Ringvorlesung an der Universität Trier: Kaufwütige Frauen, dekadente Börsianer: Konsumkritik in der Literatur des 19. Jahrhunderts

"Kaufwütige Frauen, dekadente Börsianer: Konsumkritik in der Literatur des 19. Jahrhunderts" lautet das letzte Thema der Öffentlichen Ringvorlesung der Universität Trier "Luxus und Verschwendung" im Wintersemester 2007/2008. Prof. Dr. Fanziska Schößler spricht am 12. Februar 2008, um 18 Uhr c.t., in Hörsaal 6 zu diesem Thema. Interessierte aus Stadt und Region sind herzlich dazu eingeladen.

Luxus ist seiner Etymologie nach ein Distinktionsbegriff, der die herrschende Ordnung von dem abgrenzt, was als Abweichung begriffen wird. Die variierenden historischen Luxusdefinitionen treffen mithin basale kulturelle Unterscheidungen zwischen Norm und Devianz.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert – einer Phase, die sich durch den virulenten Nationaldiskurs und seine Ausschlüsse, durch Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit auszeichnet – wird der Begriff „Luxus“ eingesetzt, um die (scheinbar) zügellosen Ausschweifungen des assimilierten jüdischen Bürgertums zu charakterisieren, ebenso die hemmungslosen Käufe von (scheinbar) nervenschwachen Frauen, die das Familienvermögen in Kaufhäusern verausgaben. Luxus (der damit als fragwürdige Verschwendung aufgefasst wird) gilt als Ausdruck einer nicht kontrollierbaren Moderne und wird deshalb als dekadenter Habitus auf ausgegrenzte Gruppen wie Judentum und Weiblichkeit projiziert. Am „Fremden“ (in der Nähe) lassen sich auf diese Weise die (pathologisierten) Konsequenzen einer beschleunigten (Mode-)Produktion und künstlicher Bedürfnisse ablesen.

Die Literatur ab 1873 – Zeitpunkt der so genannten großen Depression nach dem internationalen Börsenkrach – wendet sich mit Vorliebe der Figur des reichen jüdischen Börsianers zu, der den Prunk der prosperierenden Klassen imitiert, sich jedoch durch seine Geschmacklosigkeiten als Emporkömmling verrät; so jedenfalls will es Theodor Fontane in seinem Gesellschaftsroman L’Adultera. In Heinrich Manns antisemitischer Gesellschaftssatire Im Schlaraffenland nutzt der Börsianer (mit dem stigmatisierenden Namen Türkheimer) sein Geld, um es buchstäblich in Luft zu verwandeln. Ein anderes beliebtes Thema ist die Käuferin, die sich in den grands magasins dem Kaufrausch hingibt, ihrerseits im Ruch der Käuflichkeit steht und als hysterische Kleptomanin behandelt wird. Der Vortrag möchte diese Abgrenzungsversuche gegen eine beschleunigte Moderne vorführen, also die ihrerseits opulenten Phantasien eines fragwürdigen Luxus, die die Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts entwirft.