Menschen und sich selbst entdecken – und das mit Stipendium

Sie nennen sich Villigster. Ihre Lebenswege könnten nicht unterschiedlicher sein: Die eine hat kurz vor dem Abschluss den Studiengang gewechselt, die andere nutzt jede freie Zeit zum Reisen. Was sie eint, ist ihre Offenheit gegenüber Neuem und die Liebe zum Menschen. Lena Happel und Kathrin Ringeisen sind Stipendiatinnen des Evangelischen Studienwerks Villigst.

Lena Happel und Kathrin Ringeisen
Lena Happel und Kathrin Ringeisen in der Zentralbibliothek. Die beiden können dort mit am besten für ihr Psychologiestudium lernen.

18 Jahre, das Abitur in der Tasche, und Kathrin Ringeisen entscheidet sich für 13 Monate nach Uganda zu gehen. Sie arbeitet mit geistig und körperlich behinderten Menschen und lebt mit Nonnen in einem katholischen Kloster. Außerhalb Europas war sie vorher noch nie.

Die Weltsicht der Moselanerin explodiert: „Umso länger ich in Uganda war, desto mehr hatte ich den Eindruck, dass wir in Deutschland unter einer Käseglocke leben. Abgeschirmt von allem.“ Sie schloss, das es nicht nur die eine Realität gibt, sondern viele geben muss: „Jetzt bin ich irgendwie zwischen den Realitäten. Die Welt ist klein und man sieht nur einen kleinen Teil.“

Angekommen im Psychologie-Studium ist Kathrin Ringeisen direkt wieder ausgereist. Es ging zurück nach Uganda, dieses Mal für ein zweimonatiges Praktikum in einem Hospiz in der Millionenhauptstadt. Die Lust zu reisen und der Hunger auf neue Erfahrungen lässt sie nicht los. Im Februar reist sie weiter nach Rom für ein ERASMUS-Semester, das Großstadtleben ausprobieren und in die Neuro-Psychologie schnuppern.

Villigster tauschen sich ständig aus und bringen sich ein

Gemeinsam mit zwei weiteren Trierer Studentinnen wird die Moselanerin im Studium von dem Evangelischen Studienwerk Villigst unterstützt, zufälligerweise ebenfalls Studentinnen der Psychologie. Gemeinsam gehen sie in Vorlesungen oder fahren zum Trier-Saar-Konvent, ein regionaler Zusammenschluss der Stipendiaten und Stipendiatinnen.

Flyer Evangelisches Studienwerk
Bibliothek
Bücherregal
Buch

Auf Konventtreffen erarbeiten sie zum Beispiel Themenvorschläge für die Sommeruni oder Seminare des Stipendienwerks. Die schlagen sie dann einem Programmausschuss vor, der ebenso nur von Stipendiatinnen und Stipendiaten organisiert wird. Der Austausch und neue Leute kennenlernen stehen im Mittelpunkt.

Für Kathrin Ringeisen ist das ein wichtiges Merkmal des Studienwerks: „Ich sehe es als Besonderheit der Villigster, dass man sehr daran interessiert ist, immer wieder mit anderen in Kontakt zu kommen.“ Die Villigster von Mosel und Saar treffen sich auch gern von Zeit zu Zeit mit Studierenden des Cusanuswerks, ein Begabtenförderungswerk mit katholischem Träger.

Die Uganda-Reisende ist erst seit dem letzten Sommer Teil des Evangelischen Studienwerks und hatte noch nicht so viel Gelegenheit sich in die verzweigten, demokratischen Strukturen einzuarbeiten. Um die zu verstehen, gibt es sogar ein 90-seitiges Pfade-Dokument. Das soll die Mitbestimmung der Stipendiatinnen und Stipendiaten im Studienwerk organisieren und dauerhaft sichern.

Demokratisch mitbestimmen im Studienwerk

Ihre Mit-Stipendiatin Lena Happel ist damit erfahrener: „Jede und jeder von uns ist Mitglied eines Konvents. Als Delegierte des Konvents könnte ich mit einem Abstimmungsmandat an Delegiertenkonferenzen teilnehmen oder ein Amt in einem Senat unserer Stipendiatinnen und Stipendiaten übernehmen.“ Die Mitbestimmung geht sogar so weit, dass sie in jedem Auswahlverfahren für die Neuen dabei sind, direkt mit auswählen oder sie vor Ort betreuen.

Villigster sind nicht alle evangelisch

Aufgenommen werden nicht nur evangelische Studierende, sondern auch Studierende mit einem anderen oder ohne konfessionellen Hintergrund. Lena Happel erklärt das mit dem Gedanken der Ökumene und dass die Stiftung über die eigenen konfessionellen Grenzen hinausblickt: „Das Studienwerk betrachtet den Menschen als Mensch. Wenn man keinen interreligiösen Austausch hätte, wäre das meiner Meinung nach ziemlich einseitig und die Ziele einer pluralistischen Gesellschaft könnte man dann gar nicht umsetzen.“

Fach wechseln und Stipendium behalten – so weit geht die Toleranz von Villigst

Die Toleranz und die demokratischen Strukturen der Villigster sind auch Lena Happel selbst zugutegekommen: die heutige Psychologiestudentin hatte schon fast einen Bachelorabschluss in Sprachwissenschaften. Als sie sich im 6. Semester trotzdem entschied, das Studium abzubrechen, traf sie einen Studienleiter des Evangelischen Studienwerks Villigst. Sie wechselte in das Psychologie-Studium an der Uni Trier und blieb Stipendiatin.

Der Kontakt zu anderen Psychologie-Studentinnen im Studienwerk hatte ihr geholfen, sich ihrer Entscheidung von vorneherein sicher zu sein.

Die Welt bereisen oder neue Studienwege finden – auf jedem Lebensweg werden Villigster, wie Lena Happel und Kathrin Ringeisen, von ihrem Studienwerk begleitet.

 

Der Artikel ist am 16. Januar 2018 veröffentlicht worden.