„God save the King“ – Wie man eine Krönung wissenschaftlich betrachtet

Von den Riten und Traditionen aus dem Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert: Die Inthronisierung des britischen Königs Charles III. beschäftigte Forschende der Universität Trier.

Es war das Medienereignis des Jahres 2023: Die Krönung von König Charles III. in einer mehrstündigen Zeremonie. Auch an der Universität Trier verfolgten viele die Zeremonie live aus der Westminster Abbey in London.

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Der Krönungstag in Trier und London

Bei einer Veranstaltung mit etwa 60 Gästen begleiteten Prof. Dr. Carsten Fischer, Prof. Dr. Thomas Rüfner und Emeritus Prof. Dr. Franz Dorn die Krönung am 6. Mai. Dabei ging es aber nicht um die geladenen Gäste aus den internationalen Königshäusern, die schicken Kleider der Prominenten oder das Drama um Prinz Harry. Stattdessen betrachteten die Professoren der Rechtswissenschaften und die Gäste das Medienspektakel an der Universität aus wissenschaftlicher Sicht und mit rechtshistorischem Kommentar.

Zur Vorbereitung auf die Veranstaltung an der Universität Trier wälzten alle drei Professoren das 34-seitige Dokument zum Ablauf des Ereignisses sowie zahlreiche Artikel und wissenschaftliche Paper zu vergangenen Krönungen. Als Staatsakt zahlt die britische Regierung die Krönung. Gesetzlich festgehalten oder vorgeschrieben sei die Zeremonie im britischen Recht jedoch nicht: „Der König oder die Königin steht zu jedem Zeitpunkt fest. Das heißt, Charles war ab dem Moment offiziell König, als Königin Elisabeth II. gestorben ist“, weiß Professor Rüfner.

Religiöse Symbole und Traditionen

Die Krönung selbst ist eingebettet in eine Liturgie, also eine Messe, die traditionell vom Erzbischof von Canterbury beauftragt, autorisiert und gehalten wird. Dass die britische Krönung auch heute ein dominant religiöser Akt ist, spiegelt sich am offensichtlichsten im Veranstaltungsort, der Westminster Abbey, wider. Seit dem Jahr 1066 lassen sich die britischen Könige und Königinnen hier krönen. Da der amtierende König auch das Oberhaupt der anglikanischen Gemeinschaft ist, spielen religiöse Traditionen eine übergeordnete Rolle.

Neben der Übergabe einer Bibel, auf die der König seinen Eid schwört, dem Wortgottesdienst und Gebeten, ist die Salbung ein weiteres religiöses Element: „Es fällt direkt auf, dass die Salbung exakt der bei den Frankfurter Krönungen der römisch-deutschen Könige und Kaiser im Heiligen Römischen Reich entspricht. Ursprünglich war die Salbung nämlich der wichtigste Akt der Königserhebung. Der Bischof spricht den König heilig, heilt ihn und gibt ihm Legitimation“, erklärt Emeritus Professor Dorn.

Traditionell findet die Salbung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, dieser Moment ist privat zwischen dem Monarchen und Gott. Der König trägt dabei eine weiße Albe, ein einfaches Leinengewand, das symbolisch für die Abkehr von weltlicher Eitelkeit steht.

Eine Krönung im 21. Jahrhundert

Von derlei Symbolen, Traditionen und Riten wissen die Professoren Dorn, Rüfner und Fischer ausführlich und fundiert zu berichten. „Die Zeremonie wirkt gleichzeitig würdevoll und aus der Zeit gefallen“, sagt Professor Fischer, der an der Universität unter anderem zur europäischen Rechtsgeschichte forscht. Schon beim ersten Punkt der Liturgie, der Anerkennung, wird klar, was Professor Fischer meint. Obwohl ihn die meisten Menschen auf der ganzen Welt kennen dürften, stellt der Erzbischof Charles III. vor und verlangt von den Gästen in der Kirche die Bereitschaft dem „unbestrittenen“ König zu huldigen. Traditionsgemäß antwortet die Festgemeinde: „God save King Charles!“

Diese Jahrhunderte alte Tradition unterbrachen auch die Änderungen in der Liturgie, die der Monarch selbst wünschte, wenig. Die Änderungen dürften eine Reaktion auf die Kritik sein, die es in Großbritannien und den Commonwealth-Staaten schon Monate vor der Krönung gegeben hatte. Zu teuer, zu angestaubt, zu religiös und zu aufgebläht. Dem begegnete Charles III. mit Kürzungen und Modernisierungen: „Neben den Vertretern der Church of England bezog die Zeremonie erstmals auch Frauen, Vertreter und Repräsentantinnen anderer Religionen und Ethnien ein. Außerdem wurde der Treueschwur erweitert, andere traditionsreiche Elemente die Eidesleistung aber gekürzt“, sagt Professor Fischer.

I swear that I will pay true allegiance to your majesty, and to your heirs and successors according to law. So help me God.

In den Krönungen zuvor schworen nur Mitglieder der Aristokratie dem König die Treue. Bei der Krönung von Charles III. lud der Erzbischof alle Regierten ein, den Eid zu sprechen, vom Gast in der Westminster Abbey bis zu den Commonwealth-Bürgerinnen und -Bürgern. Das wurde von vielen, insbesondere Monarchie-kritischen Britinnen und Briten als Missachtung des Volkes wahrgenommen. Auch an der Universität Trier kritisierten die Gäste die hohen Kosten und symbolischen Neuerungen. „Letztlich bleiben diese Modernisierungen nur Versuche. Wenn es ums Erbrecht geht, ist Diversität nicht möglich. Da stehen in der ersten Reihe immer weiße Männer. Das bildet die heutige britische Bevölkerung natürlich nicht ab“, gibt Professor Rüfner zu bedenken.

Doch trotz aller Kritik, die millionenschwere Zeremonie mit vielen Traditionen führte nicht nur zu Zuschauerrekorden im Fernsehen, sondern interessierte Menschen weltweit und das durchaus auch wissenschaftlich: „Das Interesse an der Veranstaltung an der Universität war riesig. Während der mehr als einstündigen Zeremonie tauchten sehr viele Fragen zur Geschichte von Krönungen auf, weil es einfach so viel (Rechts-)geschichte auf einmal zu entdecken gab“, meint Professor Fischer. Von den unterschiedlichen Gewändern, die Charles III. während der Zeremonie trug, über die Personen, die symbolträchtige Objekte hielten, bis hin zu den Juwelen in der Edwards-Krone: „In jedem Detail schlummern Traditionen und Rechtsgeschichte. Für uns als Rechtshistoriker ist die Krönung deshalb eine sehr spannende Lehrveranstaltung“, stimmen alle drei Professoren zu.

Ablauf der Krönung

Die Prozession zur Westminster Abbey eröffnete den Krönungstag für Charles und Camilla. Bevor der König und die Königin in die Kirche einzogen, gingen traditionell Geistliche und Repräsentierende der Commonwealth-Staaten voraus. Während des Einzugs in die Kirche begleitete das Königspaar eine Reihe an Pagen, Dukes, Lords und Earls. Die Insignien wie der Reichsapfel oder der St.-Edwards-Stab brachten wichtige Persönlichkeiten zum Hochaltar in der Westminster Abbey.

Der Ablauf der Krönung mit seinen fünf Kernelementen ist seit über tausend Jahren gleich:

1. Die Anerkennung | The Recognition
Der Monarch steht neben dem jahrhundertealten St. Edward’s Chair, und der Erzbischof von Canterbury stellt ihn den Gästen der Zeremonie vor.

2. Der Eid | The Oath
Der Monarch schwört, die Gesetze und die anglikanische Kirche zu achten.

3. Die Salbung | The Anointing
Der Erzbischof trägt auf Stirn, Hände und Brust von Charles III. ein zuvor geweihtes Öl auf.

4. Die Präsentation der Insignien | The Presentation of Regalia
Die Insignien werden traditionell von Mitgliedern des britischen Oberhauses und von Bischöfen der Anglikanischen Kirche präsentiert. Die Insignien haben historische, zum großen Teil auch religiöse Bedeutungen.

5. Die Krönung | The Crowning
Der Erzbischof von Canterbury segnet die Krone und setzt sie Charles III. auf. Danach erfolgt der Ausruf: „God save the king“, es ertönen die Glocken der Westminster Abbey, eine Fanfare sowie Salutschüsse an verschiedenen Orten. Gekrönt wurde Charles III. mit der St. Edward’s-Krone, die einzig für Krönungen genutzt wird.

6. Der Treueschwur | The Homage of The People
Im Vorfeld der Krönung von Charles III. war der Treueschwur umstritten. Während vergangener Krönungen stand es ausschließlich dem Erzbischof von Canterbury, gefolgt vom erblichen Adel in absteigender Reihenfolge, zu, dem König zu huldigen und ihm die Treue zu schwören. Der Treueschwur der sogenannten „Peers“, wurde durch die „Homage of the People“ ersetzt.

 

Die Insignien

Der Reichsapfel | The Orb
Der Reichsapfel (Orb) ist eine Darstellung der Macht des Souveräns und symbolisiert die Welt unter dem Kreuz Christi. Er misst einen Durchmesser von 15 Zentimetern und ist mit Perlen und Edelsteinen wie Rubinen, Saphiren und Smaragden verziert. Der Reichsapfel des Souveräns wurde im 17. Jahrhundert hergestellt und ist in drei Abschnitte unterteilt, die mit Bändern aus Edelsteinen versehen sind. Diese drei Abschnitte stehen jeweils für einen der drei Kontinente, die im Mittelalter bekannt waren.

Die Robe und Royale Stola | The Robe and Stole Royal
Die Robe ist einem kaiserlichen Krönungsmantel nachempfunden. Er stammt aus dem Jahre 1821 und ist das älteste Gewand bei der Krönung von Charles III. Der Krönungsmantel wurde bereits von George IV., George V., George VI. und Königin Elizabeth II. bei ihren Krönungen getragen.
Während seiner Krönung trägt der Monarch die sogenannte „Stole Royale“, ein traditionelles kirchliches Gewand, ähnlich einem Schal. Für Charles III. wurde eine neue „Stole Royale“ angefertigt. Zu den zahlreichen symbolischen Verzierungen gehören die Tudor-Krone, die das Monogramm des Königs repräsentiert, die Rose für England, die Distel für Schottland, den Lauch für Wales, das Kleeblatt für Nordirland, eine Taube für den Heiligen Geist, die vier Apostel und die gekreuzten Schlüssel des heiligen Petrus sowie weitere wichtige christliche Symbole.

Goldene Sporen | The Spurs
Die Goldenen Sporen wurden im Jahr 1661 für König Charles II. hergestellt. Die Verwendung von Sporen als Symbol geht auf das Jahr 1189 zurück. In dieser Zeit ritt der Monarch an der Spitze der Armee. Heute stehen die Sporen für Mut sowie Ritterlichkeit. Sie symbolisieren auch die Unterstützung von Bedürftigen.

Juwelen-Schwert | Sword of Offering / Jewelled Sword
Bei der Krönung sind verschiedene Schwerter von Bedeutung. Das mit Juwelen besetzte „Sword of Offering“ repräsentiert visuell drei andere Schwerter: das „Sword of State“, das „Sword of Spiritual Justice“ und das „Sword of Mercy“. Das juwelenbesetzte Schwert, hergestellt 1820, besitzt eine Stahlklinge und ist mit Gold und Edelsteinen besetzt, die symbolisch England, Schottland und Nordirland darstellen. Das Schwert symbolisiert Verteidigung, Fürsprache, Autorität und barmherzige Rechtsprechung. Bei der Krönung von Charles III. trug erstmals eine Frau dieses Juwelenschwert.

Die Armreife | The Armills
Armreifen werden bereits seit der Krönung von König Salomon (10. Jh. v. Chr.) eingesetzt und dienen als Symbol der Verbindung von Monarch und Bevölkerung. Die goldenen Armreife sind Teil der britischen Kronjuwelen. Die Reife mit rotem Samtfutter stehen für Aufrichtigkeit und Weisheit. Charles III. wurden die Armreife nicht übergestreift, sondern lediglich präsentiert und zurück zum Hochaltar gebracht.

St.-Edwards-Krone | St. Edward’s Crown
Die Krone ist das Herzstück der britischen Kronjuwelen und wurde im Jahr 1661 aus purem Gold mit 400 Edelsteinen geschaffen. Sie symbolisiert königliche Würde, aber auch das Konzept eines kostbaren Opfers, insbesondere das Opfer der Liebe. Sie steht für die göttliche Berufung des Königs und seinen Dienst für die Nation, nachdem er vor Gott gesalbt wurde. Die Krone erinnert den König ständig an die Versprechen und Gelübde seinem Volk gegenüber. Der König bemüht sich, diese Tugenden jeden Tag zu leben, und deshalb betet das Volk: „Gott, schütze den König!“

Der Ring | The Ring
Die symbolische Bedeutung des Herrschaftsrings ähnelt der von Eheringen sowie päpstlichen, erzbischöflichen oder bischöflichen Ringen. Sie alle stehen für Versprechen und Verpflichtungen, symbolisieren einen festen Bund und die Vereinbarung einer unzerbrechlichen, ewigen Bindung. Der Ring verbindet den König mit Gott und dem Volk, dem er dient.

Der Handschuh | The Glove
Der Handschuh symbolisiert den Souverän als Schützer und Fürsprecher des Volkes. Er erinnert auch daran, dass die Macht, die durch das Zepter repräsentiert wird, sanft und respektvoll ausgeübt werden sollte.

Die Zepter | The Sceptre | Zepter mit der Taube (Sceptre with Dove)
Das Zepter des Souveräns mit einer Taube, auch bekannt als „der Stab der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit“, repräsentiert die geistige Rolle des Souveräns. Die emaillierte Taube mit ausgebrei-teten Flügeln symbolisiert den Heiligen Geist und die fürsorg-liche geistliche Führung des Monarchen für sein Volk.

Die Zepter | The Sceptre | Zepter mit dem Kreuz (Sceptre with Cross)
Das Zepter des Souveräns mit einem Kreuz symbolisiert die weltliche Macht und Autori-tät des Souveräns. Es steht für eine weise und verantwortungsvolle Regierungsführung.