Weiterer Vortrag am Donnerstag: "Psychologie heute - verkehrt wie damals, populär wie nie!"

Am kommenden Donnerstag, den 17. Januar, findet nicht nur ein Vortrag des Referats für Hochschulpolitik, sondern auch ein Vortrag des <link internal-link>Referat für Politische Bildung statt. Unter dem Titel "Psychologie heute - verkehrt wie damals, populär wie nie!" wird Prof. Dr. Albert Krölls referieren:

Das höchst populäre Angebot der Psychologie besteht darin, Leuten, die in Schwierigkeiten sind, zu helfen, indem sie beim Umgang mit sich selbst beraten werden. Ob nun jemand das Studium nicht schafft, seinen Job verliert, von seiner Liebsten verlassen wurde oder sich vor Spinnen fürchtet: Psychologen betrachten all diese Vorkommnisse als Gegebenheiten, die ihr Klientel bewältigen kann – ganz unabhängig davon, ob die Leute sich ihr Problem selber eingebrockt haben oder nicht. Ob jemand Opfer eines entgegengesetzten oder gar feindlichen Interesses geworden ist, ob er vielleicht Fehler bei der Verfolgung eines eigenen Interesses gemacht hat oder ob er an sozialen und moralischen Maßstäben scheitert – das wollen Psychologen nicht beurteilen, geschweige denn kritisieren. Die von ihnen betreuten Menschen sollen sich ausschließlich der Frage zuwenden, ob ihre Einstellung zu den Problemen stimmt. Und diese Einstellung „stimmt“ dann, wenn sich die Menschen durch einen Vorfall, der sie schädigt oder unzufrieden macht, nicht aus der Bahn werfen lassen. Die Ratschläge, die man von Psychologen erhält, sehen entsprechend aus: hier mehr Selbst- bewusstsein, da mehr Motivation und dort eine positive(re) Sichtweise der Realität, dann kann der Mensch mit den Misslichkeiten, welche die Konkurrenzgesellschaft für ihn bereithält, lässig fertig werden. Wer sich selbst annimmt und kontrolliert, wer sein Verhältnis zu sich im Griff hat und über ein gesundes Selbstwertgefühl verfügt, hat gemäß der Heilsbotschaft der Psychologie mit der Welt keine Probleme mehr.

Die Wissenschaft der Psychologie liefert für das geistige Bedürfnis des demokratischen Bürgers, die kapitalistische Gesellschaft und ihre Einrichtungen als Summe von Chancen und Möglichkeiten für das Subjekt zu betrachten, und demgemäß seine persönlichen Niederlagen nicht den Prinzipien der Konkurrenzgesellschaft sondern sich selbst und seiner eigenen mangelnden Erfolgsfähigkeit zuzuschreiben wie auch umgekehrt die Siege in Beruf und Privatleben als Ausweis seines angeborenen Erfolgsmenschentums zu betrachten, die passende Theorie des Willens.

Dieser Theorie zufolge ist der Wille des Menschen keinesfalls das einfache Resultat seiner Absichten und Beschlüsse. Vielmehr ist sein Handeln determiniert durch innere und äußere Bedingungen: unbewusste Triebe, Reiz-Reaktions-Mechanismen<wbr>, Dispositionen, Verhaltensmuster, Umwelteinflüsse etc. Ihr Wissen um die geheimen Wirkkräfte der Psyche gewinnen Psychologen vornehmlich dadurch, dass sie die Handlungen der Subjekte in deren „seelisches Innenleben“ reflektieren und das praktische Tun als Äußerung der inneren Möglichkeit dazu bestimmen. So erklären sie auf mustergültig tautologische Weise das Reich der menschlichen Aktivitäten durch ebenso viele gleichnamige Antriebe: den Krieg und andere Gewalttätigkeiten aus einem Aggressionstrieb, die Ausübung von Macht aus dem Machtstreben, Depressionen und Selbstmorde aus einer Veranlagung dazu etc.

Mit dieser Bestimmung des Willens als abhängiger Variable eines Ensembles innerer und äußerer Wirkkräfte erteilt die Psychologie dem Menschen zugleich einen umfassenden Selbststeuerungsauftrag. Derselbe Mensch, eben noch als willenloser Spielball psychischer Impulse definiert, soll nunmehr als Konfliktmanager der widersprüchlichen Ansprüche fungieren, welche seine innere Dispositions- oder Motivationslage und die äußere Welt an ihn erheben. Er soll im Kampf mit sich selbst sein seelisches Gleichgewicht herstellen, ein Programm, das seit Freud unter dem psychologischen Namen einer gelungenen Ich-Bildung bekannt ist. Jedenfalls dazu soll der Rest an Wille und Verstand, den die Psychologie dem Menschen zugesteht, noch zu gebrauchen sein.

Die systematische Darstellung dieses Zusammenhangs zwischen den Erklärungsmustern der psychologischen Weltanschauung und ihrem Gebrauchswert für die kapitalistische Konkurrenzgesellschaft bildet das Leitthema des Vortrags. Im Rahmen eines exemplarischen Durchganges durch die pluralistische Welt psychologischer Theorien werden die verschiedenen Ansätze darauf hin untersucht, welche Beiträge sie zum psychologischen Programm der (Selbst)Anpassung des bürgerlichen Konkurrenzsubjektes an seine gesellschaftliche Heimat erbringen, worin ihr politisch-legitimatorische<wbr>r Gehalt besteht und auf welchen systematischen Fehlern der wissenschaftlichen Theoriebildung diese gesellschaftliche Nützlichkeit gründet.