Wirtschaft braucht Linguisten

Zur Praxisorientierten Linguistikausbildung an den Hochschulen

„Das machen Linguisten? Das ist ja genau das, was wir brauchen! - Diesen erstaunten Ausruf hören wir von Vertretern der Wirtschaft immer wieder, wenn sie erfahren, dass Linguisten professionell präsentieren, stilistisch perfekt schreiben und komplizierte Sachverhalte an ganz unterschiedliche Zielgruppen vermitteln können“, sagte Professor Dr. Hans Strohner von der Universität Bielefeld bei seinem Vortrag im Arbeitskreis „Kommunikation und Profession“. Der Arbeitskreis findet regelmäßig im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) statt, die dieses Jahr vom 30. September bis 2. Oktober 1999 in Frankfurt/Main tagte. Die Teilnehmer forderten an Ende der Tagung eine praxisorientierte Linguistikausbildung an den Hochschulen und stellten das Linguistikstudium an der Universität Bielefeld und der Universität Trier als „vorbildlich“ heraus.

 

Auf der Tagung trafen sich Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft, um erfolgreiche Kooperationen zwischen Linguistik und Industrie im Bereich der Technischen Dokumentation vorzustellen, aber auch, um die weiteren beruflichen Perspektiven für Linguisten zu diskutieren.

„Da Linguisten Schlüsselqualifikationen im Bereich der Kommunikation und der Wissensvermittlung besitzen, arbeiten sie vor allem in Wirtschaftslektoraten, der Öffentlichkeitsarbeit, der Technischen Dokumentation und im Bereich Kommunikationstraining“, so Dr. Annette Lepschy, Linguistin und Unternehmerin aus Münster.

Speziell im Bereich der Technischen Dokumentation können Linguisten helfen, Gebrauchsanweisungen verständlicher zu machen. „Ohne Linguistik geht bei uns nichts,“ meinte Dr. Markus Nickl, Geschäftsführer der doctima GmbH für technische Dokumentation. Und Dr. Annely Rothkegel, Linguistik-Professorin im Studiengang „Technische Dokumentation“ an der Fachhochschule Hannover, stimmte zu: „Die Lingustik kann zum Beispiel bestimmen, welcher Textaufbau für welche Zielgruppe richtig ist. Nur so kann für den Anwender die passende Gebrauchsanweisung erstellt werden.“

Dabei gehört Deutschland nach Ansicht von Marie-Louise Flacke zu den führenden Ländern Europas im Bereich der praxisorientierten Linguistikausbildung und der Technischen Dokumentation. „In Frankreich gibt es keine vergleichbaren Ausbildungsangebote“, sagte die technische Redakteurin aus Frankreich.

„Wir brauchen dringend Leute, die nicht nur über Sprache Bescheid wissen, sondern zeigen können, dass sie sich in der Praxis bewährt haben. Gerade in der entwicklungsbegleitenden Dokumentation kommt es auf die gute Kommunikation mit den Entwicklern an. Dafür bringen praxisorientierte Linguisten die richtigen Fähigkeiten mit“, sagte Regina Schwarz von der Softwarefirma ixos aus München.

Voraussetzung für einen dauerhaften Erfolg von Linguisten im Berufsleben auch außerhalb der Technischen Dokumentation ist eine Hochschule, an der Linguistik praxisorientiert gelehrt wird. An einigen Universitäten lernen die Studierenden deshalb bereits im Grundstudium, Linguistik in der Praxis anzuwenden und arbeiten häufig schon kurz nach der Zwischenprüfung mit einem Partner aus der Arbeitswelt zusammen. „Durch die frühzeitige Verschmelzung von Theorie und Praxis erwerben sich die angehenden Linguistinnen und Linguisten kommunikative Fähigkeiten, die Absolventen anderer Studiengänge nicht vorweisen können. Die frühzeitige Zusammenarbeit mit der Wirtschaft hat bei uns schon zu Abwerbungsversuchen von Studierenden vor dem Studienende geführt.“ resümierte Dr. Wolf-Andreas Liebert von der Universität Trier.