"Wein und Distinktion"

Ringvorlesung am 11. Dezember an der Universität Trier

"Wein und Distinktion" lautet das vierte Thema der Öffentlichen Ringvorlesung der Universität Trier "Luxus und Verschwendung". Prof. Dr. Alois Hahn und Dr. Rainer Diaz-Bone (FU Berlin) halten den Vortrag am Dienstag, 11. Dezember 2007, um 18 Uhr c.t., in Hörsaal 6. Interessierte aus Stadt und Region sind herzlich dazu eingeladen.

Sozialgeschichtlich gesehen stellte Wein in Deutschland und erst recht in den Gebieten, in denen er nicht wächst, schon als solcher ein Luxusgut dar, das nur wenigen als tägliches Getränk zur Verfügung stand. Selbst an der Mosel war er jedenfalls als Alltagsgetränk nur den Reichen vorbehalten. Die anderen hatten sich mit dem Viez, also dem vergorenen Apfelmost, als Vize-Wein zu begnügen. In Südfrankreich muss das im 19.Jahrhundert anders gewesen sein. Denn hier gehörte, wenn der Weinbergbesitzer Karl Marx recht hat, der tägliche Rotwein zum kulturell definierten Existenzminimum. Aber für Deutschland galt das nicht. Wer hier täglich Wein trank, drückte schon damit aus, dass er sich einen Luxus leisten konnte, über den andere nicht verfügten. Dazu passte auch die luxuriöse Form des Genusses: kostbare Gläser und Karaffen, ebenfalls aufwändige Speisen usw. Heute freilich könnte man meinen, dass Wein, schon weil es ihn bei Aldi oder Lidl für 2 € die Flasche zu kaufen gibt, jeden Bezug zum Luxus verloren hat. Das trifft aber keinesfalls zu. Nach wie vor kann man sich keinen Bauarbeiter vorstellen, der bei der Arbeit statt Bier Wein trinkt. Immerhin kann man sagen, dass der Luxus in Bezug auf Wein davon abhängt, welchen Wein man zu sich nimmt. Denn neben dem Billigwein beim Discounter gibt es auch solche (sogar rezente) Tropfen, die auf Versteigerungen über 3000 € kosten. Der Wert des Weins ergibt sich nun nicht ausschließlich oder auch nur primär aus seinen „materialen“ Geschmackseigenschaften. Was man schmeckt, ist weitgehend Resultat kultureller Prägungen einerseits und diskursiver Praktiken, sieht man einmal ab von ganz elementaren Differenzen wie süß oder sauer. So zeigen z.B. Experimente bei Blindtests, dass selbst fortgeschrittene Studenten von Weinbaufachhochschulen, einen rot gefärbten Weißwein für einen Rotwein halten, den sie dann kenntnisreich kommentieren. Das Etikett und die Weinansprache kreieren das Erlebnis ebenso wie der Kontext, in dem es stattfindet. Luxus distinguiert nur mithilfe von Diskurs, ist also eine soziale Konstruktion.