Lehrer von über 5000 Studierenden

Abschiedsvorlesung des Trierer Soziologen Roland Eckert

Im Rahmen der Veranstaltung werden Kollegen wie Prof. em. Dr. Dr. h.c. Friedhelm Neidhardt vom Wissenschaftszentrum Berlin, Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer vom Institut für Konflikt und Gewaltforschung der Universität Bielefeld und sein Schüler Privatdozent Dr. Helmut Willems von der Arbeitsgemeinschaft sozialwissenschaftliche Forschung und Weiterbildung an der Universität Trier e. V. "Vorbereitete Kommentare" halten. Der Schriftsteller, Liedermacher und Kabarettist, Christoph Stählin aus Hechingen, beteiligt sich mit einem literarischen Beitrag. Im Anschluss folgt ein Empfang im Gästeraum der Universität.

 

Aus der Laudatio

Der Kollege im Fach Soziologie an der Universität Trier, Prof. Dr. Alois Hahn hat die folgende Laudatio für Roland Eckert geschrieben:

Roland Eckert wurde Ende September emeritiert. Er war insgesamt über dreißig Jahre Professor für Soziologie an der Universität Trier, wenn man von einem Zwischenspiel von drei Semestern an der Universität Köln absieht. Während dieser Zeit war er - berücksichtigt man nur seine Vorlesungen über die Grundbegriffe der Soziologie - der Lehrer von mehr als 5.000 Studierenden. Bevor er nach Trier kam, hatte er unter anderem in Tübingen und Freiburg studiert. Dort war er Schüler von Arnold Bergstraesser und Friedrich H. Tenbruck. Promoviert wurde Eckert in Freiburg mit einer Arbeit zur Geschichte der Soziologie. Es handelt sich um eine Untersuchung zur Problematik der Theorie des sozialen Wandels. Er setzt dabei die Theorien Alfred Webers zu den (damals) neueren Konstruktionen der amerikanischen Soziologie in Beziehung.

 

Seine Arbeit in Trier ist aber vor allem durch eine Hinwendung zur empirischen Forschung charakterisiert, die freilich nie den Kontakt zur Theorie verlor. Im Zentrum standen zunächst Untersuchungen zur innerfamilialen Dynamik, die mit Hilfe quantitativer Designs abgebildet werden sollte. Im Laufe der Zeit gewannen aber qualitative Studien ein immer größeres Gewicht für seine Arbeit. Thematisch stand dabei vor allem die Jugendforschung im Vordergrund. Die unterschiedlichen Jugendszenen wurden mit geradezu ethnographischer Akribie nachgezeichnet:. Viele der von ihm geleiteten Analysen lesen sich wie spannende Expeditionsberichte aus fremden Welten, obwohl dieses Reich der Exotik überall in unseren Städten und Dörfern sich abspielt. Da erfährt man etwas über die bunte Vielfalt der Musikszenen, aber auch über die unterschiedlichsten "Lebensstile" oder über gewaltaffine Gruppen. Ein besonderes Augenmerk Eckerts galt auch stets den verschiedenen Kulturen der Mediennutzung. In den letzten Jahren war sein Blick vor allem auf die Beobachtung der Jugendgewalt und ihrer medialen Widerspiegelung gerichtet. Dabei verallgemeinerte sich das Interesse zunehmend auf die Soziologie der Ausübung privater Gewalt in unserer Gesellschaft ganz generell. Es waren diese öffentlich viel beachteten Forschungen, die Eckert die Berufung in den überaus ehrenvollen "Rat der Weisen" für die Gewaltproblematik einbrachten.

 

Eckerts Arbeiten haben stets den engen Bezug zur gesellschaftlichen Praxis gewahrt. Dabei gehörte auch die konkrete Beratung wirtschaftlicher und politischer Entscheidungsträger zu seinem Programm. So war er z. B. Mitautor des wichtigen Gewaltberichts der Bundesregierung. Dass Eckert all diese Forschungen nicht allein betreiben konnte, versteht sich von selbst. Vielmehr hat er während seines Wirkens in Trier eine große Zahl höchst kompetenter junger Forscherinnen und Forscher ausgebildet, mit denen er seine oft bahnbrechenden Studien in bisweilen schwer zugänglichen Feldern durchgeführt hat. Eigentlich versteht man seine Arbeit nur zur Hälfte, wenn man diesen Aspekt nicht berücksichtigt. Er ist in insofern der Initiator einer ganzen Schule von empirischer Sozialforschung geworden, die der Trierer Soziologie nationale und internationale Anerkennung eingetragen hat.

 

Die Trierer Universität hat auch von Eckerts Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung sehr profitiert. So war er ihr als Dekan und Prodekan verbunden. Seine Schüler, Mitarbeiter und Kollegen sind jedenfalls sehr froh, dass die Emeritierung nicht bedeutet, dass er sich aus Forschung und Lehre gänzlich verabschiedet. Im Gegenteil: Es steht zu hoffen, dass der neue Status für ihn eher als Entlastung von lästigen Routinearbeiten und dadurch zur Befreiung zu den Aufgaben wird, die ihn besonders interessieren.