Krisenintervention bei kritischen Lebensereignissen

2. Fachtagung Psychologie Psychotherapie im Fach Psychologie

Der plötzliche Tod einer nahe stehenden Person, Naturkatastrophen oder auch sogenannte man-made-Traumata wie Krieg, Folter oder Vertreibung: Etwa 75 % der Bevölkerung widerfährt im Laufe ihres Lebens ein kritisches Lebensereignis oder Menschen machen eine traumatische Erfahrung. Bei rund 25 % der Betroffenen treten in der Folge Anpassungs- und Belastungsstörungen oder Posttraumatische Belastungsstörungen auf, oftmals in Verbindung mit affektiven Störungen, Angststörungen sowie Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Zur Verarbeitung solcher Erfahrungen kommen daher Krisenintervention und Traumatherapie eine besondere Bedeutung zu. "Krisenintervention bei kritischen Lebensereignissen" war Thema einer Fortbildung für Psychotherapeuten an der Universität Trier, an der 40 Psychologische und Ärztliche Psychotherapeuten/-innen teilgenommen haben.

 

Aufgrund der großen positiven Resonanz auf die 1. Fachtagung für Psychologische Psychotherapie im Fach Psychologie veranstalteten Prof. Dr. Günter Krampen, Professor für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Wissenschaftsforschung im Fach Psychologie der Universität Trier und Dr. med. Joachim Faude, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Allgemeine Medizin und Spezielle Schmerztherapie Anfang April 2006 diese 2. Fachtagung.

 

Im Rahmen von Vorträgen und Workshops gaben die Fachvertreter Dr. Peter Aymanns, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fach Psychologie der Universität Trier, Prof. Dr. Dieter Ferring, Leiter des Studiengangs "Master in Gerontologie" an der Université du Luxembourg und Prof. Dr. Gottfried Fischer, Direktor des Instituts für Klinische

Psychologie und Psychotherapie der Universität zu Köln und Begründer der Psychotraumatologie in Deutschland ihr Wissen weiter.

 

Maßnahmen der Krisenintervention, indiziert in einer akuten Krise im Sinne eines passageren Ausnahmezustandes bei einer guten psychischen, sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit vor Beginn der Krise, zielen auf eine Beziehungsaufnahme und emotionale Entlastung der Betroffenen, die Prävention von negativen psychischen, sozialen und gesundheitlichen Folgen sowie auf die Wiederherstellung von Handlungsfähigkeit und Selbstvertrauen ab. Da die Krisenintervention primär präventiv ausgerichtet ist, sei ein Versorgungssystem

entscheidend, das schnell Hilfe in Krisensituationen leisten kann, so Dr. Peter Aymanns. Anhand von Fallbeispielen vermittelte Dr. Aymanns Konzepte und Techniken der Krisenintervention.

 

Konnte die kritische/traumatische Erfahrung nur ungenügend

verarbeitet werden, bleibt sie als undifferenzierter Erinnerungskomplex im Traumaschema erhalten mit der ständigen Gefahr, einen unkontrollierbaren Erlebniszustand mit überwältigenden Gefühlen und erneuter Traumatisierung heraufzubeschwören. Das Posttraumatische Belastungssyndrom (PBS) entwickelt sich. Um den gefährlichen Erlebniskomplex zumindest zeitweise unter Kontrolle zu bringen, entwirft der/die Betroffene als kontrollierende Gegenmaßnahme ein traumakompensatorisches Schema (TKS), das eine Wiederholung des Traumas vermeiden soll. Hier setzt die Mehrdimensionale Psychodynamische Traumatherapie (MPTT) von Prof. Dr. Gottfried Fischer an. Anknüpfend an die präventive Komponente des TKS und den persönlichkeitstypischen Kontrollstil zielt die Basisinterventionslinie der MPTT darauf ab, das traumakompensatorische Schema zu stärken und zu differenzieren. Es resultiert eine dialektisch herbeigeführte Aufhebung der traumabedingten Konflikte und Widersprüche, wie sie im Zentralen Traumatischen Situationsthema gebündelt sind. Im Unterschied zu anderen traumatherapeutischen Techniken kommt die MPTT ohne Konfrontation mit der traumatischen Erfahrung aus. In kontrollierten Vergleichsstudien konnte die Wirksamkeit der Trauma-Akuttherapie, eine Variante der MPTT, eindrucksvoll nachgewiesen werden. Am Beispiel eines Gewaltopfers führte Prof. Dr. Gottfried Fischer in die Trauma-Akutbehandlung ein. Sie umfasst fünf bis 15 Behandlungsstunden und ist bis zu vier Monaten postevent indiziert.

 

Für den Umgang mit kritischen oder traumatischen Erfahrungen und deren Auswirkungen sind das individuelle Wertesystem des/der Betroffenen sowie sein/ihr kultureller und sozialer Kontext entscheidend. Sie machen seine/ihre subjektive Realitätskonstruktion aus und bestimmen sein/ihr Verhalten und Erleben - auch im therapeutischen Setting. Hinzu kommen die verschiedenen Identitätsfacetten des Therapeuten.

 

Vor dem Hintergrund des heuristischen Modells der kognitiven Adaptation forderte Prof. Dr. Dieter Ferring ein geschärftes Bewusstsein für die Vielschichtigkeit der impliziten und expliziten Therapieaufträge auf Seiten von Patient/-in und Therapeut/-in. Ein Appell, der unabhängig vom Störungsbild in der therapeutischen Arbeit unbedingt zu berücksichtigen ist.