Leben am Hofe: Ritual - Affekte - Theater der Emotionen?

Tagung des Faches Kunstgeschichte der Uni Trier

"Das Königreich Mallorca im 14. Jahrhundert und seine symbolische Kommunikation"

Ein Köng flieht vor seinem Kontrahenten. Welche Schätze nimmt er wohl aus seinem Königreich mit? Statt Gold oder Juwelen entscheidet er sich für eine Handschrift mit reichen Illustrationen. Diese Leges Palatinae sind eine 1337 entstandene Hofordnung. Der Text regelt den Umgang der Menschen am Hofe mit dem König und ist lange Jahre Grundlage für spätere Regenten, geradezu ein "Knigge" des späten Mittelalters. Es ist der mallorquinische König Jaume III. oder Jakob III., der diese Handschrift auf der Flucht vor seinem Vetter Peter IV. von Aragon mitnimmt, weil dieser ihm nach Leben und Reich trachtete. So gelangte diese Handschrift auf abenteuerliche Weise über Frankreich und Burgund nach Brüssel.

Das Fach Kunstgeschichte der Universität Trier erforscht die Verbindung von Text, Illustration und historischen Hintergründen der Leges Palatinae und veranstaltet vom 10. bis 12. Oktober 2008 eine internationale Tagung über diese Handschrift mit dem Titel "Leges Palatinae - Symbolische Kommunikation am Hof des Königreiches Mallorca im 14. Jahrhundert".
Der Trierer Kunsthistoriker Prof. Dr. Gottfried Kerscher organisiert die Tagung und hat dazu renommierte Kunsthistoriker, Historiker, Philologen und Mediävisten aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Katalonien und Italien eingeladen. Veranstaltungsort ist die Stadtbibliothek Trier (Weberbach 25). Wie kam diese Handschrift nach Brüssel? Was bedeutet sie für die symbolische Kommunikation am damaligen Hofe und auch an späteren Höfen? Wie sind Text, Sprache und Illustration zu analysieren? Das alles sind Fragen, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dieser Tagung aufgreifen.

Zur Handschrift
Die Leges Palatinae sind eine Gesetzessammlung, die das Leben am Hof des prosperierenden Königreiches Mallorca regelte. Sie regelt nicht nur die Dienste und das Entgelt, wie das bisher üblich war, sondern auch die Privilegien, die der König erteilte, wie das auch Jahrhunderte später (immer noch) der Fall war. Wenn man die Texte analysiert und auch die Illustrationen hinzu zieht, wird deutlich, dass nicht mehr so starkes Gewicht darauf gelegt wird, WAS zu tun ist, sondern WIE es auszuführen ist. Diesbezüglich wird der Begriff der symbolischen Kommunikation verwendet, in der die Bedeutung von Gesten bis hin zum Zeremoniell oder Ritual untersucht werden. Somit handelt es sich um eine Art Hybrid zwischen Hofordnung und Zeremonienbuch - und zwar das erste seiner Art in dieser Vollständigkeit und Komplexität in Europa.

Zur den Vorbildern der Handschrift
Hinsichtlich der Vorbilder dieser auf den Balearen entstandenen, heute in Brüssel befindlichen Handschrift muss man eine reiche, aus vielen Quellen inspirierte mittelmeerische Gesellschaft ansehen, die von ihren islamischen Wurzeln mit größter Wahrscheinlichkeit profitiert hat. In der Tagung der Universität Trier erörtern daher mehr als zwanzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen der Kulturwissenschaften die Frage, ob solche islamische Wurzeln inspiriert haben könnten, das antike oder byzantinische Zeremoniell bzw. andere Quellen diesen "Ordines" oder Gesetzen zugrunde liegen. Des weiteren wird nach der Genese und dem Sinn der Texte sowie der Illustationen gefragt, nach möglichen Vorbildern aus Kastilien (Cantigas de Santa Maria, Primera Partidas, Siete Partidas, also u.a. Rechtshandschriften des Hofes Alfons des Weisen), Italien oder Frankreich genauso wie aus anderen Gebieten des Mittelmeerraumes.

Eine Reise der Handschrift durch Europa
Aber nicht nur diesbezüglich nimmt diese Handschrift eine Sonderrolle ein. Sie hat - und das ist das Faszinierende mittelalterlicher (Kunst-) Geschichte - schon im Mittelalter eine Reise durch Europa angetreten und schon damals bewiesen, dass sie etwas ganz besonderes war und ist: Der mallorquinische König Jakob III. musste vor seinem Vetter Peter IV. von Aragón fliehen, der ihm nach Leben und Reich trachtete. Dabei nahm Jakob - auf der Flucht! - die Leges Palatinae mit, verweilte wohl zunächst in Perpignan, Montpellier, Avigonon oder an einem anderen Ort außerhalb des Königreiches Frankreich. Dort nicht mehr sicher, machte er dem König von Frankreich, dessen Schutz er sich unterstellen wollte, die Leges Palatinae zum Geschenk. Dieser vererbte sie weiter, bis die Handschrift an den burgundischen Hof kam, wo Hofordnung und Zeremoniell erfunden und entwickelt wurden. Bis zu einem gewissen Punkt stellen also die Leges Palatinae den Ursprung oder eine wichtige Quelle der Inspiration für Hofordnung und Zeremoniell in Europa dar.