Das Jahrhundert der Aufklärung im Spiegel der Universität Königsberg

Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg 1720 bis 1804

Als Gemeinschaftsarbeit eines Trierer und eines Washingtoner Wissenschaftlers sind Ende 1999 im Verlag frommann-holzboog die Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg 1720-1804 erschienen. Die Herausgeber sind Dr. Michael Oberhausen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsstelle Kant-Index im Fach Philosophie der Universität Trier, und Dr. Riccardo Pozzo, Associate Professor für Philosophie an der Catholic University of America in Washington, D.C. Der Band ist das Pilotprojekt für die Reihe Forschungen und Materialien zur Universitätsgeschichte, deren Ziel es ist, universitätsgeschichtliche Quellentexte für die Rekonstruktion der Wissenschaftsgeschichte zur Verfügung zu stellen und auszuwerten.

 

Die gedruckten Vorlesungsverzeichnisse der Albertus-Universität Königsberg aus dem 18. Jahrhundert galten lange als verschollen. Der von Oberhausen und Pozzo besorgte Nachdruck macht sie erstmals leicht zugänglich und schlüsselt sie zugleich durch mehrere Register zum Lehrpersonal und den in den Ankündigungen genannten Personen, Autoren, Werken und Handbüchern umfassend auf. Die Edition macht es dadurch möglich, das geistige Leben der Albertus-Universität im Jahrhundert der Aufklärung in der Gesamtheit des Lehrangebots aller vier Fakultäten Semester für Semester zu verfolgen. Sie vermittelt damit zugleich ein lebendiges Bild des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens Ostpreußens, dessen historische Überlieferungen seit 1945 größtenteils vernichtet oder verschollen sind.

 

Die Ausgabe ist auf die Lebzeiten Kants hin angelegt und für die Kantforschung von großer Bedeutung. Die vollständige Erschließung des Königsberger Catalogus, die weit über die von Emil Arnoldt und Otto Schöndörffer Anfang des letzten Jahrhunderts vorgelegten Belege für Kants eigene Lehrtätigkeit hinausgeht, führt anschaulich die vielfältigen Verbindungen zwischen der Philosophie Kants und der Universität Königsberg vor Augen. Sie schafft damit erstmals die Voraussetzungen, zahlreiche weiterführende Fragen der Entwicklungs-, Quellen- und Rezeptionsgeschichte der Kantschen Philosophie zu beantworten: Welche Zusammensetzung hatte die Königsberger philosophische Fakultät zur Zeit von Kants Studium und Wirken? Welche Richtungen waren in ihr vertreten? Welchen Einfluss hatten die von der Fakultät vorgegebenen Bedingungen auf die Lehrveranstaltungen und ihre Themen? Wie ist die Wahl der Kompendien zu bewerten, die Kant seinen Vorlesungen zugrunde legte? Welchen Einfluss hatte Kants eigene kritische Philosophie auf den Lehrbetrieb in Königsberg?

 

Der Band ist der erste einer von Oberhausen und Pozzo neu gegründeten Reihe, die universitätsgeschichtliche Materialien wie etwa Statuten, Studienordnungen, Vorlesungsverzeichnisse, Vorlesungsankündigungen, Einladungsschriften edieren, erschließen und auswerten wird. Materialien dieser Art, die bislang vernachlässigt wurden, geben detaillierte Auskünfte über die Biographie und Wirksamkeit der unterrichtenden Gelehrten, vermitteln ein exaktes Bild vom Lehrbetrieb und gewähren Einblick in institutionelle wie wissenschaftliche Entwicklungen, Tendenzen und Auseinandersetzungen an den Universitäten Europas. Die Universitäten sind nicht nur ein Spiegel der Wissenschaftsgeschichte, sondern diese ist auch durch die Institution Universität selbst tiefgreifend beeinflusst worden. Zielgruppe der Reihe sind Philosophie-, Wissenschafts-, Medizin-, Rechts- und Kirchenhistoriker gleichermaßen. Ihnen soll durch die hier erschlossenen Materialien eine präzisere Rekonstruktion der quellen- und wirkungsgeschichtlichen Kontexte ihrer Disziplinen ermöglicht werden.