Sprachgeschichte und Sprachkritik

"Deutscher Sprachpreis" für Peter von Polenz

Dreibändige "Deutsche Sprachgeschichte zum Abschluss gebracht

Peter von Polenz, Professor für Germanistische Linguistik an der Universität Trier, wird am 24. September 2000 in Weimar mit dem "Deutschen Sprachpreis" für das Jahr 2000 ausgezeichnet. Der Preis wird vergeben von der "Henning-Kaufmann-Stiftung zur Pflege der Reinheit der Deutschen Sprache" im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Die Stiftung würdigt damit die "Verdienste um die deutsche Sprache", die sich von Polenz im Laufe seiner lebenslangen sprachwissenschaftlichen Arbeit und seiner 40-jährigen Universitätstätigkeit erworben hat. Aus dem umfangreichen Gesamtwerk des Forschers hebt die Stiftung insbesondere die dreibändige "Deutsche Sprachgeschichte" und die Arbeiten zur Sprachkritik hervor.

 

Der Wissenschaftler hat nach seiner Emiritierung sein Hauptwerk, die "Deutsche Sprachgeschichte", an der Universität Trier zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. Anfang diesen Jahres ist der erste Band des dreibändigen Werkes in einer überarbeiteten Fassung neu erschienen, so dass die gesamte Sprachgeschichte im Jahr 2000 geschlossen in drei Bänden vorliegt:

 

Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Bd. I: Einführung, Grundbegriffe, 14.-16. Jahrhundert, 2. Aufl., 2000; Bd. II: 17. und 18. Jahrhundert, 1994; Bd. III: 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Berlin, New York, Walter de Gruyter.

 

Der Sprachwissenschaftler Peter von Polenz hatte von 1975 bis 1993 eine C 4-Professur für Germanistische Linguistik an der Universität Trier inne. Er war 1959 von der Marburger Philosophischen Fakultät für das Fach Deutsche Philologie habilitiert worden und lehrte von 1962 bis 1975 Deutsche Philologie und Linguistik an der Universität Heidelberg. 1980 wurde ihm der Konrad-Duden-Preis der Stadt Mannheim verliehen. Seit 1992 ist er korrespondierendes Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.

 

Peter von Polenz hatmit seinem insgesamt über 1.600 Druckseiten umfassenden Werk eine Darstellung und strukturierende Analyse der deutschen Sprachgeschichte vorgelegt, wie es sie in dieser Breite, Differenziertheit, interpretatorischen Kraft und theoretischen Fundierung bisher nicht gegeben hat. Es ist auch kaum vorstellbar, dass eine einzelne Person in Zukunft noch einmal eine derartige Stoff- und Literaturfülle wird bewältigen können (das Literaturverzeichnis allein zum 3. Band umfasst 157 Druckseiten). Peter von Polenz hat diesem Werk mehrere Jahrzehnte seines Arbeitslebens gewidmet.

 

In der theoretischen Fundierung und in der Konzeption zeichnet sich das Werk dadurch aus, dass es die Sprachgeschichte aus der Sicht der politischen Geschichte und der Sozialgeschichte perspektiviert und ordnet. Sprachgeschichte ist im Kern Teil der Gesellschaftsgeschichte; die Sprache steht in intensiver Wechselwirkung mit anderen Institutionen in der Gesellschaft. Natürlich kommt in dem Werk die sogenannte innere Geschichte der "Institution" Sprache nicht zu kurz: der Wandel des Sprachsystems in der Lautung, in der sprachlichen Morphologie und im Satzbau. Das Hauptaugenmerk aber liegt auf dem Wortschatz, den Texten, den Textsorten und den Diskursen. Mit dieser Orientierung knüpft von Polenz an Richtungen in der modernen Geschichtswissenschaft an. Entsprechend gibt es zu jeder Epoche zentrale Kapitel zur Gesellschaftsentwicklung, zur Mediengeschichte, zum Kontakt mit anderen Sprachen, zum sprachpolitischen Verhalten, zu Sprachvarietäten und Varianten im Sprachgebrauch und zur Mentalitätsgeschichte.

 

Peter von Polenz hat auch eine sprachkritische Sprachgeschichte geschrieben. Sprachkritik bedeutet für ihn vor allem Analyse und Beschreibung des Sprachbewusstseins in der Gesellschaft, der Reflexion über Sprache und mittels Sprache, die das gesellschaftliche Leben antreibt und verändert. Sprachkritik führt zur zunehmenden Sprachsensibilisierung, vor allem im öffentlichen Leben, aber auch im privaten. Die Sprachkritik, die von Polenz vorschlägt, ist linguistisch begründet, das heißt sie setzt auf Analyse, Aufklärung und Reflexion. Damit ist sie auch eine gute Medizin gegen Sprachpurismus und Sprachdogmatismus. Christopher J. Wells schreibt (in der oben genannten Rezension): "Peter von Polenz leistet ein großes Stück Aufklärungsarbeit über Hintergründe und Hergänge und verschafft so die Grundlage für eine informierte Widerlegung der antiliberalen und undemokratischen Kräfte, die durch Sprachintoleranz, Sprachdogmatismus und totalitäre Sprachregelungen klar Schiff und übersichtliche, (über)geordnete Verhältnisse könnten schaffen wollen" (S. 84).