„Eine Diebstahlanzeige online zu erstatten, ist anders als eine Amazon-Bestellung“

Die Wirtschaftspsychologie der Universität Trier forscht zur Interaktion zwischen Mensch und Computer. In einem Projekt wurde die Onlinewache der Polizei Rheinland-Pfalz evaluiert. Auch Psychologie-Studierende haben dabei einiges gelernt.

Wenn das Fahrrad geklaut wurde, das geparkte Auto plötzlich eine Delle hat oder man Opfer eines Betrügers im Internet geworden ist, gibt es seit circa vier Jahren die Möglichkeit, die Anzeige bei der rheinland-pfälzischen Polizei online zu stellen. Aber will man das auch? Schließlich kann man nicht einmal schnell beim Polizeibeamten nachfragen, wenn etwas unklar ist. Sind meine Daten sicher? Und reichen meine Angaben dann nachher auch für die Versicherung? Gemeinsam mit Polizeirat Thomas Welsch vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz haben Teams der Wirtschaftspsychologie um Prof. Dr. Thomas Ellwart und der Empirischen Sozialforschung um Prof. Dr. Rüdiger Jacob zur Nutzung der Onlinewache geforscht. Darüber hinaus wurden Polizistinnen und Polizisten befragt, die für die Weiterbearbeitung der Anzeigen verantwortlich sind. Sowohl Bachelor- als auch Masterstudierende der Psychologie haben bei der Evaluierung mitgewirkt.

Wie sehr wir Online-Anwendungen vertrauen

„Wir verbringen viel Zeit vor dem Bildschirm. Den Studierenden war vor dem Projekt gar nicht bewusst, wie viel Psychologie hinter der Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Computer steckt. Bei jeder Online-Bestellung laufen psychologische Prozesse ab. Natürlich ist die Erstattung einer Anzeige über die Onlinewache anders als eine Bestellung bei Amazon“, sagt Thomas Ellwart. Besonders interessiert hat die Forschenden, warum Personen die Onlinewache nutzen oder möglicherweise doch lieber zur örtlichen Polizeiwache gehen. Zum einen hänge es mit der Leistungserwartung zusammen, erklärt der Professor für Wirtschaftspsychologie: Kann ich in das Formular der Onlinewache alle Informationen eintragen, damit die Polizei den Fall bearbeiten kann? Daneben spiele auch das Vertrauen in das System, wie beispielsweise zum Datenschutz, eine Rolle. „Wir Menschen orientieren uns aber auch an der Meinung anderer. Wenn ein Freund sagt, dass man die Onlinewache besser nicht nutzen soll, lasse ich es eher bleiben.“ Gründe für die Nicht-Nutzung der Onlinewache können auch mangelndes Vertrauen in die eigenen technischen Fähigkeiten sein und die Angst, etwas falsch zu machen.

 

Die lilaforbenen Punkte zeigen, auf welche Bereiche der Onlinewache-Webseite Nutzer besonders lang und häufig geschaut haben.
Die lilaforbenen Punkte zeigen, auf welche Bereiche der Onlinewache-Webseite Nutzer besonders lang und häufig geschaut haben.

Hier gäbe es laut Ellwart die Möglichkeit, beispielsweise durch das Herausstellen der einfachen Bedienbarkeit der Onlinewache, den potenziellen Nutzerinnen und Nutzern die Selbstzweifel zu nehmen. Insgesamt bescheinigt das Forschungsprojekt zur Evaluation der Onlinewache jedoch eine gute Gebrauchstauglichkeit. Für das Projekt wurden fast 1.800 Personen, die über die Onlinewache eine Anzeige aufgegeben haben, befragt. Daneben haben Bachelor-Studierende Probanden bei der simulierten Anzeigenerstellung beobachtet und befragt. Mit einem Eye-Tracking-Gerät konnte herausgefunden werden, auf welche Bereiche der Onlinewache Probanden besonders ihre Aufmerksamkeit richten. „Teilweise wurde die Informationslastigkeit der Website kritisiert oder auch das Fehlen von freien Eingabefeldern angemerkt. Jedoch wurde insgesamt die Nutzerfreundlichkeit sehr positiv und als gegeben beurteilt. Zudem muss die Onlinewache die Nutzer rein rechtlich auf gewisse Dinge hinweisen. Und die eingegebenen Daten müssen kompatibel mit dem von der Polizei genutzten System sein“, erklärt Ellwart.

Seltene Einblicke in einen sensiblen Bereich

Auch die meisten der von Master-Studierenden befragten Polizeibeamten waren zufrieden mit der Onlinewache. Problematisch wurde jedoch gesehen, dass teilweise Dinge über die Onlinewache angezeigt werden, welche polizeilich gar nicht relevant für die weitere Bearbeitung der Strafanzeige sind. Auf der anderen Seite würde in seltenen Fällen die Onlinewache auch für die Anzeige von schweren Verbrechen wie Entführung oder Körperverletzung genutzt. Für solche und alle anderen Fälle, bei denen sofortiges Handeln erforderlich ist, ist die Onlinewache nicht gedacht, sondern der Notruf 110. Um dennoch schnell reagieren zu können, werden die eingehenden Anzeigen der Onlinewache 24 Stunden täglich und an sieben Tagen in der Woche bearbeitet. Ärgerlich ist sowohl für die Polizei wie auch für die Anzeigen stellenden Personen, wenn Informationen fehlen. Im Zweifel muss der Anzeigensteller, wenn er nicht anders erreichbar ist, dann doch zur Klärung zur Polizeidienststelle vor Ort kommen.

„Für die Studierenden war es auf jeden Fall sehr spannend, in diesen Bereich des öffentlichen Dienstes Einblicke zu bekommen. Ich finde es auch großartig, dass wir als Universität Trier dazu beitragen können, den Service der Landesbehörde zu verbessern, und die Polizei uns als Universität das Vertrauen entgegenbringt“, sagt Thomas Ellwart.

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Ellwart
Wirtschaftspsychologie
E-Mail: ellwart@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-2051

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