Vom Wahlkampf in der Ukraine zum Stipendium

Wir stellen Stipendiaten der Uni Trier und ihre Förderwerke vor. Neu in unserer Reihe: Anna, unterstützt von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit.

Für die Politikerin mit den blonden Haaren und dem geflochtenen Zopf, für die hat sie Wahlkampf gemacht. Das erklärt Anna. Die Ukrainerin hat die Partei Julija Tymoschenkos in einer Lokalwahl nahe Kiew unterstützt. Überrascht von ihren Erfahrungen, entschloss sie sich danach für ein Praktikum im Deutschen Bundestag und kam zum Studium nach Trier. Dabei wird sie jetzt von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit unterstützt.

Anna sieht Erneuerungsbedarf im ukrainischen Wahlsystem: „Das existierende Wahlsystem kann gar keine fairen Wahlen in der Ukraine garantieren.“ Als 2015 der Wahlkampf in der Region Oblast Zhytomir, nahe der Landeshauptstadt Kiew, tobte, war sie PR-Koordinatorin für die Partei Tymoschenkos. Die damalige Bachelor-Studentin der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit leitete ein achtköpfiges Team von Designern, Textschreibern, Videoproduzenten und Mediaplanern. Sie organisierte Wählertreffen, schrieb Pressemitteilungen und bereitete Werbematerialien vor, machte Termine mit Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern.

Die Begegnungen mit den Bürgern geben ihr bis heute zu denken. Nur wenige interessiere Politik und nur wenigen sei bewusst, dass sie entscheiden, wer aus einer Wahl als Sieger hervorgeht. Beteiligung in der Lokalwahl war damals verschwindend gering, 38 Prozent. Seitdem ist die PR-Frau auf der Suche nach den Ursachen: „Ich glaube, es liegt daran, dass unser Staat noch relativ jung ist. Die politische Kultur und Bürgerliche Verantwortung fehlt!“

Auf der Suche nach politischer Verantwortung

Verantwortung möchte Anna auf jeden Fall übernehmen. Während der Wahlkampfzeit hatte sie noch den Bachelor an der besten Uni der Ukraine studiert, die Nationale Taras-Schewtschenko-Universität Kiew. Nach dem Abschluss wollte sie andere politische Systeme verstehen lernen und landete mit dem Internationalen Parlamentsstipendium (IPS) für fünf Monate im Deutschen Bundestag. Deutsch konnte sie schon durch ihre Schulzeit.

Inspiriert von dem neuen politischen Umfeld, bekam Anna Kontakt zu verschiedenen politischen Stiftungen. Dabei war die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit, die unter dem Slogan „Freigeister gesucht“ um Stipendiaten wirbt. Das Begabtenförderungswerk, das der Freien Demokratischen Partei (FDP) nahe steht, will Menschen helfen „sich aktiv in das politische Geschehen einzumischen“. Es sichere mit der materiellen Förderung die Rahmenbedingungen, aber die ideelle Förderung sollen die Stipendiaten durch ihr Engagement mit Leben erfüllen.

Die Ukraine vertreten und mit Vorurteilen aufräumen

Dieser Anspruch hat Anna am besten an der Friedrich Naumann Stiftung gefallen: „Jeder Mensch trägt Verantwortung. Man sollte mutig sein, die Verantwortung übernehmen und üben.“

Es gibt einige Vorurteile über die Ukraine, denen sich die heutige Trierer Studentin entgegenstellen will. Vor allem ist die Ukraine nicht gleich Russland. Kiew bedeute nicht nur Korruption und Armut. Die Hauptstadt ist wunderschön, modern und europäisch, auch wenn die Ukraine nicht EU-Mitglied ist. Und wenn man mal da ist, muss man sich unbedingt den zentralen Platz anschauen, den Majdan Nesaleschnosti. Das ist Annas Tipp. Denn dort spielte sich der Euromaidan ab, das Bürgerproteste im Winter 2013-2014. Hunderttausende Ukrainer begehrten gegen die überraschende Ankündigung der Regierung auf, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union vorerst nicht zu unterzeichnen.

Durch die Unterstützung der liberalen Stiftung studiert Anna an der Uni Trier den Master in Medienwissenschaft. Als nächstes erklärt sie das russisch-ukrainische Verhältnis anderen Naumann-Stipendiaten in einem selbstorganisierten Seminar. Danach geht es für ein Auslandssemester in die Schweiz. Wohin ihr Weg sie nach dem Abschluss führen wird, ist sie nicht sicher. Eine Institution der Europäischen Union, in der sie die Ukraine vertreten kann, das wäre es. Solange sie noch an der Uni Trier studiert, will sie Studierende motivieren, sich für ein Stipendium bei der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit zu bewerben: „Man muss nicht Parteimitglied oder politisch aktiv sein. Man sollte sich generell für etwas einsetzen, sich engagieren“ – Verantwortung übernehmen eben.

Weitere Stipendien-Artikel

Neben den Studienwerken bieten auch andere Organisationen Stipendien an, wie etwa der Deutsche Akademische Austauschdienst, DAAD. Hier gibt es unter anderen PROMOS-Stipendien für Studienaufenthalte, Forschungsprojekte oder Praktika im Ausland.

Stipendienberatung

Dr. Agnes Schindler
Stipendienreferentin
Gebäude V, Raum 32
Tel.: 0651/201‑3831
E-Mail: schindleruni-trierde
www.stipendien.uni-trier.de

Anna Chepizhko im Wahlkampf für Julija Tymoschenkos, Ukraine 2015