Stilles Gedenken an Mutsuko Ayano

Vor 25 Jahren wurde die japanische Studentin Opfer eines Raubüberfalls

Auf dem Kreuzweg am Petrisberg steht ein Gedenkstein, der an ein grausames Geschehen vor 25 Jahren erinnert, das damals unter Studierenden, Mitarbeitern und Professoren der Universität sowie in der Trierer Bevölkerung tiefe Betroffenheit und große Anteilnahme ausgelöst hatte: Die japanische Studentin Mutsuko Ayano war Opfer eines brutalen Raubüberfalls geworden und erlag zwei Tage später ihren schweren Verletzungen, ohne vorher das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.

Die Universität Trier wird sich am kommenden Freitag, 21. November 2008, um 12:30 Uhr, an Mutsuko Ayano am Kreuzweg Petrisberg erinnern. Die Trierer Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen, sich dem Gedenken anzuschließen.

Mutsuko Ayano studierte von 1981 bis 1983 an der Universität Trier. Sie war damals nach Deutschland gekommen, um das in Japan abgeschlossene Germanistikstudium für die Promotion in Trier fortzusetzen. In dieser Zeit entwickelte sie eine große Liebe zur der Deutschen Sprache, Literatur, Kultur und Musik. Dass sie damals gerade in Trier weiterstudieren wollte, war kein Zufall, denn bereits 1979 hatte sie mit dem Trierer Linguisten Professor Dr. Hermann Gelhaus Kontakt wegen ihrer Examensarbeit aufgenommen. Für die Promotion wollte sie dann bei einigen, ihr aus der Literatur bekannten Wissenschaftlern in Trier, Seminare besuchen. Hier war sie als fleißige und begabte Studentin sehr beliebt.

Mutsuko Ayano Fonds
Die tief betroffenen Eltern haben mit einer bewundernswerten Haltung zum Gedenken an ihre Tochter den ''Mutsuko Ayano Fonds'' an der Universität Trier zur Erinnerung an eine besonders begabte und befähigte Kommilitonin der Hochschule gegründet. Jährlich vergibt diese Stiftung Stipendien an Studierende oder Graduierte aus Japan für einen Studienaufenthalt an der Universität Trier. Zur Zeit ist erneut ein Mutsuko-Ayano-Stipendiat aus der Osaka Gakuin Universität Osaka in Trier. Bisher wurden 36 Japanerinnen und Japaner durch den Mutsuko Ayano Fonds gefördert. Verwaltet wird der Fonds vom Freundeskreis Universität Trier e.V.
Bereits 1985/1986 erhielt der erste Stipendiat Kazuhiko Tamura ein Stipendium für Trier. Er ist heute Professor für Germanistik an der Kwansei Gakuin Universität und hat bereits mehrere Sommerkurse an der Universität Trier abgehalten. Auch das zweite Stipendium war von großem Erfolg gekrönt: Akiko Hayashi (1986/87) hat nach Abschluss ihres Stipendienjahres ihr Studium der Germanistik an der Universität Trier fortgesetzt und im Sommer 1991 mit erfolgreicher Promotion abgeschlossen. Anschließend wurde sie Professorin an der Tokyo Gakugei Universität, mit der die Universität Trier seit 1998 einen Partnervertrag unterhält.

Eine trier-japanische Geschichte
Der tragische Tod von Mutsuko Ayano hat über den Mutsuko Ayano Fonds hinaus und die traurige Anteilnahme der Menschen in den 25 Jahren zu einer kleinen Geschichte für die Universität und für die Stadt Trier entwickelt: Zunächst wurden die Briefe von Mutsuko Ayano an ihre Eltern zusammengestellt und publiziert, die inzwischen in einer zweiten Auflage erschienen sind. In ihren Briefen ist erkennbar mit welch ausgeprägter Sensibilität Mutsuko Ayano während ihres zweijährigen Aufenthalts den Unterschied zweier entfernter Kulturen in Europa und Asien miterlebt hatte, und wie sie zu einem differenzierten Deutschlandbild gelangt. Dabei schildert Mutsuko die Gegensätze zu ihrer fernöstlichen Kultur mit liebevoller Direktheit und Klarheit: Im Jahre 1983 waren diese Distanzen weitaus größer als dies aktuell der Fall ist. Deshalb ist dieser kleine Band bis heute ein Beitrag zum Verstehen der gegenseitigen Kulturen. Die Briefe sind im gebundenen Format im Akademischen Auslandsamt der Universität Trier gegen einen kleinen Kostenbeitrag zu erhalten.

Gedenkstein
Mutsuko Ayano studierte als Rotary-Stipendiatin in Trier. Der Rotary-Club hat nach ihrem Tode auf dem Kreuzweg am Petrisberg einen Gedenkstein gestiftet, den der Trierer Bildhauer Jupp Zimmer nach Vorschlägen der Eltern in schlichten Sandstein gehauen hatte. Gemäß dem Wunsch der Eltern wurden die zwei buddhistischen Worte "myoo hoo" in japanischer Schrift eingemeißelt. "Ihre Bedeutung weist auf die Wahrheit über das Universum hin, und wir rezitieren sie regelmäßig, wenn wir für Mutsukos Seele beten", schrieben die Eltern in einem Brief im April 1984 an das Akademische Auslandsamt der Universität Trier. Trotz des großen Schmerzes durch den Verlust ihrer Tochter haben die Eltern einen wichtigen Beitrag zum japanisch-deutschen Austausch geleistet. Ihr Wirken hat entscheidend mit zur Gründung der Japanologie in Trier beigetragen.
Während ihrer Besuche in Trier haben die Eltern von Mutsuko Ayano das Fach Japanologie und den Unterricht besucht und sich mit den Studierenden im Fach Japanologie ausgetauscht. So wird heute der japanisch-deutsche Austausch, dem sich Mutsuko immer hatte widmen wollen, intensiv an der Universität Trier betrieben. "Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekte befassen sich heute mit dem Thema Interkulturalität, und dies war auch ein Schwerpunkt des Japanologentages, der im Jahr 1999 mit 400 Teilnehmenden an der Universität Trier statt gefunden hat", berichtet Prof. Hilaria Gössmann, Japanologin und gleichzeitig Dekanin des Fachbereichs II.

"Unglück in Glück verwandeln"
So hat dieses sinnlose Verbrechen Wertvolles und Bleibendes geschaffen. Der Vater von Mutsuko Ayano weist im Grußwort zur Neuauflage der Briefe seiner Tochter auf ein japanisches Sprichwort hin, das so viel bedeutet wie "sein Unglück in Glück verwandeln".

Die Universität Trier wird am Todestag von Mutsuko Ayano still der  außergewöhnlichen Studentin aus Japan gedenken und die großzügige Gabe der Familie als Grundstock für einen Fond, eine Stiftung, die den Namen der Tochter trägt, würdigen. "Viele Partnerschaften und Freundschaften sind aus dieser Gründung entstanden und das Ziel, den Austausch von Studierenden und das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und unsere entfernungsmäßig so weit auseinander liegenden Länder nahe zusammen zubringen", würdigt der Präsident der Universität Trier, Prof. Dr. Peter Schwenkmezger, diese enorme Leistung der Eltern.

Verbundenheit der Trierer Bürger
Wie sehr Trierer Bürger sich mit dem Schicksal der jungen japanischen Studentin verbunden fühlen zeigt ein Beispiel ganz besonders: Ein Bürger aus Trier, der in der Nähe einen Kleingarten hat, hat über all die Jahre hinweg den Gedenkstein mit frischem Blumenschmuck versorgt, den er im Sommer aus seinem eigenen Garten und im Winter vom Garten- und Friedhofsamt Trier kostenlos bezogen hat. Dort hat man ihm immer bereitwillig Blumenschmuck für den Gedenkstein zur Verfügung gestellt. Auch ein zweiter Bürger aus Trier stellte dort regelmäßig Blumen und Kerzen auf. Er hat bei einem Krankenhausaufenthalt das Gelübde getan, sich Zeit seines Lebens um die Gedenkstätte zu kümmern.

Zitate aus den Briefen von Mutsuko Ayano:

Die nachfolgenden Zitate aus den Briefen von Mutsuko Ayano charakterisieren sie als eine sensible, intelligente, positive denkende, fröhliche und nachdenkliche Studentin in Trier, die sich intensiv mit den Unterschieden der beiden Kulturen auseinandersetzt:

"Die Geschichte von Menschen, die kreative Arbeit leisten, hat etwas, was ans Herz rührt. Sie sehen nicht nur Zeit und Raum, Jetzt und Hier, sondern das Leiden bei der Geburt eines Werks, die Freude, den Kampf mit sich. Dazu ein Leben, in dem man sich ruhig betrachtend sich selbst gegenüber steht: Dies alles habe ich erst hier kennengelernt und erlebt. Ich denke, dass ich ein bisschen anders geworden bin; weg von einem oberflächlichen unbeständigen Ich voller Neugierde". 17.1.1983

"Mein Interesse an der Welt der deutschen Sprache kennt keine Grenzen, auch wen ich sie so lange studiert habe". 5.4.1982

"Wie dem auch immer sei, ich bin wirklich sehr beeindruckt von der Stärke der Frauen hier, ihrem Verantwortungsbewusstsein für die eigene Arbeit, ihrem Durchsetzungsvermögen. [...] Ich möchte nicht so hart werden. Auch wenn man von Gleichberechtigung redet, so gibt es doch etwas, was nur Frauen haben. Es ist nicht schlecht, wenn eine Frau das auch nutzt [...] es ist schön in einer Welt zu leben, in der man sein Leben selbst bestimmen kann, so wie man es will". "Man lebt nur ein einziges Mal. Ich möchte so leben, wie ich es vor mir verantworten kann. Hier habe ich eine Lebensweise kennengelernt und erlebt, eine Lebensweise, die über die Zeit jetzt und den Raum hinaus geht; die darin besteht, sich selbst in Ruhe zu betrachten und ständig mit sich zu kämpfen, um etwas Wesentliches zu finden". 22.2.1983

"Das ist mein Wahlspruch: 'Wenn man eine Sprache gut beherrschen will, muss man die Sprache mögen'. Ich dachte, dass dieser Satz von mir stammt, aber ich habe entdeckt, dass der verehrungswürdige Goethe ähnliches gesagt hat: 'Was man nicht liebt, kann man nicht machen'". 7.2.1983