Studierende besuchen Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau

Nachdem sie sich im Wintersemester 2015/16 im Rahmen einer Übung mit der Geschichte von Auschwitz beschäftigt hatten, fuhren 13 Studierende gemeinsam mit Dr. Thomas Grotum und Dr. René Moehrle für eine Woche nach Oświęcim, um das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau zu besuchen und dort ihr Wissen über die Geschichte des größten NS-Konzentrations- und Vernichtungslagers zu vertiefen.

„Don´t you have enough?“, fragte der Security Guard an der Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich der Gedenkstätte verblüfft, als er die Gruppe zum dritten Mal erblickte. Zum Antworten blieb leider keine Zeit, da alle Teilnehmer/innen zügig durchgeschleust wurden.

Tatsächlich bildete die Gruppe aus 13 Studierenden, die von Dr. Thomas Grotum und Dr. René Moehrle betreut wurde, eine Ausnahme. In der Regel ist die Gedenkstätte nur ein Teil des buchbaren Tagesausflugs nach Oświęcim – Stammlager, möglicherweise noch ein kurzer Abstecher nach Birkenau, und dann wieder zurück. Die Besuchergruppen werden dabei eilig von Punkt zu Punkt dirigiert, für eine ausführliche Auseinandersetzung bleibt somit kaum Zeit.

Die Studierenden, die sich zuvor im Rahmen einer Übung mit der Geschichte von Auschwitz beschäftigt hatten und mit hohem Interesse an der 7-tägigen Exkursion (14.-21.5.2016) teilnahmen, konnten hingegen an vier Tagen die Gedenkstätte erkunden. Dies alles wurde auch durch den Umstand ermöglicht, dass der Exkursionsleiter, Dr. Thomas Grotum, sechs Jahre an der computergestützen Erfassung und Sicherung der Quellenbestände des Gedenkstättenarchivs gearbeitet hat und in diesem Kontext an der Publikation mehrerer Quelleneditionen beteiligt war.

Zunächst wurde die Gruppe von Dr. Jerzy "Jurek" Dębski, einem ehemaligen Kollegen von Thomas Grotum, Mitarbeiter der Forschungsabteilung des Museums und Autor einer Studie über den polnischen militärischen Widerstand im Konzentrationslager Auschwitz, in einer 4-stündigen Führung mit dem Gelände des Stammlagers und den einzelnen Stationen vertraut gemacht. Anschließend hatten die Student/inn/en die Möglichkeit, die sich auf dem Gelände befindlichen Nationalen Ausstellungen eigenständig aufzusuchen. Am Abend wurden die Erlebnisse und Gedanken in einer gemeinsamen Runde ausgetauscht.

Am darauffolgenden Tag fuhr die Gruppe in das 3 km vom Stammlager entfernte Birkenau, wo ab 1941 ein über 100 ha großes Lager (Auschwitz II) für zunächst etwa 100.000 Häftlinge errichtet worden war. Darüber hinaus fungierte Birkenau als "Zentrum der Vernichtung"; an diesem Ort wurden über 1 Millionen Menschen ermordet - mehr als 90 % von ihnen, weil sie als Juden nach Auschwitz deportiert worden sind. Auch die Geschichte dieses Ortes brachte Dr. Dębski der Gruppe näher. Die Ausmaße des Lagers, die bereits während der Führung deutlich wurden, konnten schließlich noch einmal durch einen Blick über das Gelände aus dem Turm des Torgebäudes erfasst werden.

Den vierten Tag verbrachte die Gruppe wieder auf dem Gelände des ehemaligen Stammlagers und informierte sich über das Archiv des Museums. Nach einem Einführungsvortrag über  die dort vorhandenen Quellen konnten sich die Studierenden anhand von thematisch Mappen mit Quellenbeispielen unterschiedlichen Themen nähern.

Daraufhin stand ein langer Besuch der Historischen Sammlungen an, die nicht zum öffentlich zugänglichen Teil der Ausstellung in der Gedenkstätte gehören. Häftlinge mussten ihr handwerkliches und künstlerisches Geschick ganz offiziell in vielen Bereichen zeigen,  wenn sie Portraits, Plakate, Schilder oder Schulungsmaterial für die SS schufen oder ein Modell des geplanten Ausbauzustandes für das Stammlager anfertigten. Auch - eigentlich illegale - Auftragsarbeiten für Mitglieder der Wachmannschaft gehören zu den vorhandenen Werken. Schließlich arbeiteten die Häftlinge oft auch heimlich, schufen Spielzeug für die inhaftierten Kinder, porträtierten sich gegenseitig oder fertigten kleine Geschenke an.

Eine kurze "Verschnaufpause" bildete die Tagesreise nach Krakau, der "heimlichen Hauptstadt Polens". Einziger offizieller Programmpunkt war eine 4,5 Stunden dauernde Stadtführung, die im ehemaligen jüdischen Viertel Kazimierz begann, über den Wawel mit dem Königsschloss und der Kathedrale führte, das Universitätsviertel mit dem Collegium Maius umfasste und schließlich in der Innenstadt mit dem Marktplatz  und der Marienkirche endete. Der Rest des Tages stand - bei bestem Wetter - zur freien Verfügung. Bezeichnenderweise traf sich ein Großteil der Gruppe am späten Nachmittag in dem beeindruckenden Historischen Museum, das in der ehemaligen Emaille-Fabrik von Oskar Schindler eingerichtet worden ist und die Geschichte der Stadt Krakau und ihrer Bewohner in der Zeit der deutschen Besatzung (1939-1945) zum Thema hat.

Am letzten Tag vor Ort betrachteten die Teilnehmer das Thema "Auschwitz“ zunächst auf einer anderen Ebene, indem sie die Ausstellung des ehemaligen Auschwitz-Häftlings Marian Kołodziej (1921-2009) besichtigt haben. Kołodziej verarbeitete seine traumatischen Erfahrungen nicht textuell, sondern bildlich. Damit wurde die Ausstellung zum emotionalen Höhepunkt der Exkursion. Im Anschluss fuhr die Gruppe nach Monowitz, wo noch heute das Chemie-Werk existiert, das als Buna-Werk von der IG Farben errichtet worden ist und kurz vor der Fertigstellung angesichts der vorrückenden Front fast unbeschädigt zurückgelassen wurde. Auf dem Gebiet des ehemaligen Häftlingslagers (Auschwitz III) direkt neben dem Fabrikgelände befindet sich heute eine Wohnsiedlung. Lediglich ein kleines Denkmal erinnert an das ehemalige Lager. Ein weiteres Denkmal an der Einfahrt zum Fabrikgelände ist den Opfern der Zwangsarbeit im Konzentrationslager Monowitz gewidmet.

Am Nachmittag blieb noch etwas Zeit, um sich mit Literatur in den diversen Buchläden der Gedenkstätte einzudecken, Mitbringsel einzukaufen oder einfach noch einmal einen Ort aufzusuchen, der einem besonders wichtig geworden war. Genau eine Woche nach dem Beginn der Reise ging es dann über Kattowitz und Frankfurt-Hahn in 6,5 Stunden wieder zurück nach Trier.

Die Exkursion wurde vom Freundeskreis Trierer Universität e.V. und vom Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz gefördert.