„Wir haben unter realen Bedingungen auch die strapaziösen Aspekte der Seefahrt erlebt. Zugleich waren diese Tage für alle Beteiligten ein unvergleichliches Erlebnis“, fasst Prof. Dr. Christoph Schäfer, Althistoriker und Leiter des Projekts, Eindrücke der Expedition zusammen. Er betont aber auch: „Wir sind mit Respekt an die Aufgaben herangegangen und haben stets darauf geachtet, die Risiken zu minimieren.“
Die unbeschadete Rückkehr der Besatzungsmitglieder und des Römerschiffs Mitte November nach Trier war zugleich der vorläufige Abschluss eines dreistufigen experimentellen Prozesses. Er diente dem Ziel, mit der Bissula in unterschiedlichen Szenarien eine große Breite an technischen Daten, etwa zu erreichbaren Geschwindigkeiten, Manövrierbarkeit, segelbaren Kursen, Transportkapazitäten und zur erforderlichen Besatzung zu gewinnen. Die Verknüpfung dieser Daten mit betriebswirtschaftlichen Modellen ermöglicht Aussagen zum Warenverkehr und Güterumschlag in römischer Zeit und darüberhinausgehend zu der vom Seehandel stark geprägten antiken Wirtschaft. In der Langzeitperspektive geht es auch um die Frage, inwieweit der für die Überwindung großer Distanzen prädestinierte Seehandel frühe Globalisierungstendenzen ermöglicht bzw. gefördert hat.
Erste experimentelle Phase auf der Mosel
Nach der Fertigstellung der Bissula in den Jahren 2017 bis 2019 hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Pandemie-bedingt bis 2023 länger als vorgesehen Zeit, sich bei Fahrten auf der Mosel mit dem Verhalten des Schiffs vertraut zu machen. In diesem Zeitraum wurden die vorgesehene Methodik überprüft, die Schiffsbesatzung ausgebildet und in Zusammenarbeit mit Kollegen der Hochschule Trier das Messinstrumentarium optimiert. Die von der Messelektronik dreimal pro Sekunde synchron gespeicherten Daten zu Windrichtung, Windstärke, Geschwindigkeit und Kursen dienen unter Eliminierung externer Einflüsse wie der Versetzung (Drift) durch Strömung und Wind der Erstellung eines Polardiagramms. Ein solches Polardiagramm bildet die Eigenschaften eines Segelschiffs ab, das heißt mit welcher Geschwindigkeit und in welche Richtung es bei unterschiedlichen Windstärken und Windwinkeln fahren kann.
Um für das hochseetaugliche Frachtschiff Bissula alle erforderlichen Daten zu erheben, war ein Transfer auf das Meer unabdingbar. Denn während die meisten Kurse auf der Mosel gesegelt werden konnten, ließ sich vor allem das Segeln im Seegang auf der Mosel nicht hinreichend erproben und messen.
Zweite experimentelle Phase auf dem Mittelmeer
Das zweite experimentelle Szenario wurde daher mit dem spektakulären Transport der Bissula per Kranverladung auf einen Schwertransporter ins französische Cannes eingeleitet. Auf die glamouröse Küstenstadt als Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Mess- und Testfahrten war die Wahl wegen der dort günstigen Wind- und Wetterbedingungen sowie aus pragmatischen Gründen gefallen. Die Stadtverwaltung wie auch der Alte Hafen in Cannes zeigten sich überaus kooperativ bei der Bereitstellung von Liegeplatz und Infrastruktur für das Trierer Forschungsteam.
„Schon bei den ersten Segelfahrten war feststellbar, dass sich das Schiff unter maritimen Bedingungen anders verhält als auf der Mosel“, zog Projektpartner und Besatzungsmitglied Pascal Warnking vor Ort eine erste positive Zwischenbilanz des Einsatzes auf dem Mittelmeer. Der Juniorprofessor für Maritime Antike ist Experte für die Erstellung digitaler Routensimulationen mithilfe modernster Software.