„Ich habe mich in Trier gleich wohlgefühlt“

Bei einem Campusspaziergang verrät die neue Universitätspräsidentin Prof. Dr. Eva Martha Eckkrammer, warum sie alte Bücher liebt, wie sie einmal mit Kind eine Vorlesung gehalten hat und was sie für ihre Amtszeit plant.

Die herbstliche Nachmittagssonne umspielt die bunten Blätter im Unipark, am See lachen vergnügt Kinder. „Es ist wirklich schön hier!“ Diesen Satz wird Eva Martha Eckkrammer bei dem kleinen Streifzug über den Campus noch häufiger sagen. „Als ich überlegt habe, mich für die Präsidentschaft zu bewerben, bin ich nach Trier gefahren und habe mich gleich in die Universität und die Region verliebt. Es war eine Bauchentscheidung und definitiv die richtige“, sagt die Romanistik-Professorin, die seit September die Geschäfte der Universität Trier leitet. Davor war sie 14 Jahre an der Universität Mannheim tätig, wo sie auch Erfahrungen als Prorektorin sammelte. „Was mich am Amt der Präsidentin gereizt hat, ist gestalten zu können.“

Porträt Eva Martha Eckkrammer

Wobei sie als Präsidentin wohl auch die Wissenschaft, die Vorträge auf Tagungen und das Bücher schreiben etwas vermissen wird, erzählt sie in der Universitätsbibliothek. Ein Buch aus dem Regal „Buchwissenschaft“ interessiert sie. „Es ist spannend, zu welchen Themen es hier alles Bücher gibt. Ich habe in etlichen Bibliotheken auf der ganzen Welt viel Zeit verbracht. Besonders mag ich die alten Bücher, deren Seiten fast auseinanderfallen.“ Ihren Weg in die Wissenschaft bezeichnet sie eher als Zufall. Ein Professor an der Universität Salzburg, an der sie studiert hat, hatte in einer Grundlagenvorlesung die Kreolsprache Papiamentu erwähnt, die noch nicht ordentlich erforscht wäre. Das Thema griff Eckkrammer dann später in ihrer Dissertation auf. „Ich habe nicht promoviert, um in die Wissenschaft zu gehen. Ich habe auch eine Firma gegründet und beispielsweise im Theater gearbeitet. Aber ich habe später gemerkt, wie viel Spaß mir die Forschung und Lehre macht und wie gerne ich im Hörsaal stehe.“

Als Mutter von zwei – mittlerweile erwachsenen – Söhnen, sei es dennoch nicht immer leicht gewesen, Lehre, Forschung und Familie miteinander zu vereinbaren. Als ihr erster Sohn noch ganz klein war, musste die Babysitterin kurzfristig absagen. Eva Martha Eckkrammer wollte jedoch die anstehende Vorlesung nicht ausfallen lassen und nahm das Baby kurzerhand mit. „Die Studierenden haben mich erstmal angeschaut, aber es ging alles und ich denke, es war gut so.“ Die relativ freie Zeiteinteilung als Professorin hat es ihr ermöglicht, sich um ihre Kinder zu kümmern, aber auch beispielsweise an Aufsätzen zur arbeiten. Exkursionen wurden so organisiert, dass die Kinderbetreuung sichergestellt war.

Chancengleichheit und Nachwuchsförderung hat Eckkrammer auch als Ziele für ihre Amtszeit in ihr Programm geschrieben. „Wir haben erst dann einen guten wissenschaftlichen Betrieb, wenn auch Frauen stärker beteiligt sind. Man muss Frauen schon ganz früh ansprechen, dass sie eine Promotion und eine wissenschaftliche Karriere ins Auge fassen. Außerdem ist es wichtig, sie im wissenschaftlichen Wettbewerb zu begleiten, auch wenn bei ihnen zwischenzeitlich Zweifel aufkommen.“

„Es ist immer Raum für Neues.“

Der Weg ins Audimax führt an der Mensa vorbei. Hat Eckkrammer denn schon den Burgergenerator ausprobiert, bei dem man unter Billionen Kombinationsmöglichen seinen persönlichen Lieblingsburger zusammenstellen kann? Leider ist sie noch nicht dazu gekommen, antwortet sie. Oft habe sie nur wenig Zeit zum Essen. Im Audimax erzählt Eckkrammer dann von ihrer eigenen Studienzeit. Eigentlich war ihr Plan, Japanologie in Wien zu studieren. Doch aus privaten Gründen wollte sie in Salzburg bleiben, wo es dieses Fach nicht gab. Stattdessen schrieb sie sich für Französisch und Spanisch ein. „Für mich waren die ersten Wochen wie eine Enthüllung, da ich erlebte, was alles zu den Fächern gehört: Sprachwissenschaft, Kulturwissenschaft, Literaturwissenschaft und Medienwissenschaft. Ich merkte, wie viel Freude es mir bereitet. Das ist wahrscheinlich für viele Studienanfänger so, dass sie noch gar nicht richtig wissen, was sie im Studium erwartet.“ Schon als Studentin war sie hochschulpolitisch engagiert und hatte gelegentlich der Universitätsleitung Briefe geschrieben, was man vielleicht noch verbessern könnte. „Ich erhoffe mir auch hier, dass die Studierenden als größte Gruppe das Gefühl haben, sie werden gehört.“ Um die Mitsprache der Studierenden zu erhöhen, möchte sie an der Universität Trier eine studentische Vizepräsidentschaft installieren, wie es sie in anderen Ländern häufiger gibt. Auch unabhängig davon ruft sie Studierende auf, sich mit ihren Ideen und Initiativen – ob Musik oder Vorträgen – in das Campusleben einzubringen. „Es ist immer Raum für Neues.“ Flache Hierarchien sind ihr ein besonderes Anliegen. Für Mitarbeitende möchte sie einen Staff Club etablieren, in dem man sich in ungezwungener Umgebung treffen kann. „Durch den Austausch in lockerer Atmosphäre entstehen neue Netzwerke und Projekte“, erhofft sie sich. „Vielleicht kann man sich zukünftig dadurch auch den einen oder anderen Anruf beziehungsweise Mails ersparen.“

„Wir sind als Wissenschaft dazu aufgerufen, ganz laut zu schreien, wenn wir sehen, dass Dinge in einer Schräglage sind.“

Als einen ihrer Lieblingsplätze auf dem Campus hat Eva Martha Eckkrammer die Terrasse des Senatssaals entdeckt. Dorthin nimmt sie – wenn sie es dann doch einmal schafft, Pause zu machen – ihre „Jause“ mit. Als gebürtige Österreicherin und passionierte Ski- und Snowboarderin fehlen ihr manchmal die Berge. „Das muss ich immer etwas im Winter konzentrieren“, sagt sie lachend. Als Ausgleich zur Schreibtischarbeit geht sie joggen oder Fahrradfahren. Von der Terrasse des Senatssaals öffnet sich der Weitblick über Trier. Hier hat Eckkrammer ebenfalls Pläne: „Ich möchte, dass die Universität in der Stadt sichtbarer wird. Die Universität hat viel zu sagen und sie sollte auf den Campus einladen, aber auch in die Stadt und Region gehen. Der Austausch mit den Menschen, die hier leben, ist wichtig.“ Sie denkt beispielsweise an unterschiedliche Interaktions- und Veranstaltungsformate. Aber auch ein permanenter Standort in der Innenstadt könnte eine Möglichkeit sein.

Auf dem Weg über das Forum hebt Eva Martha Eckkrammer eine auf dem Boden liegende Papierserviette auf und räumt sie weg. Das Gespräch kommt über die Beteiligung engagierter Studierender und Mitarbeitender an der Müllbeseitigungs-Aktion MoselCleanUp auf die Umweltwissenschaften, die Forschung zum Klimawandel und zur Biodiversität. „Wir sind als Wissenschaft dazu aufgerufen, ganz laut zu schreien, wenn wir sehen, dass Dinge – wie aktuell – in einer Schräglage sind. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs darüber, um gemeinsam die Zukunft zu sichern.“ Das Thema Nachhaltigkeit begleitet Eckkrammer schon länger persönlich wie beruflich. Als derzeitige Vizepräsidentin der Deutsch-Französischen Hochschule war sie am gemeinsamen Nachhaltigkeitsdialog beider Länder beteiligt. Das aktuelle Studienjahr an der Universität Trier hat sie unter das Thema Nachhaltigkeit gestellt. „In der Forschung, in Lehrangeboten für die Studierenden, in innovativen Projekten, bei der Gestaltung des Campus oder im Gebäudemanagement – überall geht es darum, beim Reflektieren und Handeln die Zukunft verantwortungsvoll im Blick zu haben. Nachhaltigkeit ist auch ein ständiger Begleiter der Strategien und Konzepte zur Positionierung und Weiterentwicklung der Universität."

Auf welchen Gebieten sollten sich denn vor allem die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer der Universität Trier mit ihrer wissenschaftlichen Expertise einbringen? „Wir sind in einer Zeit, in der sich viel ändert, in der Menschen auch Angst vor der Zukunft haben. Wir haben ein Fächerspektrum, das zur Objektivierung und gesellschaftlichen Diskussion beitragen kann. Wir sind mittendrin in einem großen Medienwechsel. Die Digitalisierung stellt uns vor Problemlagen, die wir vorher noch nicht kannten. Wie gehen wir mit Diversität um? Es sind viele Aspekte, die wir bearbeiten können, auch in der Verschränkung unserer Fächer.“

 

Vita

Die im österreichischen Hallein geborene Eva Martha Eckkrammer studierte Romanische Philologie an den Universitäten Salzburg und Coimbra. Für ihre Dissertation über Papiamentu verbrachte sie zwei Jahre in der Karibik. Sie erörterte darin, was Minderheitensprachen tun müssen, um einen Ausbauprozess zu erreichen und nicht auszusterben. Nach Stationen außerhalb der akademischen Welt – unter anderem hatte sie ihre eigene Eventagentur gegründet – führte ihr Weg zurück in die Wissenschaft. An der Universität Salzburg habilitierte sie zur Frage, wie sich medizinische Ratgeberliteratur für Laien in den vergangenen 750 Jahre verändert hat. Danach hatte sie Lehrtätigkeiten an den Universitäten in Passau und Heidelberg inne. 2009 übernahm sie an der Universität Mannheim die Professur für Romanische Sprach- und Medienwissenschaft. Dort war sie auch als Prorektorin tätig, zuerst für den Bereich Forschung, im Anschluss für die Bereiche Infrastruktur, Gleichstellung und wissenschaftlicher Nachwuchs. Als erste Frau führt sie seit September 2023 die Universität Trier. Gleichzeitig ist sie Vizepräsidentin der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH).

Eva Martha Eckkrammer mit Zeitschrift in der Bibliothek

Was unterscheidet die Universität Trier von anderen Hochschulen?

Zum einen hat die Universität Trier einen wunderschönen Campus. Zum anderen macht der Fächerkanon die Universität einzigartig. Aus diesem Fächerkanon ergibt sich die Möglichkeiten, die dringenden Fragestellungen unserer Zeit wie Digitalisierung und sozialen Wandel zu bearbeiten. Unter anderem macht uns als Universität Trier die besondere Verschränkung der Geistes- und Sozialwissenschaften mit der IT aus. Wir haben ein wirkliches Pfund in der Altertumswissenschaft. Die Psychologie bildet auf einem sehr hohen Niveau junge Menschen aus – so viele wie nirgendwo anders in Deutschland. Und dazwischen haben wir viele kleine wertvolle Pflanzen, die in verschiedenen interdisziplinären Kontexten gut wachsen. Ein Beispiel ist der Bereich Antisemitismusforschung. Aber eigentlich müssten noch viele mehr genannt werden.

… was sollte man gelesen haben: „Wir konnten auch anders – Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit“ von Annette Kehnel

… was sollte man gehört haben: die junge Sängerin Coco Aikura, die Indie-Pop in drei Sprachen macht

… was sollte man gesehen haben: den französischen Film „Die einfachen Dinge“ 

… was sollte man gemacht haben: die Mosel bis nach Koblenz entlang geradelt sein. Diese tolle Radtour habe ich im Juni gemacht.

Video-Interview mit der Präsidentin