Di Fabios letzter Vortrag an der Uni Trier

Gastprofessur war ein großer Erfolg

Mit jeder Vorlesung, die er an der Universität Trier im Rahmen seiner Gastprofessur hielt, stieg die Anzahl der Zuhörer. Krönender Höhepunkt war die letzte Vorlesung von Udo Di Fabio am Montag, den 30. Mai 2011. Der größte Hörsaal der Universität reichte kaum aus, sogar bis in die vordersten Reihen saßen die Studenten.

Die Gastprofessur von Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, der als Richter am Bundesverfassungsgericht arbeitet, ist vom Freundeskreis Trierer Universität gestiftet. In drei Vorträge unterteilt, lief DiFabios Vorlesungsreihe seit Anfang Mai unter dem Motto „Europa – Eine Wirklichkeit sucht ihre Idee“.

Was Europa noch sucht, scheint Di Fabio gefunden zu haben. Langsam tastete er sich an den Höhepunkt – die Lösung des europäischen Problems – heran. Begonnen hatte seine Vortragsreihe geschichtlich, indem der Verfassungsrichter die historischen Gegebenheiten und Etappen der Europäischen Union beleuchtete. Sein zweiter Vortrag analysierte „Europa als Rechtsgemeinschaft: Das supranationale Projekt“ mit einem Blick auf die rechtliche und administrative Konstruktion des Zusammenschlusses. Di Fabios dritte und letzte Vorlesung blickte abschließend hoffnungsvoll in die Zukunft: „Politische und ideelle Perspektiven – Was kommt nach Lissabon?“.

„Sie werden enttäuscht sein, wenn Sie denken, dass ich Ihnen die Lösung des europäischen Problems liefere“, beschwichtigte der Gastprofessur sein zahlreiches Publikum zu Beginn der Veranstaltung. Doch dann begann er zu dozieren, und präsentierte interessante, innovative Denkansätze für die EU. Er zeigte zwei Perspektiven auf: Zum Einen gebe es die Erwartung, mit der Union eine Schwelle zum Bundesstaat zu haben. Zum Anderen verbärge sich hinter der EU die Idee der intergouvernementalen Zusammenarbeit, also einer Politisierung und Ausdehnung der Zuständigkeit der Staaten, wobei allerdings die staatliche Autorität nicht zu sehr beeinträchtigt werde. „Diese beiden Perspektiven sind nicht unvereinbar, aber sehr verschieden. Schon in den 90ern entstand Unsicherheit darüber, ob nicht doch eine Entscheidung zwischen diesen beiden Ansätzen gefällt werden müsse, denn damals ging die Europamüdigkeit um“, erklärt Di Fabio die Tendenzen, „Der Vertragsänderungsprozess hat dann aus dem vorsichtigen Auftrag, die Kompetenzen auszugrenzen, etwas anderes gemacht – nämlich zielführender die politische Union in Richtung einer Finalität Europas zu definieren.“

Der Verfassungsvertrag ist an Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert, ist dann aber im Wesentlichen im Lissabon-Vertrag erhalten geblieben. Das „Referendumsdisaster“, wie Di Fabio die damalige Patt-Situation nennt, wurde bewältigt, „indem der Vertrag in seiner Verfassungsqualität geopfert wurde, aber ansonsten blieb die generelle Substanz erhalten.“ Der Lissabon-Vertrag habe die Union politischer gemacht, da mit ihm neue Strukturen geschaffen wurden.

Die Supranationaliät der EU sieht Di Fabio keineswegs als Kompetenz-Konkurrenz zur staatlichen Autorität, sondern als Ergänzungsebene: „Diese Ergänzungsebene muss auch nur funktional-adäquat Demokratie ausbilden, also wenn das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gilt und wenn die Mitgliedsstaaten die Herren der Verträge bleiben.“ Eine Herausforderung für die EU liege beim Bürger, denn um die Idee der EU dem Bürger plausibel zu machen, ist Di Fabio zufolge „eine eigene Idee nötig, die sich aus bestimmten Denkgewohnheiten entfernt.“ Die neue Denkgewohnheit im Sinne der EU liefert der Verfassungsrichter direkt mit: „Die EU muss die verfassungsrechtliche Identität der Mitgliedsstaaten achten, während die Mitgliedsstaaten ihre Rechtsordnungen so entfalten müssen, dass Europarechtsfreundlichkeit entsteht. Und das deutet auf ein balanciertes System der komplementären und auch politischen Kräfte hin – anstelle von »entweder oder«. Das kann auch auf Dauer angelegt sein und in der Dauer perfektioniert werden.“

Die Ansätze Di Fabios trafen auf interessierte Zuhörer. Er stand bereitwillig Rede und Antwort bei der abschließenden Diskussionsrunde und es gab reichlich Gesprächsbedarf. In entspannter Runde bei einem Weinempfang wurde die erfolgreiche Gastprofessur von Udo Di Fabio gefeiert und damit beendet.                                                            
                                                                                                          Maike Petersen